Vom Tod anderer Menschen erfährt man an den unsinnigsten Orten. Zum Beispiel an der Aldi-Kasse. Gestern. „Sagen Sie mal, wissen Sie das vielleicht, wer das sein kann, ein gewisser ‚Bruno Ganz‘?“ – „Bruno Ganz? Das ist ein bekannter Schauspieler.“ – „Ach so, deshalb haben sie eben im Radio gesagt, dass er gestorben ist.“
Waffen sind neutral. Man kann keine schmieden, die sich nicht gegen einen selbst richten lässt.
Manchen Menschen merkt man an, dass sie etwas anderes denken als sie sagen. Vielen Menschen merkt man an, dass sie nichts denken, während sie etwas sagen. Und ja, dieses ständige reflexhafte Gesabbel geht einem gewaltig auf den Zeiger, aber hallo!
Skrei in Zitronen-Kapern-Butter, Il Porto
Kulinarisch war diese Woche durch zwei Restaurant-Entdeckungen gesegnet: Das „Il Porto“ in der Angerburger Allee und das „alas Mediterraneum“ um die Ecke in der Detmolder. Zwei dicke Empfehlungen.
Garnelen in Knoblauchsauce, alas Mediterraneum
2015 waren viele Menschen in Not. Angela Merkel hat ermöglicht, dass ihnen geholfen werden konnte. Darüber muss nur derjenige debattieren, der sich einen Freifahrtschein für inhumanes Denken und Handeln ausstellen möchte.
Bruno Ganz ist mir immer noch als Prinz vom Homburg präsent. Wie er da das Robuste mit dem Gefährdeten verbunden hat, war schon ziemlich einzigartig. Näher kann man Kleist schauspielerisch wohl nicht kommen. Beinahe schade, dass die meisten Menschen ihn als Bunker-Knallcharge erinnern werden. Beinahe schade. Hauptsache, sie erinnern sich.
Nicht wenig verwundert war ich, dass die Insolvenz des größten deutschen Buch-Großhändlers, KNV, wenn überhaupt in den Leitmedien nur am Rande erwähnt wurde. Dabei ist abzusehen, dass das der Anfang vom Ende von Buchbranche as we know it ist. Zeitnahe weitere Insolvenzen sind praktisch gewiss. Vermutlich viel schneller als gedacht wird das ganze System aus Verlagen, Zwischenhändlern und Buchhändlern implodieren. Ob dann alles besser oder schlechter wird, weiß man noch nicht. Aber es wird sehr schnell sehr anders werden.
Auf den „Genuss“-Seiten des Tagesspiegel erregte der mir bis dahin völlig unbekannte Schauspieler, Fotograf und Stylist Manuel Cortez meine Aufmerksamkeit, indem er ein Restaurant als „fancy und vielleicht zu arty“ beschrieb. Ich war sofort im Bilde.
Und ja, als altes Theater-Tier kann man nicht aus seinem Oberflächlichkeits-Panzer heraus. Das erste, was ich dachte, als ich bei Aldi von Bruno Ganzs Tod erfahren hatte, war natürlich: „Wer bekommt jetzt den Iffland-Ring“?
Auf Facebook gesehen und sehr gelacht: Jedesmal, wenn jemand Andreas Gabalier einen Rocker nennt, fällt Marilyn Manson der Kajalstift in den Koks.
Jakobinertum endet unausweichlich in einem Massaker. Erst unter den Gegnern, dann unter den eigenen Leuten. Wir werden es auch in den Social Media erleben.
Noch ein Großer ist gegangen. Was Albert Finney in „Unter dem Vulkan“ zeigte, ist auch über 30 Jahre später noch atemberaubend. Besser hat nie jemand gespielt.
Das Zitat der Woche schuf Fußball-Superhirn Micha Preetz, als er ein Pokalspiel analysierte:Â „Das Ziel beider Mannschaften kann nur sein, das Spiel zu gewinnen.“
Frage anlässlich einer Bahnfahrt:Â Warum zum Henker bleiben ca. 20 Bahnfahrgäste bei Minusgraden in einem Waggon mit defekter Heizung sitzen, während im nächsten Waggon die Heizung läuft und jede Menge Plätze frei sind? Was treibt die nicht an?
Kulinarischer Wochenhöhepunkt: Obwohl ich diese Woche gesegnet war und mehrmals sehr gut essen durfte (u.a. herrliche. sanft geschmorte Schweineschulter beim Leipziger Lieblingsfranzosen und eine wirklich gute, selbst gemachte Brotsuppe)Â diese wunderbar saftige Dorade im Mare Monte schlug alles.
Vielleicht das Wichtigste beim Älterwerden: Angstprävention.
Dienstagmittag. Zufällig sehe ich ein Facebook-Posting, in dem erwähnt wird, dass Vincent Klink an diesem Tag Geburtstag hat. Ich schaue in der Wikipedia nach, ob das stimmt. Dann gehe ich zu youtube und suche ein Klink-Video. Anschließend erstelle ich im Nassrasur-Blog den Beitrag „Vincent Klink 70“ und veröffentliche ihn. Als ich zu Facebook zurückkehre, um dort den Beitrag zu verlinken, erscheint eine neue Kontextwerbung: „Hallo, jetzt geht’s um dein Wunschgewicht und deinen zukünftigen Ernährungsplan“.
Regelvorschlag für das Dschungelcamp 2020: Wenn ein Campbewohner ein tränenseliges Geständnis macht, werden allen Campbewohnern für 24 Stunden die Luxusgegenstände entzogen.
Die Fehlleistung des Jahres 2019 habe ich (hoffentlich) schon geschafft. Ich musste am Freitag sehr früh in Leipzig sein, und als ich mir das Bahn-Ticket online gekauft hab, hab ich mir einen Sitzplatz reserviert. Weil ich das immer mache. Für den Zug um 5 Uhr 35.
In der Bibliothek: „Haben Sie Bücher über Paranoia?“ – „Sie sind direkt hinter Ihnen.“
Ich liebe Facebooks Follower-Power und weiß sie zu nutzen.
Der Favorit für den zündenden Wortwitz des Jahres 2019: „Sag mal einen Satz mit Bodensee!“ – „Mir wird’s ums Herz ganz weh, wenn ich im Bierglas den Boden seh.“
Seit 2 Jahren schaffe ich es nun, zwei- bis dreimal pro Woche ins Fitnessstudio zu gehen und da ein mittlerweile ganz strammes Ausdauerprogramm durchzuziehen. Was sich bisher nicht eingestellt hat, sind diese durch Endorphin-Ausstoß eintretenden Glücksgefühle. Oder zählt die kleine Freude, dass Atemnot und Schmerzen langsam vergehen, schon als Glückszustand?
Durch Zufall auf diesen FAZ-Blog-Beitrag gestoßen, in dem es um ein Kleinst-Kind geht, dass seinen Brei („Beikost“) nicht essen mag. Dem Vernehmen nach habe ich mich seinerzeit ebenfalls ablehnend gegenüber dem Zeugs gezeigt und für wahre Dramen gesorgt, wenn meine arme Mutter versuchte, mir die Pampe einzutrichtern. Bis Frau H., unsere weise Zugehfrau, meinte: „Das ist dem Jungen zu fade, der will Geschmack ans Essen.“ und den Brei mit einem Spritzer Maggi veredelte. Damit waren die Brei-Probleme zwischen mir und meiner Mutter aus der Welt. Das mit dem „Geschmack am Essen“ geriet dann allerdings später ein wenig außer Kontrolle.
Nächtlicher Harndrang erlaubt auch wissenschaftlichen Laien, grundlegende Überlegungen zu den Themen Korrelation und Kausalität anzustellen.
Es ist erst wirklich Sonntag, wenn Marcel Reif grämlich das Haupt schüttelt, während die Schwachmaten Albernheiten ins Dopafon plärren.
Warum bringt RTL nicht mal ein Doku-Soap-Format, in dem Thorsten Legat in bester Kasernenhof-Manier dem Yotta-Weichei ordentlich Saures gibt? Arbeitstitel: „Kasalla für Null Sterne“.
Das ungefälschte Zitat der Woche fand Peter Glaser bei Arthur Schopenhauer:Â „Dass die niedrigste aller Geistesthätigkeiten die arithmetische sei, wird dadurch belegt, dass sie die einzige ist, welche auch durch eine Maschine ausgeführt werden kann.“
Neues Sonntagsritual: Am frühen Morgen mit einem Freund aus der Nachbarschaft einmal um den Schlachtensee laufen.
Mit jungen Menschen, die keine idealistischen, radikalen Ansichten haben, ist etwas grundverkehrt. Mit älteren Menschen, die jungen Menschen ihre idealistischen, radikalen Ansichten vorhalten, ebenfalls.
Kultureller Wochenhöhepunkt: Die koreanischen Killer-Saga „Die Plotter“ von Un-Su Kim hat mich begeistert. In einer fremdartigen Welt, in der Auftragsmorde von Trackern und Plottern nach den Gesetzen des Marktes durchorganisiert werden, versucht der Profi-Killer Raeseng am Leben zu bleiben, während er so etwas wie Empathie für seine Mitmenschen entwickelt und letztlich nichts damit anfangen kann oder will. Ein mit sardonischem Humor geschriebener Meilenstein des Thriller-Genres.
Michel Legrand ist tot. Oder eigentlich nicht. seit den „Regenschirmen von Cherbourg“ ist er ja unsterblich.
Aus der Reihe „Nicht für die Küche, für das Leben lernen wir“: Niemals auf Verdacht nachsalzen!
Schauspielerisch sind Gangster die dankbarsten Rollen. Wenn die Kollegen sich professionell verhalten und spielen, dass sie Angst vor einem haben, muss man selber gar nichts mehr machen.
T-Shirt gekauft, dass mich familiär korrekt positioniert. Bin jetzt modisch wieder á jour.
Du bist Opfer deiner eigenen Ideologie geworden, wenn du es nicht merkst.
Aufgaben, die uns im öffentlichen Diskurs zu lästig sind, sollten wir keinesfalls an den Verfassungsschutz delegieren. Wenn dies zur Regel wird, könnte das ein böses Ende nehmen.
Der Witz der Woche: Ein russischer Spion, ein sexueller Belästiger und ein Millardär kommen in eine Bar. Und der Barkeeper fragt: „Was darf ich Ihnen bringen, Mr. President?“
Stundenlang vor diesem Piktogramm gesonnen. Dass ich, nachdem ich auf dem Klo war, Eiswürfel nachwerfen und umrühren soll („stirred, not shaken“), wird sofort klar. Aber warum soll ich das Baby wegwerfen?
Der Sinnspruch der Woche: „Schokolade fragt nicht. Schokolade versteht.“
Was mir wirklich auf den Zeiger geht: Diese ganze, gekünstelte Aufregung darüber, dass Robert Menasse in seinem Buch „Hauptstadt“ ein paar Zitate erfunden hat. Leute, das ist ein ROMAN! Da kann er schreiben, was er will. Die Geschichtswissenschaft zieht m. W. ausdrücklich Romane niemals als Quellen in Betracht. Aus Gründen.
Kulinarischer Wochenhöhepunkt: ein Dreigang, den ich für liebe Freunde kochte, die wir lange nicht gesehen hatte: Rote-Bete-Salat mit Hasenfilet, Eisbeinauflauf (s. o.), Gateau Berbelle. Hab ich gut gemacht.
Kultureller Wochenhöhepunkt war ein Film auf Servus TV, in den wir zufällig hinein geraten waren. Wie habe ich nur bisher „Ein gutes Jahr“ verpassen können, eine schlicht geniale Peter-Mayle-Verfilmung mit Russell Crowe? Nach dem ersten Drittel des Films begann ich Flüge nach Südfrankreich zu googlen, weil ich unbedingt sofort in die Provençe wollte.
Ich bedanke mich bei Stefan Rose von den Fliegenden Brettern für die Wortschöpfung des Jahres: „Lingua Claasi Relotii“
„Starb im Dienst“ bedeutet in diesem Fall „vom rebellierenden eigenen Klepper ins Jenseits befördert.“
2019 habe ich in bestmöglicher Weise begonnen, nämlich durch nächtliches Anschauen von „A Hard Days Night„. Dabei fiel mir erstmalig auf, wie frech Werner Enke immer wieder Ringo kopiert hat.
Seit Jahren ermuntert die Politik die Polizei, fleißig die Daten aller Bürger zu sammeln. Da darf man sich doch nicht wundern, wenn der ein oder andere Datensatz an die Öffentlichkeit gelangt.
Kulinarischer Wochenhöhepunkt: das letzte Schnitzel des Jahrs 2018, genossen bei „Floh“ am S-Bahnhof Grunewald.
Wenn jemand ein Buch sucht, dass schlüssig und verständlich die Weltpolitik, insbesondere die Strategien Wladimir Putins erklärt und darüber hinaus noch brüllkomisch ist, sollte der zu „Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten“ greifen.
Es gibt Menschen, die einen dermaßen großen Knall haben, dass sie ihr eigenes Universum erschaffen könnten. Wenn sie nicht so destruktiv veranlagt wären.
Hm. Gibt es Gründe dafür, dass wir uns beharrlich weigern, dass Wort „Pfennigsartikel“ durch das Wort „Centartikel“ zu ersetzen?
Alljährlich feiern wir am 24.12. den Tag des leeren Adventskalenders.
Schauspieler Forrest Whittaker will sich scheiden lassen. Scheidungsgrund sind „unüberbrückbare Differenten“ mit der Ehefrau. Offengestanden verstehe ich nicht, warum das ein Grund für eine Scheidung sein soll. Natürlich sind Differenzen unüberbrückbar, sonst wären es ja keine. Sind unüberbrückbare Differenzen daher nicht eher ein Grund, verheiratet zu bleiben bzw. eine Ehe einzugehen? Um in einer Art Langzeitversuch herauszufinden, wer definitiv recht hat?
Kulinarischer Wochenhöhepunkt: Bei unseren syrischen Freunden gab’s gebratenes Hähnchen Freekeh (oder Farika, keine Ahnung welche Bezeichnung korrekt ist) und Knoblauch-Joghurt, der Hammer. Freekeh ist ähnlich wie Grünkern, aber aus Weizen statt aus Dinkel und hat einen wesentlich kräftigeren, angenehm rauchigen Geschmack. Tolles Zeug!
Buchidee: „Perso – eine Geschichte des Alterns in Ausweisen“
Ja, richtig, ich habe einen neuen Ausweis. Sogar mit total kontrollierbarer Online-Funktion. Für die ich einen Kartenleser für 30 Öcken oder ein neues Smartphone bräuchte.
Lektüre der Woche: „Es begann in der Abbey Road“ – die hierzulande mit mehr als 30 Jahren Verspätung erschienene Autobiographie von Beatles-Produzent George Martin. Da stehen nicht nur Geschichten drin, die das Herz des Beatles-Fans nachhaltig erwärmen, nein, der Mann hat auch in den 50er Jahren die Creme de la Creme der britischen Humor-Szene aufgenommen, Sellers, Milligan. Schließlich bestätigt das Buch meine These, das Meisterwerke verlässlich aus Konflikten zwischen Genies und pedantischen Nerds entstehen.
Dieses Buch habe ich mir übrigens online als E-Book ausgeliehen, über das digitale Angebot der Berliner Bibliotheken. Was man für 10,– € Jahresbeitrag(!) alles bekommt, ist schier unglaublich. Beste Geldanlage des Jahres.
Wenn man die Blogs von Lehrern liest und sich mit Schülern unterhält, merkt man, wie sehr die Welt sich verändert hat. In heutigen Klassenzimmern ist alles, aber auch wirklich alles anders als zu der Zeit, als ich zur Schule ging. Gottseidank.
Unglaublich, aber wahr: Schon 1979 haben Dean Martin und Shirley Jones zu Weihnachten auf den Klimawandel aufmerksam gemacht. Frohe Weihnachten euch allen!