Mit rohem Fisch zu Wolfram Siebeck – eine Erinnerung

„Gestern Abend hat er gesagt, er wolle gegen halb zwölf mal in der Küche vorbeischauen. Jetzt ist erst elf, dann zieh ich jetzt den Strudelteig aus, bevor er zuguckt…“ Ich nehme mir den Klumpen Strudelteig, rolle ihn aus, greife mit beiden Händen unter den Teigfladen und… in diesem Augenblick fliegt die Küchentür auf, Wolfram Siebeck und Frau Barbara stürmen herein, einen Fotografen im Schlepptau. Geistesgegenwärtig tu ich so, als wäre mir was runtergefallen und versuche, unter den Küchentisch zu tauchen… zu spät! „Guck mal, er zieht den Strudelteig!“, ruft Barbara Siebeck und eilt herbei. Unter den Augen von Barbara und Wolfram Siebeck reiße ich dann jede Menge Löcher in den Strudelteig und stammele sinnloses Zeugs, während der Fotograf ein Foto nach dem anderen schießt… Alptraum eines Hobbykochs? Nee, ist mir wirklich passiert.

Siebeck guckt in meine Pfanne

Siebeck guckt in meine Pfanne

Im Frühjahr 2009 hab ich mich irgendwie ins Halbfinale des ZEITmagazin-Kochwettbewerbs gemogelt und durfte im Park Hyatt Hotel in Hamburg für die Siebecks und ein paar andere Jury-Mitglieder kochen. Damit ging  für mich ein Traum in Erfüllung. Mein erstes Kochbuch war von Siebeck,  ich hab so gut wie alle Siebeck-Bücher im Regal, und die gehören zu den wenigen Büchern, aus denen ich auch wirklich gekocht habe. Auch wenn Siebeck von den Kritikern des Kritikers gern als elitär bezeichnet wird, als Kochbuch-Autor war er der größte Praktiker unter der deutschen Sonne. Fast alle seine Rezepte sind alles andere als elitär, sondern einfach, machbar und gelingsicher.

Über Siebecks Verdienste als Autor vergisst man gerne seine Verdienste um das Sortiment des Lebensmitteleinzelhandels. Siebeck ist der Mann, der die Créme Fraiche in den deutschen Supermarkt geschrieben hat. Anfang der Siebziger Jahre begann er ausdauernd gegen das Angebot in Deutschlands Kühlregalen zu polemisieren. Da gab es damals saure Sahne, süße Sahne, Sprühsahne… und das war’s. Mit der Hartnäckigkeit eines Cato („Ceterum censeo“) prangerte er das an und ließ keine Gelegenheit aus, gegen das Fehlen von Créme Fraiche und Créme Double zu polemisieren und ihre zukünftige Anwesenheit im Sortiment zu fordern. Mitte, Ende der Siebziger war’s soweit. Die ersten blauen Becherchen eines bekannten Lebensmittelkonzern tauchten in den Supermärkten auf, wir konnten endlich mit Creme Fraiche kochen! War Siebeck zufrieden? Natürlich nicht. Umgehend wies er daraufhin, dass die Créme Fraiche des blauen Doktors deutlich weniger Fett enthielt als die französische, deren Wohlgeschmack nach wie vor unübertroffen war. Das war typisch Siebeck. Der Mann war mit dem Allerbesten gerade mal eben so zufrieden. Das haben ihm die Ahnungslosen als Arroganz ausgelegt.

Am Vorabend des Wettkochens hatte ich das große Vergnügen,  Siebeck zwei Stunden lang in der Hotel-Bar bei Wein und Tapas zuhören zu dürfen. Nachdem er ein, zwei Anekdoten erzählt hatte, begriff ich, dass dieser Mann alles andere als arrogant war, sondern schlichtweg so viel über edles Essen und Trinken wusste wie sonst niemand auf Gottes weiter Erde. Herrgottnochmal, der Mann war ja tatsächlich überall gewesen und hatte bei allen Schwergewichten der Gastro-Szene das Besteck in die Hand genommen. Der wusste Bescheid wie sonst kein zweiter. Wie kann das arrogant sein, wenn jemand sich wirklich auskennt?

„Und morgen musst du für diesen Siebeck kochen“, schoss es mir durch den Kopf, und praktisch gleichzeitig nahm mein Herz den direkten Weg ins Beinkleid. Jeder Gedanke, irgendwie mit meiner pannonischen Hausmannskost punkten zu können, verabschiedete sich in Richtung Kompost-Eimer. Schadensbegrenzung und Bekämpfen der eigenen Nervosität war angesagt, sonst nix.

Unterstützt von der besten, geduldigsten Gemahlin von allen hab ich mich dann irgendwie aus der Affäre gezogen. Beim Krautstrudel hab ich das Kernöl vergessen, und der Biskuit von den Somloer Nockerln wäre lockerer möglich gewesen (Hab ich überhaupt die Rumrosinen dazugegeben?)… das emotionale Highlight war jedoch die Fischsuppe. Ich kippte die heiße Suppe in die vorgewärmte Terrine und fügte die rohen Fischstücke hinzu, die sollten ja nur drei Minuten in der heißen Suppe ziehen, dann sind sie auf den Punkt. Dann griff ich mir die Terrine und machte mich auf den Weg ins Speisezimmer der Jury. „Du trägst gerade rohen Fisch zu Wolfram Siebeck“, dachte ich plötzlich und konnte nur mit knapper Not eine Ohnmacht verhindern. Vermutlich hätte ich die Suppe auch offensiver salzen sollen.

Egal, am Ende des Tages waren die geduldigste Gemahlin von allen und ich stolz wie Bolle auf den zweiten Platz. Und heilfroh, dass wir nicht im Finale waren, wo wir das alles nochmal hätten kochen müssen. Andererseits wäre das Finale die Möglichkeit gewesen, Herrn Siebeck ein zweites Mal zu treffen.

Das geht nun nicht mehr. Was verdammt schade ist. Ein ähnlich kenntnisreicher und leidenschaftlicher Gastrosoph ist derzeit nicht in Sicht. Fast all mein Küchenwissen verdanke ich Wolfram Siebecks Büchern und Kolumnen. Ich bin traurig und sehr dankbar, dass ich ihn kennenlernen durfte.

 

 

Hühnerherzen „Mauerkind“

Es folgt ein Gastbeitrag der geduldigsten, besten Gemahlin von allen, Gaby Sikorski:

Dies ist ein Rezept aus meiner Kindheit im geteilten Berlin. Damals gab es mauer- und transitbedingt wenig frische Ware, die außerdem extrem teuer war, denn es musste ja alles (ich wiederhole: alles!) über die Transitwege nach Berlin gebracht werden. Frisches Geflügel war nahezu unerschwinglich. Da waren Hähnchenherzen eine willkommene und preiswerte Alternative.

Für 4 Personen braucht man:

1000 g frische Hähnchenherzen (gibt’s z. B. beim türkischen Fleischer, Kilopreis ca. 3 Euro), 1000 g Champignons (egal, ob weiß oder braun), 1 mittelgroße Zwiebel, ca. 80-100 g Butter, 125 g saure Sahne, ca. 3 Esslöffel Senf, 1 Bund Schnittlauch, Salz, Pfeffer, Paprikapulver (scharf), evtl. ein bisschen gute Hühnerbrühe
Zubereitungszeit: ca. 45 Minuten.

HH1HH2Und schon geht’s los: Die Herzen putzen – das geht am besten, wenn man mit einem scharfen Messer einfach das obere Viertel abschneidet. Danach Herzen gründlich mit kaltem Wasser waschen und abtropfen lassen. Zwiebel in feine Würfel schneiden. In einer möglichst großen Pfanne Butter auslassen, Zwiebelchen rein und glasig braten. Denn man rin mit die Herzchen! Salzen und pfeffern kann man sie auch gleich. Während die Herzen von allen Seiten anbraten und einen köstlichen Duft verbreiten, kann die gut gelaunte Köchin in aller Seelenruhe die Champignons entweder halbieren oder vierteln, je nach Größe.

CH1In einer zweiten1 Pfanne die gesalzenen und gepfefferten Pilze scharf anbraten und nach ca. 10 Minuten mitsamt der verbliebenen Flüssigkeit zu den Herzen geben. Falls zu wenig Flüssigkeit, Hühnerbrühe angießen. Saure Sahne dazu und einrühren, dito den Senf – abschmecken … nee, Leute, dit is mir zu laff! Da jeht doch noch wat, oda? Also noch ein, zwei Löffel Senf dazu, noch ein bisschen Paprikapulver drüber. Deckel druff und noch 10 Minuten auf kleiner Hitze schmoren lassen. Währenddessen Schnittlauch putzen und in Röllchen schneiden. Vor dem Anrichten den Schnittlauch über die Speise geben – fertich!

HH3Dazu wird Reis oder Brot gereicht.

Die einzige Zutatenveränderung: frische Champignons. Wir hatten Champignons aus dem Glas oder aus der Dose. Bis weit in die 70er Jahre, als sich die Tiefkühlkost langsam durchsetzte, war die Konserve nicht nur üblich, sondern die Norm. Praktisch jedes Gemüse, von der grünen Bohne über den Spargel bis zur Kirsche, kam aus der Büchse oder aus dem Glas. Von diesen Konserven hatten wir riesige Mengen gehortet, so wie es der Senat für alle Haushalte empfahl, und zwar für den Fall einer neuen Berlin-Blockade. Es gab sogar Suppenhühner als Konserve, aus Formosa (heute Taiwan). Sie waren gegart und mit Knochen in hohe Dosen verpackt. Diese Hühner hatten eine unvergleichlich labberige Konsistenz, und zwar inklusive der Knochen, die so weich waren, dass man sie mitessen konnte.

*

  1. Natürlich brauchten wir früher keine zweite Pfanne. Meine Mutter hat die Dosenchampignons zu den angebratenen Herzen gegeben. Ganze Champignons – die teuren!

Dialog von Bohne mit Bohne

 

Bohnensalat

Zufällig entstandener Salat, der sich als Hit bei der geduldigsten Gemahlin von allen und bei unseren Gästen erwiesen und somit seinen Weg ins Repertoire gemacht hat. Schöne Beilage zum Lamm, geht aber auch zu anderem Fleisch oder Fisch. Am Besten lauwarm.

Es braucht für ca. sechs Leute als Beilage: 1 große Dose weiße Riesenbohnen (wer unbedingt will, kann auch selbstgekochte verwenden), ca. 700g grüne Bohnen (nett0), ein paar Tomaten, 1 rote Zwiebel, Knoblauch, Senf, Weinessig, Olivenöl, Petersilie.

Die weißen Bohnen abgießen, ca. drei Esslöffel der Bohnen mit ein wenig Brühe oder etwas Flüssigkeit aus der Dose erhitzen und mit dem Kartoffelstampfer oder Schneidstab pürieren. Aus dem Bohnenpüree, einer durchgepressten Knoblauchzehe, 1 Esslöffel Senf, Salz, Pfeffer, Weinessig und Olivenöl eine sämige Salatsauce rühren. Zwiebeln in Ringe schneiden, Tomaten in mundgerechte Stücke. Bohnen, Tomaten und Zwiebeln mit der Salatsauce vermengen, Ende der Vorbereitung.

Salat von zweierlei Bohne

Kurz bevor das Zeugs auf den Tisch soll, die grünen Bohnen bissfest kochen, abgießen, und unter den Salat heben, der jetzt warm bis lauwarm und mit ordentlich Petersilie bestreut serviert werden kann. Mehr ist nicht, schmeckt aber. Mahlzeit.

 

Bull Shot

Berthold Beitz habe ich nicht gekannt. Aber ich habe als junger Mann etliche Male mit ihm am gleichen Bar-Tresen gesessen oder gestanden. Das war anfangs der 70er Jahre, als unsere Familienurlaube uns nach Sylt führten und ich meine Mutter abends nach Kampen begleitete, wo sie bei Karlchen ihren Stammplatz hatte und ihren „Old Fashioned“ zu trinken pflegte.

Karlchen in Kampen war damals die beste Bar Deutschlands, betrieben von Karl Rosenzweig, dem vermutlich besten Barkeeper der Welt und einem der weisesten, freundlichsten Menschen, die ich je kennenlernen dürfte. Hier trafen sich einige berühmte und viele nicht berühmte Menschen, tranken Karlchens sensationelle Cocktails und genossen die entspannte, heitere Atmosphäre, die nur Karlchen verbreiten konnte. Herrgott, Karlchen ist vor bald dreißig Jahren gestorben, aber sein einmaliges keckerndes Lachen hab ich immer noch im Ohr. Was für ein genialer Ort war diese Bar!

In dem Sommer, von dem ich erzählen möchte, war „Bull Shot“ eins der angesagten Getränke bei Karlchen, also geeiste Rinderconsommé mit Wodka und einigen Gewürzen. Eines Abends erkundigte sich einer der Gäste, woher denn die Consommé für die Bull Shots  käme, und Karlchen erklärte nicht ohne Stolz, dass die selbstverständlich in seiner eigenen Küche zubereitet wurde (man konnte bei Karlchen auch ausgezeichnet essen). Hier hatte Herr Beitz Einwände, ein echter Bull Shot durfte nach seiner Ansicht nur mit „Campbell’s Beef Broth“ zubereitet werden. Wunderbarer Einwand, denn sofort begann der ganze Tresen diskussionsmäßig zu brummen, jeder hatte eine Meinung pro oder contra Campbell bzw. Karlchens „Own“, jeder hatte eine Bull Shot-Geschichte, und natürlich wurden jede Menge Bull Shots getrunken. Am Ende eines langen, schönen Abends meinte Karlchen, dass die Diskussion doch eher akademisch wäre, denn in Deutschland könne man keine Bull Shots mit Campbell’s Beef Broth machen. Die gäbe es hier schlicht und einfach nicht, die bekäme man nur in den USA.

Am nächsten Abend kam Berthold Beitz wieder zu Karlchen. Und hatte einen Karton Campbell’s Beef Broth dabei, den er gerade am Westerländer Flughafen abgeholt hatte, wo der Krupp’sche Firmenjet gelandet war. Selbstverständlich bin ich mir hundertprozentig sicher, dass das ein Zufall war, dass der Krupp’sche Firmenjet an diesem Tag nach New York und Westerland musste, bestimmt waren wichtige Papiere in den USA abzuholen gewesen, und die mussten sofort zu Herrn Beitz gebracht werden, und da traf es sich glücklich, dass der Jet auch noch die Campbell’s-Suppe mitbringen konnte. Ein verantwortungsvoller Unternehmer wie Herr Beitz hätte niemals den Firmenjet nach New York und zurück geschickt, nur um einen Karton Suppe zu holen.

Wenn man das jungenhafte Piraten-Grinsen gesehen hat, mit dem Herr Beitz den Suppenkarton auf Karlchens Tresen gewuchtet hatte, konnte man allerdings zu einer anderen Ansicht kommen. Wie dem auch sei, die Suppendosen wurden im Eisfach schockgefrostet und waren nach ein, zwei Stunden kalt genug für den großen Bull Shot Vergleichstest: Campbell’s vs. Karlchens Köche. Und… Karlchens Köche gewannen. Beinahe einstimmig, sogar Herrn Beitz schmeckte der Bull Shot mit der selbstgemachten Brühe besser. Machte aber nichts. War mal wieder ein toller Abend. Damals. Bei Karlchen.

 

Krautshäuptchen reloaded

Irgendwann im Pleistozän hab ich schon mal das Rezept für Krautshäuptchen in die Netzecke gestellt, eine nordhessische Spezialität, die zu meinen absoluten Lieblingsgerichten zählt. Das koch ich selber ein paar Mal pro Jahr, weils auch der geduldigsten Gemahlin von allen trefflich mundet, und trotz aller Routine habe ich dem Rezept einen neuen Dreh verpasst, der den ausgezeichneten Geschmack nicht verändert, die Zubereitung aber leicht vereinfacht: statt traditionell in einer Puddingform1 im Wasserbad bereite ich die Krautshäuptchen jetzt in einer Guglhupf-Form im Ofen zu.
Für 6 Leute braucht’s 750g Gehacktes vom Schwein, 2 Brötchen, 2 Eier, so ungefähr 2 Kilo Weißkohl oder Spitzkohl und Semmelbrösel. Außerdem Butter zum einfetten, Senf, Salz, Pfeffer, Kümmel, eventuell Muskatnuss. Den Kohl entstrunken, äußere Blätter entfernen, in Streifen schneiden und in kochendem Salzwasser 5 (Spitzkohl) bis 10 (Weißkohl) Minuten blanchieren, abgießen, etwas abkühlen lassen. Brötchen einweichen, ausdrücken, mit dem Gehackten und den Eiern mischen. Soll flüssiger sein als Boulettenteig. Mit dem leicht abgekühlten Kohl mischen, eventuell mit wenig (!) Kümmel oder Muskatnuss würzen. Guglhpf-Form großzügig ausbuttern, mit Semmelbröseln ausstreuen und die Kohl/Hackfleisch-Masse einfüllen. Meine Guglhupfform wird mit der angegebenen Menge Material nicht ganz voll, uns das ist gut so, weil sonst das austretende Fett überlaufen und für Sauerei im Ofen sorgen würde.
Denn dahin kommt jetzt das Zeugs, eine Stunde bei 200 Grad. Dann aus dem Ofen nehmen, sich 5 Minuten setzen lassen und stürzen. In Scheiben schneiden und servieren.
Wer das Krautshäuptchen vorkocht, abkühlen lässt, in Scheiben schneidet und die Scheiben vor dem Servieren in der Pfanne braun brät, weiß was gut ist.

 

Krautshäuptchen, in der Pfanne braun gebraten mit Senfsauce und Bratkartoffeln

Dazu gibt’s reichlich Senfsauce. Und mehlige Salzkartoffeln. Oder Bratkartoffeln. Bratkartoffeln gehen immer. Mahlzeit!

 

  1. Früher gab’s in Nordhessen spezielle Krautshäuptchen-Formen. Aus Steingut, wenn ich mich recht entsinne. Die gibt es aber nicht mehr zu kaufen.

Turnierküche

Während der EM hab ich fürs Männerblog recht fleißig gekocht, meistens Klassiker aus aller Herren1 Länder.

Hier die Links zu den Rezepten:

Bigos aus Polen
Francesinha aus Portugal
Andivje-Stamppot aus Holland
Romfromage aus Dänemark
Moussaka aus Griechenland
Ossobuco aus Italien
Borschtsch aus der Ukraine

Und ein wenig Luft abgelassen bezüglich Event- und Ergebnis-Fans hab ich auch.

  1. Männerblog! Herren! Superscherz!

Birnen, Bohnen, Garnelen und Speck

Birnen, Bohnen, Garnelen und SpeckNette kleine Vorspeise. Für 4 Personen braucht man 400g feine grüne Bohnen , 1 Birne, 50 Gramm durchwachsenen Speck, zwei, drei Handvoll Garnelen, 1 Zwiebel, Senf, Olivenöl, Essig, Knoblauch, Salz, Cayennepfeffer, Butter, Weißwein.
Die Birne schälen, Kerngehäuse entfernen und kleinwürfeln. Ca. 1/4 der Birne mit einem Schuss Weisswein sehr weich dünsten, pürieren, das Püree mit Senf, Essig, Salz, Pfeffer und Olivenöl zu einer Vinaigrette rühren, beiseite stellen. Die Bohnen putzen, auf Biss blanchieren, abschrecken.
Die Zwiebel in reichlich Butter andünsten, Birnenwürfel dazu, wenn die weich werden, mit Cayenne würzen, Bohnen dazu, nachsalzen und warmschwenken. In einer zweiten Pfanne den gewürfelten Speck kross ausbraten, Garnelen dazu und fertig braten. Eventuell etwas Zitrone dazu. Anrichten wie auf dem Foto (Birnen/Bohnen unten, Garnelen/Speck oben, Vinaigrette drüberkleckern). Mahlzeit!

Foto: Werner Thies

Doch dann kam Paulsen…

Seit die geduldigste Gemahlin von allen und ich vor dreißig Jahren unsere erste gemeinsame Wohnung bezogen haben, braten wir pro Jahr mindestens eine Gans. Weil wir gerne Gänsebraten essen, und weil wir liebe Freunde haben, die ebenso gerne Gänsebraten essen. Und manchmal braten wir auch noch die ein oder andere Gans zusätzlich, um mehr lieben Freunden (und uns, natürlich) eine Freude zu machen.
Da hatte sich natürlich  – nach gewissen Startschwierigkeiten – über die Jahre hinweg ein einigermaßen narrensicheres Gänsebratenrezept entwickelt, mit dem wir zahllose Erfolge feierten und das ich vor vier Jahren hier in der Netzecke vorgestellt habe. Gänsemäßig war also alles in Butter Gänseschmalz, wir hätten uns auf den Lorbeeren dieser Rezeptur bis an unser Lebensende ausruhen können…

Doch dann kam Paulsen. Herr Paulsen – auch als Stevan Paul bekannt – machte sich in seinem Blog „Nutriculinary“ vor drei Jahren auf die Suche nach der perfekten Weihnachtsgans, und setzte mir einen Floh ins Ohr die „Tante-Manni-Gans“ in den Bräter, eine nachgerade tollkühne Zubereitung, nach der die Gans einfach großzügig mit Salz eingerieben und bei 140 Grad im Ofen gebraten wird (1 Stunde pro Kilo). Einfach so, nix weiter. Letztes Jahr hab ich diese Gans fürs Männerblog nachgekocht und war begeistert: einmalige Knusprigkeit, klarer, reiner Gänsegeschmack, Weltklasse!
Aber: keine Füllung. Die Tante-Manni-Gans funktioniert nur, wenn man sie ohne Füllung zubereitet, und das brachte die lieben Freunde auf die Barrikaden, und auch die geduldigste Gemahlin von allen machte mir mit von stählernem Willen durchsetzter Sanftheit klar, dass sie gerne Füllung isst. Sehr gerne. Was tun? Grässliches Dilemma! Und der Termin für die erste Gans dieses Jahres rückte nah und näher…

Doch dann kam der wackere Paulsen wieder! Gerade noch rechtzeitig veröffentlichte er ein Update seiner Weihnachtsgans-Queste mit einer beinahe noch tollkühneren Rezeptur: Gans bei 180 Grad zwei Stunden lang anschieben, dann zweieinhalb Stunden bei 150 Grad fertig braten. Was natürlich Quatsch war. Das Biest sollte genauso lange wie die Tante-Manni-Gans in den Ofen, bei deutlich höherer Temperatur? Furztrockenes Fleisch und verbrannte Haut mussten die logische Folge sein, nicht mit mir!
Aber dieses Rezept sah eine Füllung vor. Und vielleicht war es Paulsen ja irgendwie gelungen, diabolisch die Gesetze von Küchenchemie und -physik außer Kraft zu setzen, und das ganze funktionierte doch? Ich fragte in den Kommentaren zu seinem Beitrag nach, er beschwor mich, Vertrauen zu haben, und ich setzte alles auf eine, seine Karte. Lediglich an der Füllung schrob ich etwas herum, sein Apfel-Zwiebel-Gemisch erschien mir etwas zu vegan und ich griff auf meine erprobte Hackfleischfüllung zurück, ansonsten hielt ich mich sklavisch an seine Rezeptur und hatte vorsichtshalber die Prospekte diverser Pizza-Bringdienste neben das Telefon gelegt, um unsere Gäste anderweitig beköstigen zu können, falls es doch schief ging. Doch dann holte ich das hier aus dem Ofen…

Trotz der langen Garzeit war das Fleisch nicht trocken, im Gegenteil, und die Haut erreichte beinahe die Knusprigkeit der „Tante-Manni-Variante“, ein absolut geniales Essen. „180/150“ bzw. die „Methode Paulsen“ ist hier ab sofort Standard. Wenn Gans mit Füllung gebraten wird. Wenn’s ohne Füllung sein darf, ist „Tante Manni“ vielleicht doch…
Aber ich bin ja schon still.

Ich bedanke mich bei Gabriele Helbig für das Foto.

 

 

Man lernt wirklich nie aus

Als ich dieses Video zum ersten Mal gesehen habe, hab ich Mund und Nase aufgesperrt. Kann das Schälen von Knoblauch wirklich so einfach sein? Über den Trick hätte ich doch in dreißig Jahren Kochpraxis mal stolpern müssen, das hätte doch in einem meiner Kochbücher stehen müssen…
Ist bestimmt ein Fake, die wollen mir irgendwas verkaufen… Nur was? Blechschüsseln? Ein Knoblauch-Schäl-Abo?

[vimeo]http://vimeo.com/29605182[/vimeo]

Ich hab’s eben ausprobiert, mit einer einzelnen Zehe, in einem kleinen Schüsselchen. Kurz mit dem Handballen angeknackt, ein paar Sekunden geshaked, fertig. Funktioniert wie Sau. Ich mach diese Woche endlich mal wieder das Vierzig-Zehen-Huhn. Aber diesmal nehm ich sechzig Zehen. Quatsch, achtzig! Oder doch gleich hundert?

 

Der Triumph des inneren Faulpelzes

Jahrelang, Quatsch, was schreib ich, jahrzehntelang hab ich Gulasch (eigentlich Pörkölt, für die Peniblen) nach immer der gleichen Façon gekocht: Fleisch portionsweise anbraten, raus damit, reichlich Zwiebeln glasig dünsten, mit Paprika durchschwitzen, Fleisch wieder rein, würzen, Flüssigkeit zugeben, langsam fertig schmoren. Bewährtes Standardrezept, xmal gekocht, beliebt bei allen Gästen, bei der geduldigsten, besten Gemahlin von allen und bei mir. Gab also keinen Grund, am Rezept zu drehen.

Doch. Natürlich gab es einen Grund: meine Faulheit. Ich hatte vor ein paar Jahren, als Alfredissimo noch lief, Sarah Wiener da mal ein Saftgulasch ganz ohne Fleischanbraten machen sehen. Müde lächelnd hatte ich abgewinkt: Kann ja nicht schmecken, ohne Anbraten. Keine Röststoffe, keine Maillard-Reaktion: Wie soll denn da Geschmack ans Fleisch kommen? Unfug, diese ganze Saftlhuberei!

Aber mein innerer Faulpelz war geweckt. Was, wenn es nun doch funktioniert? Man spart sich die umständliche Anbraterei, hätte keine Fettspritzer-Sauerei mehr auf dem Herd und die ganze Zubereitung wäre tatsächlich noch einen Tick unkomplizierter.

Denn inneren Faulpelz unter Kontrolle zu halten, wurde zunehmend schwieriger. Anfangs ließ er sich noch durch einen Teller „klassischen“ Gulaschs besänftigen („Würde ohne Anbraten nie so kräftig schmecken…“), aber spätestens seit höchst geschätzte andere Foodies auf den Saftgulasch-Zug aufsprangen, war meine Ruh dahin. „Wir können es doch mal ausprobieren!“, sabberte der Faulpelz mir ins Ohr. „Nur um endgültig den Beweis zu haben, dass es ohne Anbraten nicht funktioniert!“.

Schließlich hatte der Faulpelz mich so weichgekocht wie ein Gustostückerl im Meissl & Schadn: ich gab auf, besorgte Gulaschzutaten1 und legte los. Ich dünstete drei Pfund  grob zerkleinerte Zwiebeln in reichlich Schweineschmalz an, gab, als die Zwiebeln goldgelbglasig waren, zwei oder drei Esslöffel Paprikapulver (edelsüß und scharf) dazu, ließ kurz durchschwitzen und gab mit zitternden Händen drei Pfund in Würfel geschnittene Rinderwade hinzu, OHNE SIE ANGEBRATEN ZU HABEN. Anschließend stürzte ich ein Glas Rotwein hinunter, um diesen Akt küchentechnischer Tollkühnheit gebührend zu feiern.

Ein Schlückchen Rotwein hielt ich natürlich geistesgegenwärtig zurück, um es zusammen mit zwei, drei Tassen Bouillon ans Gulasch zu kippen. Schnell noch gesalzen, ein mit Kümmel, Lorbeer, Zitronenschale und Knoblauch gefülltes Gewürz-Ei hineingehängt, Deckel drauf und drei Stunden bei kleinster Hitze ziehen gelassen. Dann sah das so aus:

Gulasch ohne Anbraten

Optisch war absolut kein Unterschied zum klassischen Gulasch festzustellen. Aber das böse Erwachen musste natürlich kommen, wenn man das Gulasch probierte. War doch Quatsch, das Fleisch nicht anzubraten. Mein Gott, das schöne Fleisch… komplett ruiniert!

Ich verzichtete darauf, das Gulasch abzukühlen, bis zum nächsten Tag kaltzustellen und dann wieder aufzuwärmen 2 und probierte sofort.

Seitdem hab ich schon drei oder viermal wieder Gulasch gekocht. Und bei keinem das Fleisch angebraten. Es macht nämlich keinen Unterschied. Das so zubereitete Gulasch schmeckte genauso wie das Gulasch mit angebratenem Fleisch. Auch externe Gulasch-Experten kamen nach einem ausgiebigen Blindtest zum gleichen Ergebnis: „Kein Unterschied zu sonst.“ Offenbar sorgt ausschließlich das lange, gemächliche Schmoren für den Geschmack, was da drei Stunden vorher bei der Maillard-Reaktion entstanden ist, spielt auf dem Teller keine Geige mehr.

Und die Moral von dieser Küchengeschichte? Ist doch klar: Faulheit siegt. Mahlzeit!