Gestern Abend schlug das Schicksal mit unbarmherziger Härte zu. Um 17 Uhr 15 fiel mir ein, dass ich noch die Büropost wegzubringen hatte, und wer schon einmal gegen 17 Uhr 30 das Postamt in der Berliner Soorstr. betreten hat, weiß was das heißt: mindestens 15 (gefühlte 30) Meter Schlange vom Diskretionsbalken bis zur Tür, maximal 3 (gefühlt 1) Schalter offen, mindestens 30 Minuten (gefühlt: 8 Stunden) Wartezeit, während der man sich anhören muss, wie die Postangestellten versuchen, statt Postwertzeichen Mobilfunkverträge, kostenlose Giro-Konten und Heizdecken preiswerten Strom zu verhökern… Mein Los verfluchend stürzte ich auf die Straße, eilte in die Soorstr., betrat das Postamt und erstarrte.
Keine Schlange. Nur ein weiterer Kunde weilte in der Filiale und der wurde bereits zu seiner vollsten Zufriedenheit bedient.
Ich wähnte mich in einem fantastischen Traum, tastete mich zum Diskretionsbalken vor, wo man mich zweifellos mindestens 5 (gefühlte 15) Minuten warten lassen würde, ich kenn ja meine Pappenheimer von der Post…
„Bitteschön…“
Nicht zu fassen. Nach maximal 20 (gefühlt 5) Sekunden Wartezeit war ich dran. Am Schalter gab ich meinen Poststapel ab, und da die Dame ihn zügig, kompetent und ohne Werbeeinblendungen (Handy, Girokonto, Strom) bearbeitete, wagte ich ein entspanntes Gespräch:
„Haben Sie das schon einmal erlebt? 17 Uhr 30, und keine Schlange?“
„Nicht, seit ich denken kann.“
„Ich hatte mein Schicksal verflucht, als ich feststellte, dass ich noch zur Post musste, aber jetzt dies… die reine Wonne…“
„Wären sie ein bißchen früher gekommen, hätten Sie gar nicht warten müssen, da hätten Sie glatt durchgehen können.“
„Das hätte ich nicht verkraftet. Das wäre zuviel Glück auf einmal gewesen.“
„Jetzt übertreiben Sie aber.“
„Keineswegs.“
„Quittung?“
„Ja, bitte, gerne. Ich übertreibe wirklich nicht. Seit eben weiß ich, dass es irgendwo dort oben doch ein höheres Wesen gibt, dass über mich wacht, dass mir wohlgesonnen ist…“
Und in genau diesem Moment ging der Quittungsdrucker kaputt.
[tags]Post, Nihilismus, Weltschmerz[/tags]
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Bouillon!
Was für ein Scheiss-Tag! Da kommt man eine halbe Stunde zu spät ins Büro, weil man 40 Minuten auf eine 30 Sekunden dauernde Routine-Untersuchung bei der Orthopädin warten musste, wird von einer Praktikantin begrüßt, die gerade dabei ist, die Geschichte der schlechten Laune vollkommen neu zu schreiben, will dann seine Telefonliste abarbeiten und stellt zur eigenen Überraschung fest, dass alle (ALLE!) 8 (ACHT!) Leute, die auf der Liste stehen, bereits „im Wochenende“ (IM WOCHENENDE!) sind. Freitag vormittag um 10 Uhr 30. Ist die 4-Tage-Woche eingeführt worden, und ich hab wieder nix davon mitbekommen?
Ich erspare der sensiblen Leserschaft der Netzecke die weiteren Unbillen meines Tages: die steindummen, talentfreien Vollidioten, die meine Ohren abzuknabbern versuchten, die Texte, die sich meinen immer matter werdenden Bearbeitungsversuchen entzogen, die kreuzdämlichen Cold-Caller, die sogar zu doof waren, meine Beleidigungen zu verstehen… zum frühest möglichen Zeitpunkt eilte ich nach Hause, um Trost zu suchen bei der entzückendsten Ehefrau, der geduldigsten Gemahlin von allen… die sich zu Tode erschöpft von einem ähnlich harten Tag bereits zurückgezogen hat. Was jetzt? Die Rotweinflasche lockt…
Nein. Wenn es etwas gibt, was den geschundenen Menschen wieder aufrichtet, dann ist es eine gescheite Kochsession. Bouillon ist alle. Wir brauchen Bouillon. Wir kochen Bouillon!
Um die Ecke geflitzt, der Metzger des Vertrauens hat noch offen, ein paar Scheiben Rinderhesse müssen mit, eine Handvoll Kalbsknochen gibt er großzügig dazu, in der Schwarzen Olive stopft Mustafa mir das nötige Wurzelwerk in die Tüte und ich bin wieder daheim. In der Küche. Fleisch und Knochen gewaschen, in den Suppentopf gelegt, Wasser draufgeschüttet und die Hitze auf halb gedreht. Nicht volle Pulle, langsam erhitzen, das macht die Brühe voller und klarer. Sellerie, Möhren, Lauch und Zwiebel werden geputzt und in den Topf geworfen, das Gewürz-Ei wird geladen mit Petersilie, Lorbeer, Knoblauch, Nelkennägeln und Piment, aber noch nicht hineingehängt. Erst wird das Unwichtige vom Wichtigen getrennt, es wird abgeschäumt. Wenn man nicht gleich hitzemäßig Vollgas gibt, dann kann man Trübstoffe und Schmutz ganz einfach mit der Schaumkelle abheben, und was schließlich aufkocht, ist klare, reine Brühe… so soll’s doch sein. Jetzt wird gesalzen und die Gewürze werden reingehängt…
Und langsam, ganz langsam füllt sich die Wohnung mit dem Aroma der werdenden Bouillon. Der saftigen, aromatischen Brühe, die die Basis für viele zukünftige Mahlzeiten werden wird und jetzt schon den Odeur der Erschöpfung durch den Duft der Verheißung ersetzt. Jetzt – endlich! – schwindet mein Hunger und ich bekomme Appetit!
Die Bouillon ist noch Stunden von der Vollendung entfernt, aber im Kühlschrank sind noch Eier. Lauch und Pilze finden sich, ein schnelles Omelette, wunderbar! Wohlig gesättigt öffne ich den Rotwein. Sein Aroma und das der Bouillon vermischen sich, bis letztere denn fertig sein wird. Mir geht es wieder gut.
Kochen ist eine große Gnade. Wer kochen darf, dem geht’s nicht schlecht.
[tags]Kochen, Bouillon[/tags]
Der Feind an meinem Schloss
Mensch, Herr Römer!
Heute fand ich eine üble, dämliche Spam- eine faszinierende Werbe-Email von Ihnen, dem Chefredakteur des im Rudolf Haufe Verlag erscheinenden Wirtschaftsmagazins ProFirma, in meinem elektronischen Postfach. Ihre Mail-Eröffnung „Sehr geehrter Herr Kurbjuhn, als Mittelständler werden Sie gern als das Fundament unserer Wirtschaft bezeichnet…“ war schon ein Hammer, aber dann haben Sie mir auch noch ganz markig „Jetzt ist es Zeit, zu zeigen, was im deutschen Mittelstand steckt!“ zugerufen.
Also, Herr Römer, ich will da ganz ehrlich sein… Wie sag ich Ihnen das jetzt? Am besten, ich erzähl mal, was mir gestern am frühen Abend passiert ist, als ich die Tür zu unseren Büroräumen abschließen wollte. An der Tür ist ein Sicherheitsschloss dran, und der Schlüssel dazu hat so einen viereckige Reide (so heißt das Teil, wo man den Schlüssel anfasst, hab ich gerade in der Wikipedia nachgelesen), und weil das der einzige Schlüssel mit viereckiger Reide an meinem Schlüsselbund ist, schliess ich den immer zuerst zu. Weil ich ihn zuerst finde. Und gestern passte der Schlüssel nicht mehr.
Da verstand ich die Welt nicht mehr. Ich hatte doch gestern früh aufgeschlossen, verdammt noch mal, und dann die ganze Zeit im Büro gesessen, da kann niemand das Schloss ausgetauscht haben, ohne dass ich es gemerkt habe. Okay, ich war mittags mal fünf Minuten weg, mir ein Schälchen Kisir vom Gemüsehändler holen, wenn da vielleicht ein blitzschnell arbeitender Schlüsseldienst… aber meine Frau war doch da, die hätte mir doch gesagt, wenn da… Und dann hab ich den Schlüssel umgedreht und nochmal probiert, und er passte immer noch nicht, und ich hab ihn mir genau angeguckt, ob er vielleicht abgebrochen oder verbogen ist, aber das war er nicht, der Schlüssel war hundertprozentig intakt, und dann bin ich auf die Knie gegangen und hab versucht, in das Schloss reinzugucken. Vielleicht hatte ja irgendwer was reingefriemelt, so dass der Schlüssel nicht mehr passte, aber ich konnte nix erkennen. Dann hab ich eine Taschenlampe gesucht, und als ich die gefunden hatte, wusste ich, dass das ein vollkommen idiotischer Versuch ist, mit einer Taschenlampe in ein Sicherheitsschloss reinzuleuchten, weil man genauso wenig sieht wie ohne Taschenlampe.
Ich war mittlerweile vollkommen ratlos, und hab mir gedacht, dass ich’s noch einmal probiere und dann den Schlüsseldienst anrufe, und dann hab ich’s probiert, und der Schlüssel hat gepasst, und das war der Moment, in dem ich endgültig den Boden unter den Füßen verlor und mir sicher war, dass ich Opfer einer Verschwörung geworden bin, genau, die Al-Qaida will mich weichkochen, damit ich nicht als Abschusspilot für Verteidigungsminister Jung in Frage komme, weil psychisch dermaßen angeknackste, labile Menschen wie ich, die taugen nicht zum Abschuss von Verkehrsmaschinen, genau, das war’s, Bin Laden vertauscht andauernd die Schlösser an unserer Bürotür, um die Terrorabwehr zu sabotieren. Ich war erst mal froh, das geklärt zu haben und fragte mich, wen ich zuerst verständige: Herrn Jung, Herrn Schäuble oder doch den Schlüsseldienst, als ich den zweiten Schlüssel mit viereckiger Reide an meinem Schlüsselbund entdeckte.
Und dann fiel mir ein, dass ich ja seit dem Wochenende zusätzlich den viereckigen Wohnungsschlüssel meiner Nichte am Schlüsselbund hatte, weil ich dort die Katze füttern musste. Und ich war heilfroh, dass ich noch nicht Herrn Jung und Herrn Schäuble angerufen hatte, weil DAS hätte ich ihnen ungern erklärt, wenn sie gerade eine Alarmrotte in die Luft geschickt bzw. den Bundestrojaner von der Leine gelassen hätten. Das mit dem Schlüsseldienst hätte ich allerdings geregelt bekommen.
Also, Herr Römer, das ist es, was im deutschen Mittelstand steckt. Und wenn ich tatsächlich das Fundament der Wirtschaft bin, dann solten Sie in Ihrem komischen Unternehmer-Käseblatt geschmackvoll aufgemachten Hochglanzmagazin möglichst zeitnah abdrucken, dass der deutschen Wirtschaft eine vom Mittelstand ausgelöste Katastrophe ungeahnten Ausmaßes droht. So sieht’s nämlich aus.
Mit marktwirtschaftlichem Gruß
Der Chris
[tags]Mittelstand, Gehirnschwund, Terrorabwehr, Bundestrojaner, Top Gun, Ungeheuer! [/tags]
Was manche Buchhändler sich aus der Tasche lügen
„Haben wir nicht!“ – „Das Buch gibt es nicht.“ – „Das ist ein Kleinverlag, der ist nirgendwo gelistet.“ Das sagen Buchhändler gerne, wenn ein Kunde bei Ihnen nach einem Buch aus einem kleinen Verlag wie beispielsweise dem unseren fragt. Natürlich ist das platt gelogen. Die Bücher, die wir herausbringen, stehen im Verzeichnis lieferbarer Bücher und jeder Buchhändler kann sie entweder direkt bei uns oder über einen der Barsortimenter wie libri oder Umbreit bestellen. Warum sagt der Buchhändler dann, dass es uns oder unser Buch nicht gibt?
Ganz einfach, weil er nicht sagen will: „Wissen Sie, um dieses Buch zu bestellen, muss ich ins Internet, die Verlagsadresse herausfinden und da anrufen oder einen Bestellzettel für den Großhandel ausfüllen. Wenn das Buch dann da ist, muss ich Sie anrufen, dann muss ich womöglich den Einkaufspreis für ein einzelnes Buch überweisen und den Vorgang bei mir verbuchen, und wenn Portokosten ohne Mehrwertsteuer anfallen, muss ich die Hilfefunktion von Lexware aufrufen, weil ich vergessen habe, wie man eine Split-Buchung macht, und das alles für vielleicht 3 oder 4 lumpige Euro, die ich an dem einen Buch verdiene? Nö. Keinen Bock.“
[tags]Buchhandel, Buch, Verlag[/tags]
Radiobloggen
Es heißt, dass meistens ca. 50 Jahre vergehen müssen, bis man weiß, was man mit einer wirklich bahnbrechende Erfindung tatsächlich anfangen kann. Mit dem Telefon wollte man ursprünglich Musik-Übertragungen realisieren. Konrad Zuse baute den ersten Computer als Rechenmaschine. Erst Jahre nach ihrer eigentlichen Erfindung fand man man heraus, dass beides in Wirklichkeit hervorragende Kommunikations-Instrumente sind.
Ein ähnlicher Coup ist jetzt der GEZ geglückt. Sie hat herausgefunden, was man tatsächlich mit Radios machen kann. Man kann damit Texte verarbeiten, Tabellenkalkulationen bedienen, Datenbanken verwalten, Bücher setzen, Buchcover gestalten und die Buchführung erledigen. Ist doch super, was man mit so ’nem ollen Dampfradio alles machen kann.
Sogar bloggen kann man damit.
[tags]GEZ, Straßenraub, dummdreist, gehirnalbern[/tags]
Viva!
Heute war das Belegexemplar der Viva in der Post. Diese ab sofort höchst geschätzte Zeitschrift war so freundlich, in ihrer Märzausgabe unseren Ratgeber für den faulen Haushalt kurz, knapp, knackig und vor allen Dingen lobend zu erwähnen.
Sowas geht runter wie kaltgepresstes Olivenöl.
Beruf des Tages
Für ein Buch, dass demnächst in unserem Verlag erscheinen wird, brauchte ich ein paar Infos von einer bekannten deutschen Autofirma. Und beim Herumstöbern auf deren Website entdeckte ich einen wunderbaren Beruf, von dem ich vorher noch nie gehört hatte…
„Nu sag doch mal, was willst du später mal werden? Lokomotivführer? Indianerhäuptling? Piratenkapitän?“
„Piratenkapitän? Wie pissig! Ich werden Flottenentscheider!“
Frage der Woche
Eben klingelt das Telefon. Ich melde mich mit meiner üblichen Begrüßungsfloskel, die am anderen Ende der Leitung offenbar eine kurze Ratlosigkeit und dann die Frage der Woche auslöst: „Sind Sie der aus dem Internet?“