Die Traum-Vorlage

Es ist heute nicht mehr nachzuvollziehen, welche Strahlkraft der Fußballspieler Pelé zu seiner aktiven Zeit hatte. Die meisten, die in den 60er Jahren von ihm schwärmten, hatten ihn ja nie spielen sehen. Bewegte Bilder vom Fußball waren in dieser Zeit die seltene Ausnahme, nicht die Regel. Wann gab es denn Fußball zu sehen, damals? Ab 1963, dem Gründungsjahr der Bundesliga, gab es die Samstags-Sportschau, in der man hastig zusammengeschnittene Spielausschnitte der nationalen Vereine sehen konnte, internationalen Fußball gab es gelegentlich(!) im aktuellen Sportstudio und in der Sonntags-Sportschau, in der es eine Rubrik „Sport aus aller Welt“ gab. In der gab es einen kurzen, vielleicht eine Minute langen Ausschnitt aus einer internationalen Partie, der alle paar Wochen aus Brasilien kam. Da konnte man dann eins von Pelés Sensations-Toren oder seinen Wunder-Dribblings sehen. Wofür man also mehrere Stunden Wettkampf-Turnen, Rhönrad-Fahren oder Ringen in verschiedenen Gewichtsklassen durchgestanden hatte. Das war uns kleinen, fußballbegeisterten Jungen egal, Hauptsache, man konnte ein paar Sekunden lang Pelé spielen sehen.
Ganze Partien, in denen Pelé sein Spiel entfalten konnte, bekamen wir erst bei der WM 1970 zu sehen. Zwar waren auch bei den Weltmeisterschaften 62 und 66 einige Brasilien-Spiele im TV zu sehen gewesen, doch bei beiden war er eine Randerscheinung geblieben, 62 hatte er sich im 2. Spiel verletzt, 66 wurde er rüde zusammengetreten, so dass Brasilien in der Vorrunde ausschied. Wir hatten Pelé also – außer in kurzen Ausschnitten – bis 1970 nicht wirklich spielen sehen. Trotzdem war uns allen klar, dass er der beste Spieler der Welt, vermutlich der beste Spieler aller Zeiten war. Weil wir von seiner Einmaligkeit gelesen hatten.

Bis in die 70er Jahren hinein war Fußball ein Sport, den man vor allem lesend erfuhr. Jede Tageszeitung hatte einen mehrseitigen Sportteil, den wir uns erbettelten, wenn der Vater die Zeitung aufschlug. Und da lasen wir dann aufgeregt von aufregenden Spielen hierzulande und anderswo, von außergewöhnlichen Spielern, Helden und Bösewichten, von gerechten und ungerechten Entscheidungen in letzter Sekunde. All das formte sich in unserer Fantasie zu Bildern, die jederzeit überwältigender waren als das schnöde-wirkliche Schwarzweiß-Geflacker, das damals aus den Fernseh-Kisten kam.

Fußball ist auch deshalb zu einem so immens populären Sport geworden, weil sich über ihn besser schreiben ließ, weil er sich besser beschreiben lässt als jede andere Sportart. Mit jedem Anpfiff liefert der Fußball das Rohmaterial für ein Drama, das dann die Fußballreporter in Worte gossen, die in den Köpfen der Leser zu unvergesslichen Bildern wurden, meist – wie gesagt – gewaltiger als das, was sich wirklich auf dem Platz ereignet hatte. Und Pelé hat damals verlässlich die Vorlagen für unsere Träume gegeben. Neymar hat auf Instagram die passenden Worte gefunden: „Vor Pelé war die 10 einfach nur eine Zahl. Vor Pelé war Fußball nur eine Sportart, er hat daraus Kunst und Unterhaltung gemacht.“ Pelé hat auf dem Rasen die Drehbücher getanzt, aus denen – auf dem Umweg über die Zeitungsseiten – in unseren Köpfen die größten, unfassbarsten Fußballträume geworden sind. Pelé war der größte Spieler aller Zeiten. Kein di Stefano vor ihm, kein Maradona nach ihm hat derart perfekte Vorlagen für unsere Träume gespielt. Auch, weil wir von ihm träumen durften, bevor wir ihn gesehen haben. Und natürlich auch, weil er 1970 – als wir ihn endlich sehen konnten – tatsächlich geliefert hat.

Splitterbrötchen (CMXIX)

Ganz erstaunlich, wie viele Menschen immer wieder auf die Idee „Lass uns ganz früh fahren, da sind die Züge nicht so voll!“ kommen, besonders in Ferienzeiten.

Kommaregeln endlich verständlich:

Heißen die Goldbären in Frankreich L‘or-Bären?

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war das letzte Steak im „Hugo“. Der Ruhestand sei den Inhabern von Herzen gegönnt, aber diese gutbürgerliche Küche in Perfektion werde ich schon sehr vermissen.

Ganz erstaunlich, wie viele Leute den Unfug mit dem „trainierten“ Immunsystem glauben. Aber… vielleicht ist ja doch was dran? Vielleicht kann man ja sein Immunsystem tatsächlich optimal trainieren, indem man sich möglichst oft erkältet… Oh. Moment…

Neuer Beitrag zu meiner gigantisch beliebten Fotoserie „Die geduldigste, beste Gemahlin von allen fotografiert Dinge“ Heute: ein Porzellanpferd.

Bernhard Hoëcker über Mario Barth:

Ich würde noch einen Schritt weitergehen: Aufs Komiker-Handwerk reduziert, ist Barth absolut herausragend. Sein komisches Timing ist atemberaubend, in dieser Hinsicht ist er vermutlich der beste deutsche Komiker aller Zeiten. Würde er jetzt noch wirklich komisches Material in seinen Shows bringen, müsste er vermutlich dauernd seine Darbietungen unterbrechen, um Sanitätern Gelegenheit zu geben, die Erstickungsopfer aus dem Zuschauerraum zu entfernen. Also bringt er lieber diese unterirdischen Grotten-Nummern, damit sein Publikum gesund bleibt und er pünktlich Feierabend machen kann.

Ach ja, Weihnachten ist ja auch noch.Weiterhin ein Frohes Fest.

Splitterbrötchen (CMXVIII)

Auf fast allen Ebenen der Gesellschaft entscheidet man sich seit geraumer Zeit, wenn eine Entscheidung zwischen „preiswert“ und „gut gemacht“ getroffen werden muss, für die preiswerte Lösung. Der Schaden, der durch diese preiswerten Lösungen angerichtet wurden, beträgt mittlerweile ein Vielfaches von dem, was eingespart wurde.

Sensationeller neuer Beitrag zu meiner ultra-beliebten Fotoserie „Die beste, geduldigste Gemahlin von allen fotografiert Dinge“! Heute: ein Plastik-Weihnachtsmann.

Der zündende Wortwitz der Woche gelang Blake:

Wenn mir bei der Abbestellung eines Newsletters eine Seite wie „Wir vermissen Sie schon jetzt!“ gezeigt wird, dann wird eine Ahnung zur Gewissheit: Die halten mich tatsächlich für komplett bescheuert.

Man kann gegen den Wurst-Uli sagen, was man will, aber seinen Freunden hilft er jederzeit. Als der Schuhbeck-Fonsä wg. Justizirrtum bei den Steuerheinis absagen musste, ist er sofort für ihn eingesprungen.

Auf Facebook wurde ich an eine wundervolle Weisheit Humphrey Bogarts erinnert: „Fran Sinatra stellt sich das Paradies als einen Ort vor, an dem es sehr viele Frauen und keine Zeitungsreproter gibt. Er weiß es nicht, aber für ihn wäre es besser umgekehrt.“

Freitagabend schien das Rennen um den kulinarischen Wochenhöhepunkt gelaufen, als die beste, geduldigste Gemahlin von allen auf einem Kurztrip nach Beelitz im „Due Fratelli“ einkehrten. Wer mich kennt, weiß: Wenn humorbegabte italienische Servicekräfte mit Grandezza Aperitif und eine Tafel mit den Tagesgerichten…

…vor den Chris hinstellen, fühlt er sich wohl. Und wenn dann noch ein perfekt gegrillter Steinbutt mit leicht safranisierter Knoblauchsauce und aromatischen(!) Kartoffeln auf den Teller kommt…

… bin ich begeistert und beginne hektisch nach einem Vorwand zu suchen, möglichst bald wieder nach Beelitz zu fahren. Überraschenderweise wurde der ausgezeichnete Steinbutt am nächsten Tag an Delikatesse noch eingeholt, nämlich als wir – nach dem Einkauf in der Weidelandfarm – im „Landgasthof Rieben“ zu Mittag aßen und ich mir wieder die Spinatknödel bestellte.

Über diese Spinatknödel geht nichts, die sind absolute Weltklasse, wunderbar aromatisch, innen fluffig, außen knusprig ausgebacken, eine Delikatesse von Rang, besser wird man dieses Gericht nirgendwo bekommen. Zwei kulinarische Wochenhöhepunkte also, ich betrachte mich als gesegnet.

Als Tom Kraftwerk ein Ereignis der Zeitgeschichte korrekt einordnete, gelang ihm der Tweet der Woche.

Konventionen sind Gefängnisse.

Was ich vor knapp zehn Jahren vermutet habe, stimmt tatsächlich: Erstaunlich viele Menschen verwechselt altersbedingte Trägheit mit Coolness.

Vor langer, langer Zeit pflegte ich Witze darüber zu machen, wie selbstverliebt die Deutschen in ihren eigenen Perfektionsdrang waren, wie stolz auf die überall reibungslos funktionierenden Abläufe. Heute bedaure ich jeden dieser Scherze zutiefst.

 

Splitterbrötchen (CMXVII)

Wer bereit ist, Mittelmaß zu akzeptieren, wird auch sehr häufig Mittelmaß bekommen.

Das könnte in relativ naher Zukunft zur bevorzugten Freizeitbeschäftigung werden: Mit anderen starrsinnigen Senioren über fehlerhafte Erinnerungen streiten. „Nein, das war doch ganz anders…“

Eigentlich ist es doch schön, wenn jeden Morgen das Licht des Tages aus den profundesten Gedanken der letzten Nacht Banalitäten macht.

Oliver Kahn gestern, während des Telefonats mit Manuel Neuer: „Mensch, wir haben doch noch den Ulreich, und in der Winterpause geht noch mal das Transfer-Fenster auf. Mensch, Manu, offengestanden ist deine Verletzung für uns kein Beinbruch.“

Satiriker, die moralische Instanzen sein wollen, sind keine Satiriker.

Ich bin ganz kurz davor, einen superkomischen Anwaltswitz mit einem Eid-Otter zu erfinden. Das wird der Hammer!

Ist Kokain mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum Schnee von gestern?

Der kulinarische Wochenhöhepunkt war das verlässlich ausgezeichnete Rumpsteak im „Hugo“ an der Bundesallee. In die Steaksauce fiel allerdings ein dicker Wermutstropfen: das Restaurant wird zum Jahresende schließen. Ich weiß momentan nicht, was schlimmer ist: wenn einer meiner Ärzte in den Ruhestand geht oder der Inhaber eines meiner Lieblingsrestaurants. Beides schwer verstörend.

Eigentlich ist es doch ganz einfach:

Mein Warntag-Tagebuch:
10:59: Alles ruhig.
11:00: Ich bin alarmiert.
11:01: Die Frisur sitzt.

 

Splitterbrötchen (CMXVI)

Die Erde kann keine Scheibe sein, sonst hätte Carglass sie schon längst ausgetauscht.

Klarsichtigste WM-Analyse:

Satire, die man erklären muss, ist keine.

Schuld sind die deutschen Störe. Solange die stur auf ihrer Verweigerungshaltung beharren, MÜSSEN wir ja russischen Kaviar essen.

Flick scheint doch nicht der Stratege zu sein, für den ich ihn gehalten habe. Der ultimative „smart move“ wäre doch gewesen, nach der Führung durch Costa Rica erstmal jeden Gewinnversuch einzustellen. Solange die Japaner in Führung lagen, wäre Spanien mit in den Abgrund gerissen worden. Also hätten die Spanier sich reinhängen müssen, und wenn sie dann in Führung gelegen hätten, hätte Flick mit einer Last-Minute-Aufholjagd „all in“ gehen und die Sache klar fahren können.

Definitiver Advents-Tweet:

Kulinarischer Wochenhöhepunkt waren äußerst erfreuliche Spaghetti Aglio e Olio im „Casa Nostra„, in das wir diese Woche tatsächlich zum ersten Mal einkehrten, nachdem wir zehn Jahre lang auf dem Weg zur Schloßstraße daran vorbeigelaufen sind. War wohl ein Fehler.

Der Zustand des Feuilletons wird immer bedenklicher, man sieht es an der diese Woche erneuerten Liste der besten Filme aller Zeiten von „Sight and Sounds“. Einen nur einer kleinen Gruppe von Cineasten bekannten Film zum „besten Film aller Zeiten“ zu küren, ist kein politisches Signal (als solches war es wohl intendiert), sondern ein deutliches Zeichen an das Publikum der abstimmenden Kritiker: Ihr seid uns scheißegal, unsere Befindlichkeit und unser Standing in der Peer-Group ist uns wichtiger als unsere Leser. Die Folgen einer solchen Haltung sind bereits sichtbar: selbst treue Leser des Feuilletons wenden sich ab. Der Tagesspiegel hat beim Relaunch die einstmals vielbeachtete „Medien“-Seite gestrichen. Sowas kommt von sowas.

Jedes Land hat die Nationalmannschaft, die es verdient.

Splitterbrötchen (CMXV)

Wenn etwas außerhalb von Twitter kein Skandal ist, dann ist es kein Skandal.

Wenn man von jemandem als „außergewöhnlich kreativ“ bezeichnet wird, ist Vorsicht angebracht. Meistens ist „außergewöhnlich kreativ“ nur eine Umschreibung für „Ich versteh überhaupt nicht, was der Typ macht und find das auch ziemlich doof, aber ich will mal lieber höflich sein.“

Perlen der Dialogkunst: „‚Romeo und Julia‘ ist keine Romanze. Das sind nur zwei dumme Kinder, die am Ende draufgehen.“ (Godfather of Harlem1)

Die Schändlichkeit perfekt analysiert:

Wobei ich selber über mein Desinteresse an diesem Turnier vehement staune.

Was nicht jeder weiß: Man ist nicht auf der Welt, um recht zu haben.

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war eine mit Schafskäse gefüllte Pljeskavica mit delikat-deftigen Bohnen im „Kadena„, das uns in beängstigender Geschwindigkeit ans Herz wächst.

Perlen der Dialogkunst: „Sie wissen ja: Das Rad dreht sich noch, aber der Hamster ist tot.“ (Best Exotic Marigold Hotel)

Zum ersten Mal seit Monaten wieder ein Escape Game gespielt, ein grandioser Spaß, den wir uns hoffentlich in naher Zukunft öfter gönnen werden. „Das Geisterschiff“ kann ich sehr empfehlen: clever und fair konstruierte Rätsel, sehr atmosphärische Kulisse.

Beinahe wurde das Escape Game noch von einer Trouvaille der Berliner Café-Kultur getoppt, als wir anschließend in „Ralf’s Tortenatelier“ entspannten: Klassische Konditorei, die eher in die Richtung von „Mutterns Kuchen“ geht, keine Designer-Törtchen sondern bodenständiger Birnenkuchen, sehr guter Espresso und – vor allen Dingen – ein gesprächs- und blödelbereiter Inhaber, das machte fast so viel Spaß wie das Escape-Game. Schade, dass die Verkehrsanbindung zwischen Friedenau und Schnöselauer Berg suboptimale 60 Minuten Fahrzeit vorsieht, sonst würde ich mich dort täglich einfinden. Trotz des Apostrophs.

Den Gipfel der Schmerzfreiheit erreichte ich, als ich diese Woche auf Facebook dem Drehbuchautor von „Das Wunder von Bern“ den emotionalen Gehalt von Fußballweltmeisterschaften erklärte.

Letztlich sind Infantino und diese Scheichs doch arme Würstchen. Ich meine, hätte Al Capone wegen ein paar bunter Armbinden so einen Aufriss gemacht?

Splitterbrötchen (CMXIV)

Vorsicht! XXL-Ausgabe!

Immer öfter höre ich die Smalltalk-Frage „Arbeiten Sie eigentlich noch?“ Ich mag diese Frage ü-ber-haupt nicht  und lasse bei der Antwort meiner angeborenen Pampigkeit freien Lauf.

Was genau wird am 30.11.2023 exakt um 21:16 mit dem Sauerkraut in diesem Beutel passieren? Ich kann es kaum abwarten!

Der kulinarische Wochenhöhepunkt war der in den letzten Splitterbrötchen erwähnte, aus den Einkäufen in der Weidelandfarm zusammengeklöppelte Gulasch. Zwischen dem Geschmack dieses Rindfleischs und dem, was unter „Gulasch“ in der Supermarkttheke rumdümpelt, liegen Welten.

Ich verstehe nichts von Kunst, aber ich weiß, was mir gefällt. Jugendstil.

Ist es ein Maulwurf? Ist es eine Blindschleiche? Nein, es ist Fielman!

Im Münster-Tatort war plötzlich Psycho-Tanja aus dem „Letzten Bullen“ zu sehen. Das ist vermutlich diese kulturelle Aneignung, von der jetzt alle reden.

Aus der Abteilung „Lebenslanges Lernen“: „Quafftide“ ist ein englisches Wort aus dem 16. Jahrhundert. Es bedeutet „Zeit für einen Drink!“ Gutes Wort.

Die SPD versucht es jetzt mit schonungsloser Ehrlichkeit:

Menschen, die nicht rechnen können, prügeln auf einen Taschenrechner ein wie auf einen Feind.

Der Mann der Woche:

Perlen der Dialogkunst: „Seine Hoheit haben ihre Feder nie gezügelt.“ Der Privatsekretär der Queen über Edward VII. als Tagebuchschreiber („The Crown“)

Ich habe nie verstanden, warum es in der Berliner Spielbank nicht wenigstens einen Boulette-Tisch gibt.

Ist es nicht ganz bemerkenswert, in welch tiefer Talkshow-Versenkung der Deutsche Ethik-Rat wieder verschwunden ist? Erinnert mich mittlerweile stark an diesen Gutenberg-Editor hier in WordPress: Jeder kennt ihn, keiner will mehr was mit ihm zu tun haben.

Jede Staffel von „The Crown“ hat mindestens eine Folge, die mich total vom Hocker haut. In Staffel 5 ist das Folge 6, „Ipantjew House“.

Splitterbrötchen (CMXIII)

Ich dachte, ich hätte schon alles gesehen, aber dann kam ein künstlicher Weihnachtsbaum mit „True Needle“-Technologie.

Seit zwei Wochen habe ich in verschiedenen Berliner Tageszeitungen verschiedene Artikel über die „Gänse-Krise“ in der Gastronomie gelesen. Die Viecher sind dieses Jahr zu teuer, müssen von der Karte genommen werden, weil die Kunden die teuren Gänse nicht mehr bezahlen können und wollen. Schlimm. Ganz schlimm. Am Freitag wollten die geduldigste, beste Gemahlin von allen und ich in Friedrichshagen vor der Videonnale noch was essen – und schafften eine Tischreservierung erst im dritten Lokal: „Tut uns leid, wir sind bis auf den letzten Platz besetzt, heute ist bei uns Martins-Gans-Essen.“ Die früher mal als „Qualitätsmedien“ bezeichneten Zeitungen dürfen sich über die stetig sinkende Akzeptanz nicht beschweren: Wenn man die Lebensrealität der Leser nicht mehr abbildet, hat man eben weniger Leser.

Kulinarischer Wochenhöhepunkt waren fluffige und gleichzeitig knusprige(!) Spinatknödel auf Karotten-Wirsing-Rahm im Landgasthof Rieben, einem sehr empfehlenswerten Ausflugslokal: freundliche, heitere Atmosphäre, kleine (!) Karte, ausgezeichnete bürgerliche Küche und sehr gute (für Brandenburg geradezu  sensationelle) Weinauswahl.

Maximal rücksichtslose Schlagfertigkeit bewies ich diese Woche, als ich die auf Twitter gestellte Frage nach dem besten Song von „The Police“ mit „Lalü-Lala!“ beantwortete.

Falls sich jetzt irgendjemand vollkommen zurecht fragt, wie es uns nach Rieben verschlagen konnte: die „Weidelandfarm“ bzw. deren Hofladen hatte uns angelockt. Die ausgezeichnete, in Gläsern eingeweckte „Bullion“ hat bereits unsere samstagabendliche Bohnensuppe bereichert, der frische „Edelgulasch vom Rind“ könnte heute für den nächsten kulinarischen Wochenhöhepunkt sorgen, im Tiefkühler warten Short-Ribs und dann war da noch ein Glas mit Herz-Ragout… Ich hätte nie für möglich gehalten, dass Rieben soviel aufregendes bereithält.

Samstagabend-Unterhaltung war die FIFA-Doku auf Netflix. Ich kannte das meiste ja schon, aber mal konzentriert dargeboten zu bekommen, was Slippery Sepp und seine Korrumpels so alles durchgezogen haben, erstaunt dann doch wieder. Starke Empfehlung also, trotz kleiner faktischer Unschärfen: Die Mitglieder des Exekutiv-Komitees haben ihre Stimmen meistens nicht verkauft, sondern versteigert.

Ich mag beim derzeit wechselseitig abgenickten Elon-Musk-Bashing nicht mitmachen. Der Mann ist Unternehmer, und man kann ihm nicht vorwerfen, dass er wie einer denkt, nämlich so:

Musk hat mit Twitter eine Firma übernommen, die seit Jahren massive Verluste einfährt. Deshalb verändert er Dinge und nimmt dabei in Kauf, Fehler zu machen. Befremdlich sind nicht Musks – zugegeben möglicherweise verzweifelte – Veränderungsversuche, befremdlich sind User, die darauf bestehen, dass bei einem Verluste schreibenden Gratis-Dienst alles so bleiben soll, wie es ist.

Wenn jemand etwas über Freundschaft erfahren, bestens unterhalten und schwer erschüttert werden will, dann lese er „Mayflies“ von Andrew O’Hagan (skandalöserweise nicht auf deutsch erschienen).

Splitterbrötchen (CMXII)

Ich fürchte, bei sehr vielen „Aktivisten“ steht eher die Selbstdarstellung als das Erreichen ihrer Ziele im Vordergrund. „Was verboten ist, das macht uns gerade scharf“ gilt auch  und erst recht für autoritär vorgetragene Forderungen nach Weltverbesserung. Dass die vollkommen idiotische Debatte über Winnetou und Karl May zu einem stark steigenden Interesse an May und seinen Büchern führen würde, war wirklich abzusehen. Den Bamberger Karl-May-Verlag freut’s. Vielleicht greif ich ja auch mal wieder ins Regal…

Das sind übrigens die Bücher, die ich vor 60 Jahren gelesen habe. Meine liebe Schwester hat sie aufgehoben.

Der Mail-Betreff „Verpassen Sie nicht den Einstieg in die Vorweihnachtszeit“ ist von geradezu betörender Idiotie.

Das Foto vom kulinarischen Wochenhöhepunkt lasse ich mal weg, Blutwurst in einem stark abgedunkelten Restaurant zu fotografieren übersteigt meine knipserischen Fähigkeiten entschieden. Wie dem auch sei „Boudin Noir“ mit Kartoffelpüree und Äpfeln habe ich schon oft gegessen, aber noch nie so gut wie im „La Fontaine“ in Zehlendorf, in das die beste, geduldigste Gemahlin von allen eingeladen hatte. Das war verdammt nahe an der Perfektion, aromatische Blutwurst (NICHT vom Benser, sondern laut Service aus Frankreich importiert), herrlich buttriges Kartoffelpüree und süßsäuerlich in Rotwein geschmorte Äpfel… das war die Referenzversion eines Lieblingsessens, sensationell.

Ich liebe irische Extremsportarten.

Kultureller Wochenhöhepunkt war die Vorbereitung einer fürs kommende Frühjahr geplanten Reise…

Es ist vollkommen sinnlos, sich über Milliardäre aufzuregen, die ihre Spielzeuge kaputt machen. Die dürfen das.