Splitterbrötchen (CMLXVI)

Wenn Maschinist eine Feueralarmübung schildert, möchte man direkt mitmachen. Mein schönster Feueralarm fand bei einem Berliner Bildungsträger statt, bei dem man zu Beginn einer Wochen vorher angesetzten Gebäuderäumungsübung feststellte, dass die Sirene nicht funktionierte. Man schickte dann tatsächlich eine Mitarbeiterin durch die Etagen, die in jedem Kursraum die Tür aufriss und beherzt „Lalü-Lala“ hineinrief.

Von einem grandiosen Camus-Zitat umgehauen worden, dass dann umgehend in ein neues Lieblings-Shirt gegossen wurde.

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war ein Diner beim Lieblingsfranzosen, das erste seit einem halben Jahr. Schnecken in Kräuterbutter, Lammschulter mit Cassoulet, Artischocken und Gedöns, Dessertvariation. Hier der Hauptgang.

Neuer, atemberaubender Beitrag zu meiner mega-erfolgreichen Fotoserie „Die beste, geduldigste Gemahlin von allen fotografiert Dinge“. Heute: ein Fenster, durch das der Scharmützelsee zu sehen ist.

Es ist immer wieder schon, mitzuerleben, zu welcher Idiotie Menschen fähig sind, wenn sie „nur Befehle ausführen“.

Unschlagbar in Sachen Idiotie ist jedoch die deutsche Sozialdemokratie, wie diese Woche Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra eindrucksvoll unter Beweis stellte: „Exmatrikulation aus politischen Gründen lehne ich auch grundsätzlich ab.“ Was, gnä‘ Frau, ist bitte politisch am Zusammenprügeln eines Menschen?

Und die Frau Rissenbeek von der Berlinale hat sich augenscheinlich Rückgrat  und Schmerzempfinden wegoperieren lassen: „Als Festival jetzt politisch zu agieren, gerade in Zeiten, wo man nicht weiß, wo die Politik sich hin entwickelt, ist ja auch eine große Gefahr.“ Und wenn dann die AfD im Senat sitzt, gibt’s endlich die piekfeine Riefenstahl-Retro, gell, Frau Rissenbeek?

Fabian Hinrichs über  Theater in Deutschland: „Ich spüre oft nur die Absichten, die moralischen Botschaften hinter einem Bühnenkunstwerk, aber nicht viel, was mich woanders hinführt – ins Offene, zu mir selbst, in künstlerische Atmosphären auch, die riskant sind. Das ist eher ein wackeres Ablatschen von ProgrammpunktenAber hat es alltagserschütternde Kraft, und sei es auch nur für zehn Minuten? Zu oft begegnet mir eine Funktionärskultur, gemacht von Funktionären für Funktionäre. Auch ein Teil der Theaterkritik könnte sich ja mal fragen, welches Geschäft sie betreibt, wenn sie all jene Stimmungen und Atmosphären kaum aufnimmt, für welche der Verstand keinen Begriff und die Sprache keinen Namen hat. Vielleicht ist aber auch kein Auge, Ohr und kein Herz dafür vorhanden?“

Manche Headlines haben einfach das gewisse Etwas:

Jemanden auffordern, Vertrauen zu haben, ist keine vertrauensbildende Maßnahme. Im Gegenteil.

Splitterbrötchen (CMLXV)

Das Nassrasurblog dichtgemacht, und Stefan hat den Schlüssel weggeworfen. 13 Jahre jeden Werktag ein Post. Lange Zeit.

Der Donnerstag der vergangenen Woche war ein Feiertag. Billy Joel hat einen neuen Song veröffentlicht.

Bei einer Wurstbestellung im Nordhessischen fand ich dieses Goodie im Paket. Nun, ich wusste immer, dass der Ahlen Worscht geheimnisvolle, mythische Kräfte innewohnen, aber DAMIT hatte ich nicht gerechnet…

„Herr Ober, in meiner Suppe schwimmt ein Hörgerät!“ – „Was haben Sie gesagt?“

Der Social-Media-Lacher der Woche:

Über die sich ausbreitende Rabulistik, dass die zahlreichen Anti-AfD-Demonstrationen letztlich der AfD am meisten nützen, kann ich nur den Kopf schütteln. Mit dieser Argumentation kann man absolut jede Meinungsäußerung infrage stellen. Nur wer die Klappe hält, kann sich sicher sein, dem Gegner nicht zu nützen.

Bernd Eilert hat in „Bilder und Zeiten“ über Humor und Komik geschrieben. Er erinnert sich, dass man schon beim seinerzeitigen Niedergang des Satiremagazins Pardon  „zum ersten Mal miterleben (konnte), wie eine Ideologie – gut gemeint oder nicht – der Komik in die Quere kam. Anhänger einer bestimmten Ideologie sind berechenbar und tun sich mit Komik dementsprechend schwer, da Komik ohne Überraschungselement nicht auskommt. Nonsens ist zudem antiautoritär, da er Sinn untergräbt und damit zum natürlichen Feind aller Sinnstifter und ihrer Missionare wird. Die Dinge allzu ernst zu nehmen, dazu neigte keiner von uns. Eine gewisse Frivolität im Sinne von Leichtfertigkeit war die Basis der Beziehungen, die sich im Rahmen der NFS1 ergaben und zu jahrelanger Zusammenarbeit in unterschiedlichen Konstellationen führten: Ideologien waren unerwünscht, es galt ein klares Ja zum Nein. Heute ist ein Nein zum Ja ebenso wichtig. Das heißt: Tendenzen, Komik zu bagatellisieren oder zu instrumentalisieren, zu inkriminieren oder zu reglementieren, sind strikt abzulehnen.“

Chita Rivera ist in gesegnetem Alter gestorben. Ich hatte das große Glück, sie 1993 oder 94 in „Kiss of the Spiderwoman“ sehen zu können. Was für ein unglaubliches Können, gepaart mit einer magischen Bühnenpräsenz. They don’t make them like that anymore.

Ich glaube, mehr Apostroph geht nicht:

Bloß, weil eine Partei plötzlich da ist, wählt sie noch keiner. Es haben nicht alle Rentner die Grauen gewählt, es wählen nicht automatisch alle Tierfreunde die Tierschutzpartei, und tatsächlich soll es irgendwo ein paar Vollpfosten geben, die trotz ihres Idiotentums Helga Zepp-Larouche nicht gewählt haben.

Warum man sich auf begrenzte Zeit auf eine Mangelernährung einlässt, die  gesundheitsschädlich ist, wenn man nicht mit Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln nachbessert und das auch noch stolz in die Welt hinaustrompetet, ist mir ein komplettes Rätsel.

Micky Beisenherz über den Vokuhila: „Als hätte Chewbacca sich im Selbstversuch an einen Undercut gewagt. Oder Reinhold Messner einem Cracksüchtigen fünf Euro zugesteckt, um ihn spontan an einer Ecke im Frankfurter Bahnhofsviertel discotauglich zu machen.“

Schauspieler und Ganoven – Erfolgsgaranten der Gastronomie (Speisekarte des „Groschenkeller„):

Das schönste Wort der deutschen Sprache war, ist und bleibt „Bezugszeichenzeile“.

Kulinarischer Wochenhöhepunkt waren selbstgeklöppelte Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl (unfotografiert, ich krieg das nicht auch nur annähernd fototauglich angerichtet), dieses Ur-Berliner Lieblingsgericht, das die kulinarische Seele dieser Stadt einfängt wie kein anderes. Meiden Sie Lokale, die sich mit „Berliner Küche“ brüsten, aber dieses Gericht nicht auf der Karte haben. Das sind vermutlich Zugereiste, die keine Ahnung haben. Ganz ausgezeichnet übrigens: Bio-Leinöl der Edeka-Hausmarke. Die Plörre aus dem Spreewald kann man endgültig vergessen.

Aktuelles Projekt: mit Tracheostoma Witze erzählen. Das ist durchaus anspruchsvoll.

 

Splitterbrötchen (CMLXIV)

Die Demonstration ist der Festtag, die Arbeit beginnt am Tag darauf.

Kulinarischer Wochenhöhepunkt (ja, der Geschmackssinn ist größtenteils wieder da, ich sitze mit Messer und Gabel wieder im Sattel) war eine delikat-rustikale Fisch-Tapas-Platte im Tapas Espana. Das Foto hab ich im einigermaßen dusteren Gastraum verwackelt, deshalb gibt’s den Runner-Up im Bild, Spaghetti aglio, olio e peperoncini im Fellini (fast so gut wie meine unschlagbaren Selbstgeklöppelten).

Apropos „selbstgeklöppelt“: Ich bin nicht wenig stolz darauf, ca. 6 Wochen lang im Blindflug (ohne Abschmecken, was ja mangels Geschmackssinn sinnlos gewesen wäre) gekocht zu haben. Wenn die beste, geduldigste Gemahlin von allen mich nicht voller Gnade angeschwindelt hat, hab ich kein Essen versaut, sondern alles mit Routine und Fingerspitzengefühl halbwegs akzeptabel hinbekommen. Das soll mir erst mal jemand nachmachen.

Es sollte mich sehr wundern, wenn Xabi Alonso in der nächsten Saison nicht den FC Liverpool trainiert.

Große Enttäuschung über Band 5 der „Achtsam Morden“-Reihe. Fängt ganz stark an, kippt aber dann in einen komplett ironie- und handlungsfreien Ernährungsratgeber ab. Mogelpackung!

Früher war nichts besser. Wurde diese Woche an die Winterkartoffeln erinnert, die im Oktober/November in einer riesigen Kiste im Keller eingelagert wurden. Wenn die letzten Exemplare im Februar/März in den Kochtopf und auf die Teller wanderten, hielt sich die Begeisterung in engen Grenzen, nicht zuletzt wegen der leicht glasigen, äußeren Schicht, die sich unter der Schale gebildet hatte. Nuja, wir haben’s überlebt und wissen seitdem über die Herkunft des Worts „Sättigungsbeilage“ bescheid.

Gewisse Dinge ändern sich nicht. Zum Beispiel die Faulheit der nordhessischen Polizei. Als ich vor ca. 50 Jahren in meiner nordhessischen Heimatstadt gemeinsam mit meinen Freunden eine Demo für ein unabhängiges, selbstverwaltetes Jugendzentrum anmeldete, versuchte die Polizei, uns klarzumachen, dass die von uns geplante Route durch die Innenstadt logistisch ein Unding war. Als Alternative bot man uns eine Versammlung auf dem „Werdchen“ an, dem ziemlich weit ab gelegenen städtischen Festplatz. Nach mehreren Wochen zähen Verhandlungen demonstrierten wir dann auf unserer vorgesehenen Route durch die Innenstadt, wie es unser gutes Recht war (man muss nicht dort demonstrieren, wo man am wenigsten stört). Als ich diese Woche dann las, dass auch in meiner Heimatstadt „gegen Rechts“ demonstriert wird, wunderte ich mich nicht über den Ort, an dem das geschah. Es war das Werdchen.
Notwendiger Nachricht: Der Werra Rundschau habe ich entnommen, dass Demonstranten und Polizei sich dann doch – wie wir damals – für die Innenstadt entschieden haben. Gut so!

Splitterbrötchen (CMLXIII)

Kiesinger muss als Bundeskanzler evtl. neu bewertet werden. So schlecht war er wohl doch nicht. Rein handwerklich. Im Vergleich…

„Schatzi“ in english is „treasury“.

Erneut ächzte Berlin-Friedenau unter Schneemassen unvorstellbaren Ausmaßes. Unter Experten gilt der Bezirk mittlerweile als schneesichere Region, findige Immobilienmakler haben sich bereits Filet-Grundstücke gesichert und planen Skipisten und Winter-Resorts. Allein im Winterschlaf: der Regierende Bürgermeister, der es immer noch nicht für nötig hielt, die Friedenauer in ihrem Kampf gegen diese Naturkatastrophe zu unterstützen. Die Lawinenhund-Staffel ist wieder am Bollerofen im Roten Rathaus geblieben, was, Herr Wegner?!

Dein Ernst, Kontextwerbung? Ich soll mir Hosen mit „Bauchstraffung“ kaufen?

Abendunterhaltung der Woche war die ordentlich schräge 60er-Jahre-Krimi-Serie „Slim Callaghan greift ein“ (auf prime zu streamen) mit Viktor de Kowa als öligen Altherrencharme versprühenden Versicherungsdetektiv. Kaum zu glauben, dass das mal ein ernstgemeintes Unterhaltungsangebot war.

In der ersten Folge prompt Ulrich Beiger gesehen, einen grandiosen Komödianten. Ich hab ihn mal im Residenztheater in irgendeinem Klassiker eine Hofschranze spielen sehen, da ist er bei jedem Auftritt selbstvergessen zu einer „zufällig“ herumstehenden Puderdose gegangen, hat sich gedankenverloren das Gesicht gepudert und – natürlich – den fälligen Hustenanfall in schönster Steigerung produziert. Ganz großes Tennis!

Wo wir beim Thema Theater sind: Wenn man in quasi-dokumentarischen Stil Dinge vorgeführt bekommt, die einem schon bekannt sind, dann ist das nicht „episches Theater“. Auch wenn’s am BE geschieht.

Vergessene Musikinstrumente: die einer Zitrusfrucht nachempfundene Kniegeige, das Limoncello.

Das Zitat der Woche stammt vom geschätzten Bonetti: „Es heißt nicht umsonst ‚Machtapparat‘. Staaten und Konzerne sind Maschinen, die nach ihren eigenen Regeln funktionieren. Es gibt keinen geheimen Mächtigen hinter der Macht. Solange der Apparat funktioniert, ist jeder Widerstand zwecklos.“

Was ist eigentlich so schwer daran zu verstehen, dass man Bürger mit ungefragten Ratschlägen zu Themen, die einen nichts angehen, auf die Palme bringt? Ihr habt euch nicht in meine Menüplanung einzumischen, ihr Flachpfeifen!

 

Splitterbrötchen (CMLXII)

Die Presse – allen voran natürlich wieder der Tagesspiegel – schafft sich gerade wieder selbst ab und treibt dabei den Populisten Wähler zu: Leute, mit wem der Herr Wegner ins Bett steigt, ist vielleicht in euren prüden, durchbigottisierten Redaktionskonferenzen ein Empörungsgrund, den normalen Bürger interessiert das nicht die Bohne (Ja, Herr Maroldt, Ihre Leser sind weltoffener als Sie!). Den interessieren die Auswirkungen der Politik auf seinen unmittelbaren Lebensbereich. Solange ihr das nicht realisiert, bleibt eure Auflage im Sturzflug und die Weidels und Wagenknechts bedanken sich herzlich, dass ihr die Nebenkriegsschauplätze schon mal planiert.

Begeisterung bei der montäglichen Barnaby-Folge auf ZDFneo: das „Midsomer-Vogelscheuchen-Festival“! Fantastisch! Warum gibt es so schöne Veranstaltungen nicht hier?

Von einem AfD-Verbot halte ich eher wenig: das eigentliche Verfahren würde (bei sehr zweifelhaftem Ausgang) Jahre dauern, in denen diese Nazi-Arschkrampen sehr kommod die Opferrolle einnehmen könnten, um bei den Knalldeppen weitere Stimmen abzugreifen: keine schönen Aussichten. Und sollte das Verfahren tatsächlich Erfolg haben, sagen sich die AFD-Wähler dann ja nicht plötzlich „Okay, dann wähl ich eben wieder CDU.“ Im Gegenteil, dann ginge es erst richtig los: neue Parteigründung, neue, noch fatalere Narrative, Mistgabel-Proteste… der Fall wäre nicht erledigt sondern würde eine neue Dimension bekommen, die man sich nicht wünscht.

Bauernproteste in Friedenau? Kein Trecker in der Becker!

Wenn man nix schmeckt, kann man auch die richtig fiesen Sachen essen. Wobei ich hier statt „setzt der Wurst die Krone auf“ den Slogan „schlägt der Wurst den Boden aus“ wählen würde.

Waren das Zeiten, als man in einer fremden Wohnung als erstes erst mal die Plattensammlung durchsah: „Mal sehen, was das überhaupt für Leute sind…“

Erstaunlich, wie wenig Presse und Politik den totalen Realitätsverlust der Rechten thematisieren: Diese Abschiebungs-Fantasien, die da in Potsdam formuliert wurden, würden doch mit sofortiger Wirkung alles lahmlegen: die Menschen mit Migrationshintergrund, die die Brauntröten loswerden wollen, tragen doch zum Erhalt der Infrastruktur bei, die arbeiten (zum Teil mehrheitlich) in Krankenhäusern, bei den Stadtwerken, im Transportwesen, bei der Polizei(!) … wenn wir die wegschicken, geht hier gar nichts mehr.

Ausgerechnet im Genre „High Adventure“ hab ich wohl mehr blinde Flecken, als ich dachte. Anfang dieser Woche stieß ich auf die Sharpe-Serie von Bernard Cornwell: fantastisch gemachte, höchst spannend erzählte Abenteuergeschichten um einen britischen Soldaten während der Napoleonischen Kriege. „Sharpes Feuerprobe“ habe ich mit roten Ohren in wenigen Tagen durchgepflügt, „Sharpes Sieg“ fange ich heute an. Wenn ich das nicht irgendwie dosiert kriege, hab ich die 22 Romane in ein paar Tagen durch. Was Cornwell besonders gut kann: Action-Szenen. Da spielt er tatsächlich in der Ian-Fleming-Liga.

Neues Projekt: Lernen, wie man Eier einhändig aufschlägt. Mit kaputten Dottern funktioniert’s schon problemlos.

Unfotografierter kulinarischer Wochenhöhepunkt waren selbstgeklöppelte, klassische Kalbsbäckchen: 10 Minuten bei mittlerer Hitze angebraten, rausgenommen, Wurzelwerk im Bratfett angeschwitzt, mit Wein und Brühe mehrfach glaciert, dann die Bäckchen zurück in den Topf, nach anderthalb Stunden bei 150 Grad sind sie butterzart. Sauce pürieren, mit etwas Sahne verfeinern, fertisch.

Auf kommunaler Ebene ist es ziemlich eindeutig, wie man die AfD erfolgreich bekämpft: In Orten, wo „Kümmerer“ Bürgermeister sind, also Menschen, die sich um die Belange der Bürger kümmern und eine nachvollziehbare Politik mit dem Ziel, das Leben der Menschen etwas leichter zu machen, betreiben, machen die Nazi-Stinksocken keinen Stich. Damit wird auch das bundespolitische Problem deutlich: Mit Merz und Scholz sind zwei Typen am Start, die das haargenaue Gegenteil von Kümmerern sind.

Splitterbrötchen (CMLXI)

Die Avocado ist in südlichen Ländern auch als „Anwaltsfrucht“ bekannt. Der Engländer hat daraus „fruity solicitor“ gemacht.Friedenau war eingeschneit, man war quasi hilflos in der eigenen Wohnung gefangen. Hat der Senat Lawinenhunde geschickt? Natürlich nicht. Eklatantes Staatsversagen angesichts einer Winterhölle, Herr Wegner!

Peter Glaser bringt die Dinge auf den Punkt. Natürlich auch die Berliner Silvesternacht:

Ein weiterer Kollateralschaden der Erkrankung: Mein angeborener Tremor ist (vermutlich, weil die Schilddrüse durch OP und Bestrahlungen angeknockt wurde) deutlich schlimmer geworden, die linke Hand führt ein Eigenleben. Tastaturschreiben dauert deutlich länger, Essen muss ich wie ein Amerikaner (zuerst alles kleinschneiden, dann mit rechts essen) und scharfe Fotos sind eher die Ausnahme als die Regel.
Spontanes Lachen ist jetzt bei mir – leider – lautlos. Für lautes Lachen muss ich auf den Knopf vom Sprachventil drücken, das ist dann nicht mehr spontan.

Bei den Geschmackssinnen verzeichne ich eine langsame Besserung. Die Aromen sind fast alle wieder da, auch in guter Differeenzierung. Salzig, süß, sauer, bitter etc. steht aber weiterhin nicht zur Verfügung. Für den Fall, dass die endlich zurückkehren, liegt hier eine Restaurant-Reservierungs-Liste mit dem Arbeitstitel „Back with a Vengeance“ bereit, die minutiös abgearbeitet werden wird. Das wird teuer!

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war dann auch folgerichtig das (schwache, aber schmeckbare) Speck-und-Ei-Aroma im Abgang dieser Spiegeleier (eigentlich „Setzeier“, wie Facebook-Freund Michael Eilhoff fachkundig anmerkte), die’s nach dem Samstagseinkauf im „Golden Brown“ gab.

DAS Medienereignis der Woche: Star-Journalistin Nicole Diekmann hat sich als „4 gegen Willi“-Fan geoutet, Ich bin doch nicht allein!

Ich kann mir nicht helfen, wenn ich den Abwasch mit einem „ergonomischen Scheuerschwamm“ mache, komme ich mir albern vor. Andererseits: im Supermarkt werden mittlerweile auch „3-D-Schwammtücher“ angeboten. Ob man die ohne entsprechende Brille benutzen kann?

Möchte sich jemand gemeinsam mit meinen Freunden Peter und Harry und mir gegen das Aussterben des Skatspiels stemmen? Wir suchen einen vierten Mann für unsere Skatrunde, damit wir öfter zum Spielen kommen. Wir versuchen, alle 1 – 2 Wochen im „Hoppegarten“ in Steglitz zu spielen. Wir sind 60plus, freundlich und entspannt, karten nicht nach und spielen jeweils von 18 bis 22 Uhr. Weil wir alle schon einige Jahrzehnte  mit Ehrgeiz spielen ist das Niveau allerdings relativ hoch (und Harry hat ein unverschämtes Kartenglück). Juckt’s irgendjemand in den Fingern? Würde uns freuen.

Splitterbrötchen (CMLX)

Die SPD hat mal wieder die Schuldigen an der wirtschaftlichen Misere ausgemacht: es sind natürlich die Ärmsten im Land, die Bürgergeld-Bezieher. Armselig – armseliger – Sozialdemokratie.

Man kann die Dinge auch mal beim Namen nennen: Menschen, die unfähig sind, Meinungen zu akzeptieren, die von ihrer eigenen abweichen, sind strohdoof.

Die unglaubliche Erfolgsstory geht weiter: Mein Käsestullenfoto rockt die Welt.

Trug Gustav Knuth bei den Dreharbeiten zu Sissi eigentlich ein fat suit?

Sehr gelacht über „Sie dürfen hier mit dem Hund nicht hinein.“ – „Ich bin blind, das ist mein Assistenzhund.“ – „Quatsch. Man verwendet keine Dackel als Blindenhunde.“ – „MAN HAT MIR EINEN DACKEL GEGEBEN ?“

Wenn ich die Bezeichnung „kultureller Content“ lese, verspüre ich ein Kräuseln in den Zehennägeln.

Gibt es eigentlich noch eine Tageszeitung, die sich weise auf das Veröffentlichen, Einordnen und Kommentieren von Neuigkeiten beschränkt und einem nicht alle paar Seiten mit ungefragten Ratschlägen auf den Zeiger geht?

Das letzte T-Shirt-Design des Jahres, ein Vorgriff auf 2024, wo wir den Jahrestag des denkwürdigen WM-Finales von München begehen werden. Ich strecke den holländischen Fußballfreunden ausdrücklich die Hand zur Versöhnung aus: Erinnern wir uns gemeinsam an dieses wunderbare Spiel mit unerwartetem, aber völlig verdientem Ergebnis!

 

Splitterbrötchen (CMLIX)

Mitglieder der Geschäftsführung, die sich für einen geschäftlichen Jahresrückblick im Pullover vor eine Fototapete mit Winterlandschaft setzen, machen sich verdächtig.

Was nicht jeder weiß: kalorienarmen Rezepten kann man mit Butter, Käse und Sahne auf die Hufe helfen.

Weihnachtliche Deko, so wichtig.

Mahlzeiten ohne Wein nennt man Frühstück.

Menschen, die man für tapfer hält, sind manchmal nur gute Schauspieler, die sich nicht anmerken lassen, dass sie sich gerade in die Hose scheißen.

Was ich vermisse: die Schachsendungen mit den Großmeistern Pfleger und Hort. Wenn Pfleger „schnaubende Rösser auf F7“ ausmachte und Hort mit in breitestem Piroschka-Dialekt vorgetragenen Analysen wie „Ist sich jetzt die Frage, ist Kartoffelzug oder Zitronenzug?“ glänzte und wirre, pointenfreie Anekdoten aus seinem Schachverein erzählte, wurden auch kleine Schachlichter bestens unterhalten.

Die gefährlichsten sieben Wörter an einem deutschen Theater: „Zu dem Thema müssen wir etwas machen!

„Einen Milchkaffee, geschnitten, bitte.“

Wenn ein TV-Koch „Sose“ sagt, schalte ich sofort um, egal, wie viel Sterne sein Restaurant hat.

Thema brotlose Kunst: von dem, was ich im Schauspielunterricht bei Ingrid Kaehler an klassischer Atem- und Sprechtechnik gelernt hat, habe ich in den vergangenen drei Monaten im Krankenhaus endlos profitiert, einiges anzuwenden war geradezu überlebenswichtig. Überhaupt konnte ich sehr vieles, was ich im Schauspielunterricht und später auf der Bühne gelernt habe, bei anderen Tätigkeiten anwenden und davon profitieren.

Was die Mainstream-Medien verschweigen: eine häufige Nebenwirkung der Covid-Impfung ist, dass die Stimme des Geimpften sich um mehrere Halbtöne absenkt. Fachleute sprechen von einem Impfbass.

Notiz an mich selbst: Zwischen den Jahren DHL-HQ aufsuchen. Pumpgun mitnehmen. Am Empfang fragen, welcher Mitarbeiter auf die Idee mit dem urkomischen E-Mail-Betreff „Ho ho ho – Ihr DHL-Paket ist unterwegs“ gekommen ist.

Es scheint tatsächlich Menschen zu geben, die einen Besuch von Tschaikowskis „Nussknacker“ derzeit für problematisch halten (Russland-Nähe etc.). Vielleicht helfen Kaltwassergüsse.

Früher: „Vielen Dank, Wiederhören, Herr Kollege. Also, Herr Kurbjuhn, ich hab Ihren CT.Termin gemacht, seien Sie am … um … bei …. Das Ergebnis krieg ich direkt geschickt, Sie lassen sich draußen bitte einen Termin geben, dass wir das dann besprechen können.“ Heute: „Besorgen Sie sich mal ’n CT-Termin und bringen Sie mir das Ergebnis spätestens in 4 Wochen.“ Nein, früher war nicht alles besser. Aber…

Heute ist Heiligabend. John Malkovich bringt die Kinder und uns in Stimmung.

Frohe Weihnachten!

Splitterbrötchen (CMLVIII) – Sonderausgabe Blogpausenerklärung

Seit Ende September bin ich Halsatmer. Nein, das sind leider keine abgefahrenen Aliens, die Perry Rhodan zu ärgern versuchen („Großadministrator Rhodan, Sir, die Kriegsflotte der Halsatmer durchquert gerade den Beta-Gamma-Quadranten!“), sondern Menschen, denen der Kehlkopf entfernt wurde und die jetzt durch eine Kanüle im Hals atmen und sprechen.

Vier Wochen vor der OP war bei mir ein Kehlkopfkrebs entdeckt worden, der, obwohl ich außer etwas Heiserkeit nichts von ihm gemerkt hatte, sich schon ganz schön breit gemacht hatte.

Unser Gesundheitssystem ist nicht dabei, zu implodieren, es ist bereits vor fünf bis zehn Jahren implodiert. In seinen rauchenden Trümmern finden Rückzugsgefechte statt.

Die Planung war eigentlich, dass ich ca. 14 Tage nach der Kehlkopf-OP entlassen werden sollte, um dann den verbliebenen Krebszellen mit ambulanten Bestrahlungen zu Leibe zu rücken. Das ging leider schief, denn 9 Tage nach der OP wurde ich mit einer üblen Lungenentzündung auf die Intensivstation verlegt, wo ich vier Wochen bleiben musste. Diese Zeit war, freundlich ausgedrückt, schwierig.

In der langen Zeit im Krankenhaus hab ich viel gelesen. Ich kann besonders empfehlen: Die Xavier-Kieffer-Krimis von Tom Hillenbrand, sehr gut gemachte Fress-Krimi-Unterhaltung mit einem Luxemburger Deftigkeiten-Koch als Spürhund. Bestens geeignet, um Bruno-Entzugserscheinungen zu bekämpfen.
Wobei man das auch mit dem Meister selbst machen kann, „Bruno – Chef de Cuisine“ ist eine für Martin Walkers Hardcore-Fans, die die schwächeren Stories verzeihen, sehr amüsante Kurzgeschichtensammlung, bei denen der beste Polyp des Perigord meist in Herdnähe ermittelt.
„Holly“ – Stephen King läuft nochmal zu großer Form auf und schafft es vor allem, bis zum Schluss eine straffe Dramaturgie durchzuhalten (was sonst bei ihm doch recht häufig ein Problem ist).
Ziemlich enttäuscht war ich von Kehlmanns hochgelobtem „Lichtspiel“: etwas mehr Punch und ein deutliches Zurückfahren der aufdringlich gedrechselten Kunstfertigkeit hätten für eine anregendere Lektüre gesorgt.

Vergessen Sie ganz einfach den Scheiß mit Normalgewicht, Idealgewicht, Übergewicht. Beinahe jeder Arzt hat mir vor meiner Erkrankung gesagt, ich müsste sofort dringend abnehmen, sonst würde ich tot umfallen. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus kam von meiner HNO-Ärztin: „Seien Sie froh, dass Sie Reserven hatten. Der normale, hagere Tumorpatient hätte das nicht überlebt.“

Der Krebs hat mich nicht ganz unerwartet getroffen, er ist seit Generationen ein unguter Bekannter in meiner Familie. Meine Mutter und ihre 3 Brüder sind daran gestorben und meine beiden Brüder ebenfalls. Unsere Schwestern hat er wenigstens verschont, aber dass er mich erwischen würde, war doch eher wahrscheinlich.

Natürlich hab ich auch gestreamt. Empfehlen möchte ich:
„Guy Ritchie’s Der Pakt“ – für Ritchie untypisch unironisches, in Afghanistan angesiedeltes Action-Adventure. Trotz des vorhersehbaren Plots extrem spannend, handwerklich perfekt.
„Only Murders in the Buildung“ – ganz großer Spaß, besonders die dritte Staffel.

Nachdem ich wieder so weit bei Kräften war, dass ich die Intensivstation verlassen konnte, wurden die Reste vom Krebs wegbestrahlt. Die Bestrahlungen hab ich erstaunlich gut verkraftet, allerdings hat es mir vor vierzehn Tagen das Geschmacksempfinden komplett weggezappt. Süß, sauer, bitter, salzig, umami… findet alles ohne mich statt, ich kennen nur noch fade. Damit wird Essen nach Stillen des ersten Hungers zur Schwerstarbeit. Ich sehe Rindviecher, die den ganzen Tag Gras malmend auf der Weide stehen, mit völlig neuen Augen.

Was mich überrascht und gefreut hat: dass so viele Menschen meine sonntäglichen Splitterbrötchen vermisst haben. Danke nochmal für die Anerkennung und den Zuspruch.

Ich spreche derzeit mit einer ruppigen, uncharmanten Darth-Vader-Stimme. Ich hoffe, dass ich das noch mit Logopädie-Lektionen verbessern kann. Immerhin erstaunlich, dass man 40 Jahre später immer noch mit „Ich bin dein Vater, Luke“ punkten kann.

Insgesamt war ich beinahe zwei Monate lang im Krankenhaus, wo ich von extrem kompetenten Ärzten und im wahrsten Sinne des Wortes aufopferungsvoll arbeitenden Pflegerinnen und Pflegern ausgezeichnet betreut wurde. Das durch chronische Unterfinanzierung verursachte Organisationschaos des Ganzen war jedoch schwer erträglich und hat mich im Durchschnitt zwei- bis dreimal pro Tag sehr wütend gemacht. Die Zustände in unseren Krankenhäusern (und an anderen, auf staatliche Gelder angewiesenen Orten) sind eine Schande und sollten jede Partei, die in den letzten 20 Jahren dazu beigetragen hat, unsere einstmals vorbildliche Infrastruktur derart runterzurocken, zur Ein- und Umkehr zwingen (frommer Wunsch, ich weiß). Hier haben wir nämlich die Ursache für den Erfolg der populistischen Parteien: Dass Bürger, die auf die vom Staat bereitgestellte Infrastruktur angewiesen sind, tagtäglich mit unhaltbaren Zuständen konfrontiert werden. Und sehen, dass von den zuständigen Politikern nichts ernsthaft unternommen wird, um diese Zustände zu verbessern. Das macht wütend, und Wut ist gut für die Weidels und Wagenknechts. Es ist nicht die Debattenkultur auf social media, die die Arschlöcher stark macht, es ist der kaputte Alltag der Menschen.

Die Bestrahlungen begannen, wie gesagt, mit ein paar Wochen Verspätung, mittlerweile habe ich die letzte hinter mir, der Krebs ist erstmal Geschichte. Den ersten Satz hab ich also gewonnen. Ob das Match noch weitergeht, wird man sehen.

Möglicherweise hat an der Nahtstelle der Generationen eine Zeitbombe zu ticken begonnen: ältere Pflegekräfte sind derzeit gar nicht gut auf junge Pflegerinnen und Pfleger zu sprechen, die auf Teilzeitarbeit bestehen: „Was denken die sich? Wenn alle Teilzeit machen, können nicht mehr alle Patienten versorgt werden. Es bleibt wieder an uns Alten hängen…“

Den größten Dank dafür, dass es mir jetzt wieder gut geht, schulde ich aber weder der Ärzteschaft noch der Pflegerei, sondern der besten, geduldigsten Gemahlin von allen, die in der ganzen, elend langen Zeit jeden Tag in der Charité auftauchte, grenzenlosen Optimismus und Lebensmut versprühte, meine meist miese Laune ertrug und aufhellte, mich mit Leckerbissen und Kaltgetränken (spätestens nach zwei Wochen Krankenhaus lernt man lauwarme Getränke zu hassen) versorgte und mich mit unendlicher Liebe und Zuwendung tagtäglich ein Stück auf die Genesung hinschob. Ohne sie, die seit über 40 Jahren die Sonne in meinen Leben trägt, wäre ich vielleicht noch im Krankenhaus oder ganz woanders.

Kaum war ich dem Krankenhaus entronnen, habe ich mich wieder dem T-Shirt-Design gewidmet. Diese Kreation macht gleichzeitig profunde Aussagen über meine sportlichen Vorlieben und mein Sozialverhalten

Während ich das hier aufschreibe, fällt mir auf, dass vieles dramatischer klingt, als es war. Man bekommt eine unschöne Diagnose, tut, was man tun muss, um zu überleben, liegt dann ein paar Wochen im Krankenhaus und hofft das Beste. Mehr war nicht. Life goes on.