Splitterbrötchen (CMLXXXVIII)

Es ist gar nicht so schwer, sich vor dem eigenen Schatten zu erschrecken. Man muss nur bemerken, dass man angefangen hat zu gehen wie der eigene Vater.

Innovationen, die die Menschheit seit Jahrhunderten ersehnt:

„Ein Jagdzeitweckerl, ein Nusspressburger und ein Aktionsstriezel.“ Bäckerei-Sound im Seewinkel.

Bin ich wirklich der einzige, der mit dem Begriff „Sommermärchen“ nicht (nur) die Turnierspiele der deutschen Nationalmannschaft 2006 verbindet, sondern die geniale, freundschaftliche Atmosphäre abseits der Stadien? Als die Menschen in unserem damaligen Kreuzberger Kiez ihre Fernseher auf die Straßen stellten, um mit wildfremden Menschen zusammen Fußball zu schauen? Als man jederzeit spontan mit Freunden des Ballsports aus aller Herren Ländern ins Gespräch kommen konnte? Als hunderte schwedischer Fans Stunden vor dem Anpfiff des Spiels ihrer Mannschaft gegen Brasilien am Theodor-Heuss-Platz auftauchten, freundlich und gelassen sämtliche Supermärkte und Lokale bis auf den letzten Tropfen leertranken und sich dann auf den Weg zum Stadion machten, ohne Müll oder Sachschäden zu hinterlassen? Als wir uns nach dem verlorenen Halbfinale traurig vom Public Viewing nach Hause zu schleppen begannen, nur um mit den Worten „Was soll’s, war trotzdem ein geiles Turnier“ doch noch in die Kneipe abzubiegen? Das zumindest war mein Sommermärchen, nicht die Zufallsflanke von David oder der Spickzettel von Jens.

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war ein Mittagsmenü im Stadtgasthaus am Nyikospark in Neusiedl. Petersiliencremesuppe …

… schwarzes Meeresfrüchterisotto mit mariniertem Babyspinat …

... und Marillenkuchen …

… alles zusammen für selbstmörderisch kalkulierte 12,80 Euro.

Leider ist der Sport-BILD-Redaktion in dieser Sache eine gewisse Genialität nicht abzusprechen:

Verschwörungstheorie der Woche: Was wäre, wenn maschinist in Wirklichkeit Carolin Emcke ist, die nach ’ner ordentlichen Tüte eine Handvoll Pillen einwirft und auf WordPress ordentlich die Sau rauslässt, bevor sie sich mit ein paar Jagerbombs endgültig das Licht ausknipst? Nur Spaß! Nur Spaß!

Mir scheint, dass – online und gedruckt – die Zahl der Artikel rapide steigt, die mit der Intention geschrieben wurden, den Leserinnen und Lesern ein schlechtes Gewissen zu machen. Zu Ende gelesen werden solche Besinnungsaufsätze natürlich nur von Menschen, die schon eins haben. Die eigentlichen Adressaten werden die Lektüre deutlich vorher abgebrochen haben.

Splitterbrötchen (CMLXXXVII)

In einem sozialen Netzwerk wurde mir ein Kurzfilm über die „wunderbare Welt der Dekomposition“ empfohlen. Es dauerte einen Moment, bis ich begriffen habe, dass ich irgendwelchen Pflanzen beim Vergammeln zusehen sollte.

Sabitzer! Schön, dass du hier mitliest und versuchst, meinen Ratschlägen zu followen. Aber der neue Fischgräten-Haircut war even worse than der original dämlichen Dutt! Deshalb seit ihr auch rausgeflogen, trotz dem machtvollen Support aus der Moskito-Bar.

Zum ersten Mal ist es mir gelungen, ein mindestens fünfzehn Zentimeter weit hineingerutschtes Bändchen ohne fremde Hilfe aus einem Tunnelbund herauszupfriemeln. Ich bin unfassbar stolz.

Den kreativen Köpfen eines burgenländischen Logistik-Unternehmens ist ein Jahrhundert-Claim gelungen: „Mein Lieblingssport ist Weintransport“

Wieso hat Fa. Google das „Augsburger Hohe Friedensfest“ in meinen Kalender eingetragen? Weil ich als Kind die Puppenkiste geguckt habe?

Popkultureller Wochenhöhepunkt war der 4. Teil von „Beverly Hills Cop“ auf Netflix. Auf Super-Producer Jerry Bruckheimer ist einfach Verlass, wenn’s um krachende Unterhaltung geht, und Eddie Murphy hat endlich mal wieder geliefert. Einziger Wermutstropfen: die der ansonsten beinahe makellosen Action-Comedy untergeschobene Botschaft, dass Eltern ein Leben lang für ihre Kinder verantwortlich sind. Dieses Ranmeiern an emotionale Sklavenhalter („Helikopter-Eltern“) ist kompletter Mumpitz. Es ist die Aufgabe von Eltern, ihre Kinder zu selbständigen, verantwortungsbewussten Individuen zu erziehen, und wenn diese Aufgabe erledigt ist, ist auch Schluss mit der Verantwortung fürs Otterngezücht.

Warum gibt’s immer noch keine Lebkuchen in den Supermärkten? Sind die Lieferketten zusammengebrochen, oder was?

Solange man problemlos einen Ferrari entern könnte, kann man ihn sich meistens nicht leisten. Wenn man endlich das nötige Kleingeld für so ein Geschoss hat, kommt man meistens nicht mehr rein oder raus. Johnny Cash demonstriert mit pragmatischer Coolness, wie man dem Zahn der Zeit trotzt.

Die Aufregung über den VAR ist unbegründet. Dort wird verantwortungsbewusst gearbeitet:

Warum Abseits plötzlich kein Abseits mehr sein soll, weil’s „nur ein paar Zentimeter“ sind, verstehe ich nicht. Das infame „Dritte Tor“  gilt seit bald 60 Jahren als Gipfelpunkt fußballerischer Ungerechtigkeit, und da ging es um „nur ein paar Zentimeter“. Wie denn nun?

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war die Mutter aller Kaspressknödelsuppen, aufgetischt in Jupps Bierstüberl.

Die UEFA ist ein Ort fußballerischer Ungerechtigkeit. Deutschland wird ein klarer Handelfmeter verweigert, gleichzeitig lässt man zu, dass der US-Amerikaner Don Diego de Vega („Zorro“) für Frankreich antritt.

Splitterbrötchen (CMLXXXVI)

Sforza Italia Rohrkrepiera! E pericoloso sporgersi!

Meilenstein-Woche für mein hässliches Käsestullen-Foto. Für 2 Millionen Aufrufe musste auch ein Helmut Newton ganz schön lange stricken.

„Was machen Sie beruflich?“ – „Ich bin Online-Bäckerin.“

Speck stellt keine Fragen. Speck versteht.

Übt ein Head-Coach mit einer Mannschaft das Gras-Rauchen?

Der Tagesspiegel hat zur EM die Uralt-Kamelle „Party-Patriotismus begünstigt echten Nationalismus“ ausgegraben. Dass der Aufstieg der AfD zeitlich mit der sportlichen Krise der Nationalmannschaft zusammengefallen ist, der Nationalismus also richtig durchgestartet ist, als es überhaupt keinen Anlass zum Party-Patriotismus gegeben hat, blendet man dabei natürlich aus. Da lob ich mir doch die BILD, die Headlines aus reiner Freude an der Idiotie produziert:

„Dein Paket verfolgen“? Warum sollte ich das tun? Es wird mir doch gerade gebracht!

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war ein perfekt saftig gebratenes Zanderfilet auf Eierschwammerl-Risotto mit Salzzitronen1 im „Knappenstückl“ auf Schloss Halbturn.

Enttäuschung der Woche: „A Grave in the Woods“, Martin Walkers frisch erschienener neuer Bruno-Roman. Man liest sich durch ein Familientreffen, bei dem Oppa ein bisschen vom Kriech erzählt, vor Bitcoin, Putin und Klimawandel warnt und nebenher äußerst halbherzig einen sich selbst erledigenden Kriminalfall abwickelt. Sogar die Kocheinlage  wirkt dahingeschludert: Bruno überlässt bei Rillette vom Thunfisch, Kalbsragout mit Morcheln und Erdbeeren mit Sahne die meiste Kochlöffelzeit dem greisen Baron, weil er lieber das Damen-Rugby-Team trainiert. Mähnong, Mr. Walker, ssahnevabjang. Für den nächsten Roman steigen Sie bitte von ihrem Rednerpult runter und besinnen sich auf die Cop-Thriller-Wurzeln der Serie, oder Sie verlieren einen ihrer treuesten Kunden.

Im Ernst: Ich mache mir richtiggehend Sorgen um den Azzurro. Gestern gegen die Schweiz sah das tatsächlich aus, als wollten sie den Ball gar nicht haben. Lienen hat bei ntv spekuliert, sie würden gegen ihre postfaschistische Regierung spielen, aber das halte ich für etwas weit hergeholt. Irgendwas stimmt da nicht. Ich will meinen alten Lieblingsfeind wiederhaben!

Splitterbrötchen (CMLXXXV)

EM-Kommentator: „… der sich auf dem Frankfurter Rasen wälzt.“ Ich wälze mich grundsätzlich nur auf English Lawn, vorzugsweise aus Wimbledon. Stil und Klasse, so wichtig.

Ich wittere Fake News. Warum sollen die Senioren frustriert sein? Ihnen ist doch unbekannt, dass ihnen Geld entgeht, weil für die Löffelabgabe reichlich Schotter winkt.

Hellsichtige Public-Viewing-Expertise: „Das Tor ist jetzt auf der anderen Seite.“

Nehmen wir Titelschutz in Anspruch für „Das wissende Nicken der Tina Hassel“ …

Sabitzer! Avec your dämlichen Dutt, you don’t schaut aus wie Samurai. You schaut aus wie Soccer Mom!

Maschinist  hat Material zum Thema „Essen, das gecancelt werden muss“ gesammelt. Schmeiß doch bitte mal irgendjemand Hirn vom Himmel. Ich mag übrigens Hirn. Auch gebacken, gern mit Ei.

Der kulinarische Wochenhöhepunkt (erste Speckbrot/Welschriesling-Kombi des Jahres) blieb unfotografiert, weil ich im Schummerlicht des frisch eröffneten „Heurigen-Keller“ das Foto verwackelt habe. Der Runner-Up, das erste Cordon Bleu seit einem Jahr, kam in besserem Licht, aber auch mit einem Welschriesling im Seehotel Herlinde auf den Tisch.

Das gar nicht mal so wenige Salon-Linke die schwarz-rot-goldene Flagge reflexhaft als „rechts“ und „Nazi“ ablehnen, verstehe ich nicht.  Es war die Flagge der Befreiungskriege und der Weimarer Republik, die Nazis haben sie sofort verboten.

Man ist doch nirgendwo vor Betrügern sicher. Da hat doch ein – auch noch stark lispelnder – Fleischwaren-Fachverkäufer versucht, mir einen Schinken namens „The Rano“ anzudrehen. Glücklicherweise hab ich nicht gleich gekauft, sondern erstmal gegooglet: Das Zeug gibt’s gar nicht!

Was hatte ich doch für eine aufregende Kindheit und Jugend! Damals, in den 60er Jahren drohte noch der sofortige Stromtod, wenn man mit feuchten Fingern den Lichtschalter berührte. Und fremde Menschen zum Ausgrenzen gab es auch schon, die hießen damals allerdings noch „Vertriebene“.

Das Wort der Woche stammt von Ricky Gervais: „Wie arrogant muss man sein, wenn man glaubt, es verdient zu haben, durchs Leben zu kommen, ohne dass jemand etwas sagt, dem man nicht zustimmt oder das einem nicht gefällt?“

 

 

Splitterbrötchen (CMLXXXIV)

Warum immer Schadensbegrenzung? Warum nicht mal Schadensvergrößerung? Ist doch eh egal.

Herrenjahre sind keine Lehrjahre!

Wenn junge Menschen wählen dürfen, darf man sich nicht wundern, wenn sie Wahlentscheidungen treffen, die ihre Eltern maximal ärgern.

Fürt den Lacher der Woche sorgte ausgerechnet Lothar Matthäus in einem Werbespot für eine Discounter-Energy-Plörre. Das talent- und timingfrei dahergestammelte „Hat euch der Uli geschickt?“ hat mich verrissen.

Chuck Norris‘ E-Mail-Adresse ist gmail@chuck-norris.com.

Es dauert noch ein bisschen bis zur Bundestagswahl, aber, um den Parteien für eine entsprechende Reaktion genug Zeit zu geben, kündige ich jetzt schon an: Ich mache mein Kreuzchen bei der nicht-radikalen Partei, die ankündigt, eine richtig große Summe Geldes in die Hand zu nehmen, um das Gesundheitswesen zu entprivatisieren und richtig kommod auszustatten. Tja, Klabauterbach, wat sachste nu?

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war ein perfekt gegrilltes, klassisch gewürztes Lammkarrée im Brigantino. Dazu gab’s einen ausgezeichneten offenen Nero d’Avola.

Auch der Runner-Up hat ein Bild verdient, nicht nur aus monochromen Gründen: Die gebratenen Sardinen im „Atlantik“ waren ganz ausgezeichnet.

„Steter Tropfen höhlt den Stein“ funktioniert tatsächlich nur bei Steinen. Bei Menschen bewirkt die Methode das genaue Gegenteil.

Ich plane die Gründung einer Mariachi-Gruppe, die ihre PA ausschließlich über Bluetooth ansteuert. Bandname: „Los Kabellos“

Fußballgebäck ist im Kommen:

Warum soll ich mir die Wiederholung des Sommermärchens wünschen? Ich will nicht wieder Dritter werden! Was sind denn das für Defaitisten beim ZDF?!

Eine kulinarische Überraschung gab es ebenfalls, am anderen Ende des Koch-Spektrums, in der Schleuderküche. Eine schnell und lieblos dahin improvisierte Cocktailsauce aus Fertig-Mayo, Ballantines-Sriracha und durchgepresstem Knoblauch überzeugte auf ganzer Linie durch trashigen Umami-Charme, die ist jetzt im Repertoire.

Kurz keimte KHoffnung nachdem dem wackeren Albanien das schnellste Führungstor der EM-Geschichte gelungen war, doch dann hat mal wieder der Azzurro sein grauses Haupt gereckt. Er scheint sich mal wieder mit minimalistischer Widerlichkeit durchs Turnier mogeln zu wollen.

 

 

Splitterbrötchen (CMLXXXIII)

„Haben Sie auch einen Steinschlag? Dann buchen Sie Ihren Termin doch ganz bequem vom Sofa aus.“ Dieses Gefühl, dass einem die Wirklichkeit komplett entglitten ist …

Wer sich für den (seit 70 Jahren kontinuierlichen) Publikumsschwund an deutschen Theatern interessiert, die Ursachen dafür und mögliche Konsequenzen, findet in dieser Buchbesprechung hochinteressante Lektüre. Wobei die aus den Statistiken gezogenen Schlussfolgerungen einigermaßen naheliegend sind: Dass der einzige Vorteil des Repertoire-Betriebs gegenüber dem Gastspielbetrieb die Bequemlichkeit derer ist, die im Repertoire-Betrieb einen Job haben, ist eine Binsenweisheit.

Man soll es nicht für möglich halten: Diese Woche war ich gezwungen, meine galaktisch beliebte Fotoserie „Die beste, geduldigste Gemahlin von allen fotografiert Dinge“ in „Die beste, geduldigste Gemahlin von allen fotografiert Dinge und mehr“ umzubenennen, denn hier fotografierte sie kein Ding sondern sich selbst.

Lachen bei Threads;

Warum ist „Zurückrudern“ eigentlich noch keine olympische Sportart?

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war eine ganz ausgezeichnete Bouillabaisse im „La Cocotte„. Besser kann man die in dieser Entfernung vom Mittelmeer wohl nicht machen.

Eine Erwähnung verdient auch der Runner-Up, eine wunderbare Caponata mit Burrata im „Brigantino„. Besser kann man eine Caponata in dieser Entfernung von Sizilien wohl nicht machen.

Die lange Regierungszeit Angela Merkels hat dem Land nicht gutgetan, u. a. sind unsere kaputte Infrastruktur und die verschleppte Digitalisierung der volkswirtschaftlich komplett dämlichen „Schwarzen Null“ geschuldet. Frau Merkel alleine die Schuld daran zu geben, greift jedoch zu kurz. Es gab Koalitionspartner und Finanzminister die es hätten besser wissen MÜSSEN. Und es gab jede Menge Wähler, die sie nicht trotz sondern wegen „Sie kennen mich“ gewählt haben.

Wein-Snobs aus meinem erweiterten Bekanntenkreis rümpfen gern die Nase, wenn ich mir einen Chardonnay bestelle. Ich verstehe dieses Vorurteil nicht, das wohl auf den holzigen Vanille-Bomben beruht, die Australien vor zwanzig, dreißig Jahren auf uns Weinfexe losgelassen hat. Die sind aus dem Angebot so gut wie verschwunden, was Italien, Österreich und – natürlich – Frankreich an Chardonnay produzieren, ist in der Regel wirklich gut trinkbar. Wenn ich mit der Weinkarte in einem Restaurant nichts anzufangen weiß und einen Weißwein trinken möchte, bestelle ich fast immer Chardonnay und werde selten enttäuscht.

Wer noch bei einem Tippspiel zur Fußball-EM mitmachen möchte, der ziehe bitte meins in Erwägung: beinharte Konkurrenz, spektakuläre Preise (alte Fußballbücher und Autogrammpostkarten).

Passiert gar nicht mal so selten: Man will sein Jahrhundert in die Schranken weisen und stellt verblüfft fest, dass das Jahrhundert andere Pläne hat.

Peter Glaser hat dieser Tage auf Facebook einige hochinteressante Vorschläge unterbreitet:

Menschen, die in der Nähe von Krankenhäusern wohnen, beschweren sich auf nebenan.de über die Lautstärke der Martinshörner. Tja. Zu soviel Blödheit fällt sogar mir nichts mehr ein.

Von „Ich hab viel zu wenig Grundplatten“ bis hierhin war es ein weiter Weg.

In den Feuilletons werden tränenselig Zeitungsspalten vollgeschrieben, weil der Suhrkamp Verlag es wagt, die Unseld-Villa in Frankfurt zu verkaufen. Leute, Häuser sind Steinhäufen, sonst nichts. Es sind die Menschen, die sie mit Leben erfüllen, und wenn diese Menschen nicht mehr da sind, ist es nur sinnvoll, dem Steinhaufen eine neue Funktion zu geben.

Filet Wellington „für Arme“

Foto: cyclonebill from Copenhagen, Denmark, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Wer sich für gute Küche interessiert, gerät früher oder später an das berühmte „Filet Wellington„, einen Klassiker der feinen Küche, der seit Jahrzehnten auf den Speisekarten der gehobenen Gastronomie zu finden ist. Was einigermaßen erstaunlich ist, denn von der Rezeptur her ist das Wellington kein Musterbeispiel für kulinarische Logik. Hauptbestandteil ist Rinderfilet, ein mangels Marmorierung nicht gerade mit Eigengeschmack gesegnetes Stück Fleisch, dass dann prompt noch mit „allem, was gut und teuer ist“ (Blätterteig, Duxelles, in früheren, unerschrockenen Zeiten auch noch Gänseleberpastete) beballert wird, sodass ein Gericht entsteht, das an die Spielweise klassischer Mittelstürmer im Fußball erinnert: es will eher durch Wucht als durch Finesse überzeugen.

Am Anfang meiner kulinarischen Karriere (Ende der 70er) hatte ich auch einmal ein „Wellington“ auf dem Teller. Ich war neugierig auf dieses Gericht gewesen (Siebeck hatte es, glaube ich, mal beschrieben) und da damals ein Restaurantbesuch mit Wellington-Order und Gedöns drumrum (Vorspeise, Dessert, ordentlich Wein) außerhalb meiner finanziellen Möglichkeiten lag, hab ich es selbst zubereitet. Da ich in Sachen Duxelles, Filet und Blätterteig ein Novize war, schob ich eine Art Generalprobe vor und spielte das Gericht mit preiswerteren Produkten schon einmal durch, also eine Art Filet Wellington für Arme bzw. „pour les pauvres“, wie der frankophile Hobbykoch es nannte. Ich briet ein Schweinefilet scharf an und ließ es abkühlen, machte eine Duxelles, indem ich Champignons durch den Fleischwolf drehte2, in einem Küchenhandtuch ausdrückte und mit Schalotten in reichlich Butter briet und als Gänseleber-Ersatz pimpte ich hundsordinäre Kalbsleberwurst mit Weißwein, Creme Fraiche und frischen Kräutern. Diese beiden Pampen strich ich dann auf das Schweinefilet und wickelte die ganze Chose in Blätterteig, den ich mit Eigelb bestrich. Das Gesamtpaket schob ich bei 200 Grad in den Offen, bis der Blätterteig golden aufgegangen war, das hat so ungefähr 25 bis 30 Minuten gedauert, wenn ich mich recht entsinne.

Die Generalprobe klappte hervorragend, und das „richtige“ Wellington, das ich ein paar Tage später zubereitet habe, war dann küchentechnisch auch kein Problem mehr. Trotzdem war ich mit dem Ergebnis nach zwei, drei Bissen nicht wirklich zufrieden. Das war zu klobig, zu klotzig, um wirklich delikat zu sein. Ähnlich ging es vor ein paar Tagen der geschätzten Frau Kaltmamsell, die bei einem Restaurantbesuch mit einem Wellington als Hauptgang ebenfalls nicht ganz glücklich war. Für mich war das Filet Wellington ein kulinarischer Ort, den man einmal aufsucht, um ihn kennenzulernen und anschließend anderswohin fährt, weil’s einem dort besser gefällt. Nicht, dass es mir nicht geschmeckt hätte, im Gegenteil, es war bei mir wohl auch ein Fall von übergroßer Erwartungshaltung.

Hinzu kam, dass mir idiotischerweise das Generalproben-Gericht, dass „Wellington für Arme“ besser gefallen hatte als das Original. Das Schweinefilet mit der Duxelles und der aufgebohrten Leberwurst hatte eine sympathische, direkte Deftigkeit mit  Spurenelemente von Delikatesse, das hatte Spaß gemacht. Ich hab dann die „arme“ Version für ein paar Jahre ins Repertoire aufgenommen und gelegentlich für Gäste gekocht. Vielleicht mach ich’s dieser Tage mal wieder. Dann schieb ich ein Foto nach.

Splitterbrötchen (CMLXXXII)

Nichts ist so außergewöhnlich, dass es nicht zur Normalität werden könnte.

amazon hat die Ohren überall. Kaum beschwere ich mich über das kreudämliche Bewerten von „Einkaufserfahrungen“, wanzen sie sich per Mail an mich heran und wollen meine „Liefererfahrung“ verbessern. Aber sonst geht’s gut?

Wieder mal auf Threads sehr gelacht:

Die bedenkenswerte Facebook-Weisheit der Woche: „All I’m saying is, at any pont during that ride through the desert, he could have given the horse a name.“ Wie ich immer sage: Umgedreht wird ein Horseshoe draus!

Schlagfertige Repliken denke ich mir grundsätzlich in aller Ruhe im bequemen Wohnzimmersessel bei einem Glas Rotwein aus.

Grandioser Nachruf auf eine West-Berliner Legende. Wer nicht mal im „Diener“ versackt ist, hat nicht gelebt. Ich habe tatsächlich oft am Biberti-Tisch gesessen.

Hand aufs Herz: Wenn man Ihnen vor ein paar Jahren erzählt hätte, dass man mit Malbüchern für Erwachsene, die Szenen aus Klassikern der Weltliteratur ausmalen sollen, Geld verdienen kann – hätten Sie das geglaubt?

Modernes Reden nachgeladen:

Kulinarischer Wochenhöhepunkt waren stark Fenchel- und Knoblauch-lastige Salsiccie im „Bergamotto“ am S-Bahnhof Friedenau, perfekt begleitet von einem schön kalten Grillo aus Sizilien. Manchmal wagt der in Frankreich lebende Gott einen Ausflug nach Italien.

Wenn man sich nur noch die Richtigkeit des eigenen Standpunkts bestätigen lässt und gar nicht mehr versucht, andere zu überzeugen, ist man sich der Stichhaltigkeit der eigenen Argumente vielleicht doch nicht so ganz sicher.

Kopfschütteln beim Lesen der Telepolis-Headline „Suche nach einer alternativen Vergesellschaftung jenseits von Markt und Staat“. Das muss man nicht suchen, diese Alternative gibt es seit vielen tausend Jahren. Man nennt sie „Diebstahl“.

Die Vorfreude auf die EM hat eingesetzt. Hier – und in Schottland.

Die beste „Diener“-Geschichte hat mein lieber Freund Harald erlebt, der dort einmal Bouletten verzehrte, sich über einen etwas merkwürdigen Beigeschmack wunderte und den Kellner „Die Bouletten schmecken etwas komisch, irgendwie nach Kassler, ist da gepökeltes Fleisch drin?“ fragte. Worauf der Kellner (auch so ein unvergessliches Original aus den Achtzigern) die Augen aufriss und entsetzt „Fleisch? In unseren Bouletten?“ stammelte.

 

 

Splitterbrötchen (CMLXXXI)

Um es klipp und klar zu sagen: „Ohne Männer wie McLane hätten wir den 2. Galaktischen Krieg verloren!“ ist der beste Dialogsatz, der je im deutschen Fernsehen gesprochen wurde. Ohne jetzt „Geheimnisträger sind auch nur Menschen“ kleinreden zu wollen.

„Barfußschuhe“ ist ein Widerspruch in sich. So etwas KANN es nicht geben.

Apropos Schuhe: die Teile, für die der Capitano Werbung macht, sind wirklich sehr bequem. Und das Anziehen ohne Schuhlöffel funktioniert wirklich, auch mit einem hohen Spann wie meinem. Ich hab ein zweites Paar geordert. Sehr bequem, wie gesagt.

Das Zitat der Woche stammt von Carl Sagan: „Nichts verstört mich mehr als die Glorifizierung der Dummheit.“

Das wird jetzt schwer für Küchennostalgiker, aber es muss mal gesagt werden: Weißer Spargel gelingt in der Mikrowelle mit Abstand am besten, wenn man den reinen, möglichst intensiven Spargelgeschmack haben will. Ein Bett aus gewaschenen, noch feuchten Spargelschalen in ein Mikrowellengefäß geben, was idealerweise nur wenig größer als die zuzubereitende Spargelportion ist. Spargelstangen oder -stücke draufgeben, Salz, Butter, Zucker, Gefäß verschließen und für 5 bis 8 Minuten (je nach dem, wie dick der Spargel ist) garen, fertig. Geht auch ohne die Spargelschalen, dann ein bisschen Wasser zugeben.

Es gibt auf der ganzen Welt keine bessere Sauce. Akzeptieren Sie keine minderwertigen Ersatzprodukte. Das Original gibt’s nur bei Daniele in der Beckerstraße!

Denken ohne Gehirnführerschein ist ein unwägbares Risiko.

Es ist naiv, zu glauben, dass in Jurys für Literaturpreise nur nach literarischen Kriterien entschieden wird. In diesen Jurys sitzen Menschen, und Menschen haben eben nicht nur literarische, sondern auch persönliche und politische Vorlieben, nach denen sie eben auch entscheiden. Woher kommt es denn, dass z. B. bei Autorinnen und Autoren  die Preisdichte mit fortschreitendem Alter zunimmt? Ist „Der ist jetzt so lange dabei, der ist auch mal dran.“ jetzt ein literarisches Kriterium? Auch das immer wiederkehrende Phänomen – aktuell Jenny Erpenbeck – dass manche Autorinnen und Autoren bei im Ausland verliehenen Preisen erfolgreicher sind als hierzulande, sollte nachdenklich machen. Preise für kulturelle Leistungen können nicht wie im Sport mit Stoppuhren oder Ergebnistabellen vergeben werden, das sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Den kulinarischen Wochenhöhepunkt gab’s im Fischrestaurant Atlantik am Innsbrucker Platz zur Vorspeise: dicker türkischer Joghurt mit in reichlich Öl angeknusperten getrockneten Chili-Schoten. Den werd ich zeitnah in der heimischen Küche nachbauen. Das Gericht taucht übrigens sinnreicherweise unter dem Namen „Atom“ auf der Speisekarte auf.

Das „Dr. No“-Hemd war übrigens nur der Anfang …

Ich soll jetzt andauernd mein „Einkaufserlebnis“ bewerten. Was soll das bitteschön sein, ein Einkaufserlebnis? Wird demnächst der Herr an der Kasse bei „Nah und Gut“ ein Feuerwerk abfackeln, wenn ich’s passend habe?

Bei meinen Theaterstücken und Drehbüchern habe ich nur ungern auf nicht erprobte Pointen zurück gegriffen. Das war mir zu risikoreich.

Warum heißt es „grün“ und nicht „Kohlrabi-schwarz“?

Natürlich ermittelt der Staatsschutz sofort und gern, wenn’s um ein paar wohlstandsverwahrloste Knalldeppen geht, deren Namen man mit ein paar Klicks auf Insta rausbekommt. Das ist ein bisschen einfacher, als sich mit den wirklich gefährlichen Drahtziehern der Rechts- und Linksradikalen zu befassen, nicht wahr?

Diejenigen, denen das Grundgesetz-Jubiläum zu unglamourös war, seien an Gustav Heinemanns Worte erinnert: „Ich liebe nicht mein Vaterland, ich liebe meine Frau.“

Splitterbrötchen (CMLXXX)

Ist Menschen, die ihr schlechtes Benehmen mit politischen Gründen rechtfertigen, wirklich nicht klar, welchen Bärendienst sie ihrer Sache damit erweisen?

Wenn die Besetzung einer Schlüsselposition unerwartet Schwierigkeiten macht, hilft es oft, die Arbeitsplatzbeschreibung auf das Wesentliche zu reduzieren. Wenn man sich also verdeutlicht hat, dass der neue Bayern-Trainer absolut schmerzfrei sein und alles souverän wegmoderieren können muss, wird alles einfach und klar: Max Eberl sollte umgehend Frauke Ludowig kontaktieren.

Wenn man Baguette einfriert, schickt Macron die Doppelnull-Abteilung vom OSS.

Es ist im Übrigen vollkommen okay, sich über dumme Menschen lustig zu machen. Kein Mensch ist gezwungen, dumm zu bleiben. Wer sich weigert, dazuzulernen, also freiwillig im Deppenstatus verharrt und daher idiotische Positionen vertritt, ist eine lächerliche Figur, sonst nichts.

Wenn nix passiert, aber alle sich bedeutsame Blicke zuwerfen, dann sitzt man in einem geförderten deutschen Film.

Wenn Sie diesen wunderbaren 11 CV gerade am Straßenrand der Berliner Straße haben stehen sehen, dann steigen Sie voll in die Eisen Ihres mit Sicherheit viel hässlicheren Autos und suchen Sie einen Parkplatz, oder steigen Sie an der nächsten Haltestelle aus dem Bus aus und laufen die paar Meter zurück: Sie sind gerade an der Wein- und Feinkosthandlung „Chez Bruno“ vorbeigefahren. Nehmen Sie an einem der kleinen Tische Platz, die der übermenschlich freundliche Bruno vor seinen magischen Ort gestellt hat. Trinken Sie ein, zwei, drei Glas Wein. Bestellen Sie ein Tellerchen mit Charcuterie, Fromage, Paté. Genießen Sie die Abendsonne! Leben Sie! 3

Da musste ich dann doch sehr lachen:

Die geplante Krankenhausreform ist ein Werk des Teufels. Ja, doch, Sie sind gemeint, Klabauterbach! Gerade Ihnen als Sozialdemokrat sollte doch klar sein, dass das Gesundheitswesen eine Gemeinschaftsaufgabe ist, und dass jede unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgende „Reform“ dieses Gesundheitswesen weiter beschädigt. Ich weiß, wovon ich rede, ich lag letztes Jahr zwei Monate im Krankenhaus. Wäre das eins der geplanten spezialisierten Krankenhäuser in hunderten Kilometer Entfernung gewesen, dann hätte meine liebe Frau mich nicht regelmäßig besuchen können, deren Lebensmut, Liebe und Unterstützung ganz wesentlich zu meiner Genesung beigetragen haben. Dann läge ich wohl heute noch im Krankenhaus. Oder woanders.

Auf der Theaterbühne und in der Hemdenmode gilt: Dezenz ist Schwäche.

Offenbar habe ich irgendwo den Eindruck erweckt, komplett schmerzfrei und dement zu sein. Ich bekomme Kontext-Werbung für Shorts aus Cord.