Der süße Hammer: The Rhubarb Eton Mess

Vor ein paar Wochen war bei Spiegel Online ein Artikel über eine neue Kochshow aus England zu lesen. Roald-Dahl-Enkelin Sophie hatte sich für die BBC an den Herd gestellt und war von der TV-Kritik herbe verrissen worden.Nicht nur, dass Frau Dahl küchentechnische Unzulänglichkeiten vorgeworfen wurden („Kann noch nicht mal Brot schneiden“), nein, die Créme de la Créme der britischen Food-Journaille bemängelte, dass die Fernsehköchin Anzüglichkeiten ins Studiomikrofon hauchen und sich ständig über Töpfe und Pfannen beugen würde, um ihr Dekolleté zu präsentieren. Davon musste ich mich natürlich sofort selber überzeugen.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=nys4FPRug8A&feature=player_embedded[/youtube]

Und es ist Quatsch, was die Leute da geschrieben haben. Sophie Dahl KANN kochen, und das Dessert-Rezpt, was sie in dem Clip vorstellt, ist schlicht und einfach der Hammer. Ich hab diese „Eton Mess“ jetzt schon mehrfach Gästen vorgesetzt, die vehement versicherten, wirklich keinen Platz mehr für einen Nachtisch zu haben. Dann trug ich die Platte mit der Eton Mess auf, und keine Viertelstunde später konnte ich die sauber leergeputzte Platte wieder abräumen. Sogar ich, der ich sonst nicht gerade das Süßmaul bin, lange hier gern zu.

Rhubarb Eton Mess

4 Eiweiß
1,5 kg Rhabarber
brauner Zucker
Mandelblättchen
½ l Schlagsahne
200g Creme Fraiche
1 Vanilleschote (evtl. Vanillezucker)
Butter, Zucker, Zitronensaft

Die Eiweiß mit 200g Zucker sehr steif schlagen. Ein Back­blech mit Backpapier auslegen, das steife Eiweiß in Häufchen darauf geben und 1 Stunde lang im Ofen bei 100 Grad backen. Auskühlen lassen.
Den Rhabarber schälen und in Stücke schneiden. Butter in einem Topf aufschäumen lassen, drei Esslöffel braunen Zucker karamelisieren lassen, den Rhabarber dazu geben und unter die karameli­sierende Zuckermasse rühren, gegebenenfalls mit etwas Zitronensaft ablöschen, sowie er Wasser zieht und das aufkocht vom Herd nehmen, abkühlen lassen.
Vanilleschote aufschlitzen, in die Schlagsahne geben, ziehen lassen. Schote entfernen und Schlag­sahne durch ein Haarsieb gießen, Sahne mit etwas Zucker (gegebenenfalls Vanillezucker, wenn sie noch nicht vanillig genug ist) steif schlagen, Creme Fraiche unterrühren.
Mandelblättchen in einer Pfanne mit Butter und Zucker leicht bräunen.
Einen Teil des Baiser zerkrümeln, unter die Vanille-Sahne rühren. Eine Platte mit dem restlichen Baiser auslegen, einen Teil der Sahne auf den Baiser löffeln, das Kompott darüber geben, mit der restlichen Sahne vollenden und das noch warme Mandelkrokant darüber streuen. Die Platte servie­ren und bei Tisch auf Dessert-Teller verteilen.
Mahlzeit!

Anmerkungen: Sophie Dahl kippt noch Rosenwasser an die Sahne, hab ich weggelassen. Ich mag kein Rosenwasser. Und auch die kandierten Rosenblätter zur Deko hab ich weggelassen. Ich hatte Angst, dass mein Gemüsehändler mir den Vogel zeigt, wenn ich ihn frage, ob er kandierte Rosenblätter hat. „Eton Mess“ selber ist wohl eine traditionsreiche Süßspeise, die normalerweise mit frischen Erdbeeren oder Kompott von roten Beeren hergestellt wird. Müsste man mal probieren, wenn die Rhabarber-Saison vorbei ist. Oder man kocht ordentlich Rhabarber-Kompott auf Vorrat und friert es ein. Wie ich.

Foto: Harald Effenberg

Nahrungsergänzungsmittel aus Zwiebeln und Ingwer

Ich weiß nicht so ganz, wie ich das folgende Rezept einordnen soll. Ein vegetarisches Gericht sind die Ingwerzwiebeln nur, weil weder Fisch noch Fleisch im Rezept enthalten ist, aber für meinen Geschmack gehören Fisch oder Fleisch dazu, damit sie ihren ganzen Charme entfalten. Eine Beilage sind sie wiederum nur nur bedingt bzw. höchstens, wenn’s ein Gang in einem größeren Menü wäre, mindestens eine Gemüsezubereitung müsste zusätzlich sein, wenn man sie zu einem Hauptgericht auf den Teller packt. Deshalb hab ich „Nahrungsergänzungsmittel“ geschrieben, das stimmt zwar erst recht nicht, aber das sind diese Zwiebeln: eine prima Ergänzung der anderen Nahrung, die sich auf dem Teller befindet.
Pro Nase nimmt man 1-2 mittlere Zwiebeln (in dünne Ringe geschnitten), 1-2Knoblauchzehen und ein Stückchen Ingwer  (beides kleingehackt), sowie Butter, Portwein, getrockneten Thymian, Salz und scharfes Paprikapulver.
In einer Pfanne in nicht allzu viel Butter Knoblauch und Ingwer andünsten, dann die Zwiebelringe dazugeben. Salzen, ganz wenig Thymian dazu, und wenn die Zwiebeln anfangen, weich zu werden, Portwein dazukippen. So viel, dass die Zwiebelringe gerade mal ein Fußbad nehmen. Aufkochen und langsam einkochen lassen, bis keine Flüssigkeit mehr vorhanden ist und die Zwiebelringe nur noch feucht glänzen. Dann sind die Zwiebeln hoffentlich weich (wenn nicht, Portwein nachkippen und weiterköcheln). Bis hierher können die Ingwerzwiebeln vorbereitet werden.
Vor dem Servieren noch einmal erhitzen, einen Klacks Butter und ein wenig scharfes Paprikapulver kurz einschwenken. Fertig.

Portwein-Ingwer-Zwiebeln

War absolut super zur gebratenen Entenbrust, kann ich mir auch gut zu jedem kurzgebratenem Fleisch oder gegrilltem oder gebratenem Fisch (Lachs!) vorstellen. Mahlzeit!

[tags]Ingwer, Zwiebeln, Kochen[/tags]

Son of Ingwer-Chili-Gurken: Ingwer-Chili-Paprika

Nachdem ich hier ein Rezept für Ingwer-Chili-Gurken reingepostet hab, hab ich aus den Kommentaren erfahren, dass ich als „Gurker“ gelte. Sogar Mitgurker haben sich bereits eingefunden. Eine dermaßene kulinarische Eingleisigkeit kann ich  nicht auf mir sitzen lassen, deshalb entfiel der kühne Plan, den ich gestern fasste, als ich feststellte, dass noch jede Menge von der quietschfrischen Bio-Ingwer-Knolle vorhanden war: ein zweites Mal in einer Woche Ingwer-Chili-Gurken zu machen.

Ingwer-Chili-Paprika mit ein bißchen Fleisch

Stattdessen kochte ich Ingwer-Chili-Paprikagemüse. Das macht man genauso wie Ingwer-Chili-Gurken, nur dass man statt der Gurken Paprikaschoten nimmt. Geht genauso unkompliziert und fix wie die Gurken. Schmeckt ähnlich lecker. Das kleine Stückchen Entrecote auf dem Teller ist übrigens eine ganz delikate Ergänzung zu jeder vegetarischen Mahlzeit.

[tags]Kochen, Ingwer, Chili, Paprika [/tags]

Ingwer-Chili-Gurken

Vollkommen simple, in Minutenschnelle hingezauberte, mordsleckere (wenn man scharfes Essen, Ingwer und Knoblauch mag) Beilage:
Pro Person 1 Schmor- oder Salatgurke schälen, entkernen und in Stücke schneiden. Öl in einem Wok erhitzen, Zwiebeln, Ingwer und Knoblauch (natürlich alles kleingehackt) in Öl anschwitzen, Gurkenstücke und in Ringe geschnittene Chili-Schote (oder zerbröselte getrocknete Chili-Schote) dazu, unter Rühren gar braten, salzen. Am Schluß noch was zum Säuern (Reisessig? Zitronensaft?) dazu kippen, fertig.

Ingwer-Chili-Gurken

Sehr angenehm zu kurzgebratenem Fleisch oder Fisch, besonders wenn man soviel Ingwer und Knoblauch nimmt, dass der Gurkengeschmack nicht mehr stört.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Rezept vor ein paar Tagen irgendwo im Netz gelesen zu haben, ich find’s aber nicht mehr wieder. Sollte die Autorin oder der Autor ihr oder sein Rezept wieder erkennen, möge er sich doch bei mir melden, dann hol ich die Verlinkung nach. Ansonsten Mahlzeit.

[tags]Kochen, Gurken, Ingwer, Knoblauch, einfach[/tags]

Hobbykochs Albtraum

Wie sieht der schlimmste Albtraum eines Hobbykochs aus? Vielleicht so, dass genau in dem Moment, als er nach vollendetem Stoßgebet beginnt, mit zitternden Fingern einen Strudelteig auszuziehen, die Küchentür aufgeht und Wolfram Siebeck reinkommt, um ihm zuzugucken?
Gestern ist dieser Traum genau so bei mir Wirklichkeit geworden, aber dank der Mithilfe der geduldigsten Gemahlin von allen habe ich die Nerven behalten. Und gemeinsam haben wir beim Regionalentscheid des ZEITmagazin-Kochwettbewerbs in Hamburg den zweiten Platz belegt. Wir sind stolz wie Bolle.
Sowie ich wieder etwas Blut in meinem Adrenalin habe, erzähl ich hier die ganze Geschichte von A wie „Abschicken der Bewerbung“ bis Z wie „Zur Hölle mit dem Kernöl, das Zeugs geht jetzt raus!“.

[tags]Kochen, Kochwettbewerb, Siebeck[/tags]

Gipfel des Küchenunfugs: Tomatenmesser

TomatenmesserWieder mal geht mein Blutdruck in die Höhe, weil ich hervorquellenden Auges sehen musste, dass ein grober Küchenunfug ein Comeback feiert, der an Unsinnigkeit sogar den „Küchenwecker, den man zur Pasta ins Kochwasser schmeißt“ schlägt: das Tomatenmesser!
Bei einer bekannten Supermarktkette kann man wieder Treueherzchen sammeln, und wenn man 30 beisammen hat, kann man sich unter anderem so ein schniekes Tomatenmesser mit gezackter Klinge für ganz kleines Geld (solange man nicht daran denkt, wieviel Geld man ausgegeben hat, um an die 30 Treueherzchen zukommen) anschaffen.
Nun ist das Schneiden von Tomaten mit gezackter Klinge aber ungefähr so sinnvoll, als würde man Gänseblümchen mit dem Mähdrescher pflücken wollen. Die gezackte Klinge zerreißt Haut und Fruchtfleisch, statt sie zu schneiden. Daher ist das Tomatenmesser ein sinnvolles Werkzeug, wenn man Tomatenpampe mit Hautstückchen herstellen will, ansonsten ist es ein sinnloses, überflüssiges und gemeingefährliches Ding, ein Werk des Teufels, schlimmer noch als Eierköpfer mit Digitalanzeige.
Wenn man eine reife Tomate mit dem normalen Küchenmesser nicht mehr ohne Druck schneiden kann, dann ist das Küchenmesser nicht mehr scharf genug. Punkt. So einfach ist die Welt. Ohne Tomatenmesser.

Foto von stevennl2003

[tags]Tomatenmesser, Unfug, Kochen, Ungeheuer![/tags]

Erkenntnisse aus dem Trainingslager: Strudel und der Teig dazu

Etwas Paniertes, Gesottenes, Knödel, Strudel oder Schmarren musste das Menü enthalten, das man für den diesjährigen Kochwettbewerb des ZEITmagazins einreichen konnte. Da musste ich nicht lange überlegen: Panieren tu ich höchst selten, weil ich meistens keinen Bock habe, in unserer ziemlich kleinen Küche eine Panierstrecke aufzubauen, beim gesottenen Fleisch ist man auf Gedeih und Verderb dem Fleischer ausgeliefert, bei dem man das Produkt erworben hat, Knödeln tu ich meist bei Karaoke-Wettbewerben, und weder die geduldigste Gemahlin noch ich sind große Süßmäuler… blieb der Strudel in einer herzhaften Variante, den kann man auch mit fertigem Strudelteig machen, den man ja in vorzüglicher Qualität beschaffen kann…
Doch als ich mich dann plötzlich zu den „Auserwählten“ zählen durfte, packte mich der Ehrgeiz: Ich kann mich da doch nicht hinstellen und irgendeinen Fertigteig aus der Verpackung holen, kommt gar nicht aus in die Tüte! Der Strudelteig wird selbstgemacht. Obwohl, man liest ja so allerlei, Strudelteig sei kompliziert, muss man ja hauchdünn ausziehen das Zeugs,ist wohl eine Sache für Spezialisten, die durch den Teig hindurch erstmal die Kronenzeitung lesen, bevor sie ihn backen…
Alles Quatsch. Die Zubereitung eines Strudels bzw. des dazugehörigen Teigs ist eine unkomplizierte, vollkommen idiotensichere Sache. Man nehme 300g Mehl, Prise Zucker, Prise Salz, 1 Ei, 3 Esslöffel Öl und 100 ml Wasser. Das verrührt man der Einfachheit halber mit der Küchenmaschine oder mit den Knethaken des Handrührers, bis man einen Teigklumpen hat, der sich von der Schüssel löst. Diesen Klumpen knetet man dann auf einer bemehlten Arbeitsfläche zehn Minuten lang von Hand durch, bis er schön elastisch ist und nicht mehr klebt. „Von Hand Kneten“ heißt tatsächlich ohne Maschine, und zehn Minuten lang heißt die Mitte zwischen neun und elf Minuten, nichts anderes. Nun den Teigklumpen mit Öl bestreichen (bekommt sonst eine Haut) und unter einer vorgewärmten, umgedrehten Schüssel eine halbe Stunde lang ruhen lassen.
Nun ein Strudeltuch (großes Küchenhandtuch, aufgetrennter Kissenbezug o.ä.) einmehlen, mit Küchenpapier das Öl vom Strudelklumpen tupfen und den Teig auf dem bemehlten Tuch mit dem Nudelholz auf ca. 50 mal 70 cm ausrollen. Halt so weit, wie es geht.
Nun kommt das Ausziehen. In den meisten Rezepten steht etwas von „über den Handrücken ausziehen“. Das klappt so nicht. Wenn man sich den Strudelteig einfach über die Handrücken legt und dann zieht, steht man mit ausgebreiteten Armen da und der Strudelteig liegt wieder vor einem auf dem Tisch. Es geht aber viel einfacher: Hände unter den Teig und denselben von der Mitte nach Außen mit den Fingerspitzen auseinanderziehen. Das geht bei diesem sehr elastischen Teig haste was kannste, in weniger als einer Minute hat man den Teig wirklich sehr dünn auseinandergezogen und es kann nichts schiefgehen. Selbst wenn man aus Versehen ein kleines Loch in den Teig reißt: Was soll’s? Das macht überhaupt nichts, da Strudel nebst Füllung aufgerollt werden und da mehrere Lagen Teig übereinander zu liegen kommen. Wenn der Strudel geformt ist, sind die Löcher verschwunden.
Wenn der Teig ausgezogen ist, ein Drittel des Teigs mit der Füllung bedecken und – von diesem Drittel ausgehend – den Strudel aufrollen. Auf ein Backblech verfrachten, großzügig mit Butter bepinseln und eine halbe Stunde bei 180 Grad backen, fertig.
Es ist tatsächlich so simpel, wie es sich anhört. Hätte ich geahnt, wie einfach Strudelteig geht, ich hätte schon längst begonnen, ihn selber zu machen. Wieder was gelernt.

[tags]Kochen, Strudel, Strudelteig, Ausziehen[/tags]

Erkenntnisse aus dem Trainingslager: Paprika

Paprika

Seit zwei Wochen weiß ich, dass ich am 27. April in Hamburg für ein paar äußerst illustre Tischgäste kochen darf. Logisch, dass ich dafür ein bisschen trainiere und die vorgesehenen Gerichte (die Rezepte gibt’s demnächst) ein paar Mal koche, damit auch wirklich jeder Handgriff sitzt, wenn’s drauf ankommt. Dabei sind mir – zu meinem eigenen Erstaunen – ein paar Dinge aufgefallen, die ich den Netzecken-Besuchern nicht vorenthalten möchte.
Fangen wir mit dem Paprikapulver an. Steht seit Jahren bei mir in der Küche rum, einmal Rosen (scharf), einmal edelsüß, beides wird regelmäßig bis häufig benutzt, mit Paprika kenn ich mich aus. Dachte ich. An zwei Dinge hab ich bisher überhaupt nicht gedacht:

1. Welches Pulver? Mit dem, was es im Supermarkt oder im besseren Gewürzhandel zu kaufen gibt, war ich bisher zufrieden. Aber der Zufall wollte es, dass ich vor ein paar Tagen ein ungarisches Restaurant besuchte. Und da gab’s eine leckere Fischsuppe, die ja, doch, nach Paprika schmeckte. Aber anders Paprika. Aromatischer. Voller. Milder und gleichzeitig wilder. Eben anders. Hmm. Konnte es sein, dass die ein anderes Paprikapulver verwenden?
Ich hab den Wirt gefragt. Da hatte ich wohl einen Nerv getroffen, denn der begann hoch erfreut über die verschiedenen Sorten Paprika-Pulver und wofür man sie wie verwendet zu dozieren und hörte gar nicht mehr auf… aber hallo!
Langer Rede kurzer Sinn: es gibt tatsächlich Paprika-Pulver, dass dem Supermarktzeugs haushoch überlegen ist. Steht jetzt in meinem Gewürzschrank. Direktimport. Ungarn.

2. Die  Handhabung. Bisher habe ich immer gedacht, dass man lediglich zu große Hitze meiden soll, wenn man Paprikapulver anschwitzt, weil es sonst bitter wird. Stimmt nach wie vor, aber in mehreren Rezepten habe ich den Hinweis gefunden, dass man Paprikapulver nur so kurz wie möglich anschwitzen soll, bevor man ablöscht. Hab ich ein wenig misstrauisch ausprobiert, scheint tatsächlich zu stimmen. Paprikapulver, dass vor dem Ablöschen nur ein paar Sekunden (!) in der Pfanne angeschwitzt wurde, schmeckt deutlich voller. UND dieser leicht herbe, möglicherweise muffige Beigeschmack, den Rosenpaprika manchmal hat und den ich bisher für eine typische Geschmacksnuance hielt, rührt offenbar daher, dass er zu lange angeröstet wurde. Wieder was gelernt.

[tags]Kochen, Paprika, Rosen, mild, scharf, Ungarn [/tags]

40 Zehen westwärts

Das 40-Zehen-Knoblauch-Huhn ist das bekannteste unbekannte Gericht der Welt. Beinahe jeder Mensch hat schon mal von diesem Rezept gehört, über 90 Prozent der Menschen meines Bekanntenkreises äußern sich wortreich und lautstark über dieses Gericht, ohne es je probiert zu haben: „Um Himmels willen, 40 Knoblauchzehen! Wer soll denn das essen? 40 Zehen! Kein Wunder, dass das Abendland zugrunde geht. 40 Knoblauchzehen, das ist das Ende der Zivilisation, Ragnarök steht unmittelbar bevor, 40 Zehen, um Himmelswillen!“
Wer dieses Gericht schon mal gekostete hat, sagt solch aufgeregten Unfug natürlich nicht. Dieses Huhn mit 40 Zehen (gehen übrigens auch 60, 80 oder mehr, solange das Huhn unter‘m Knoblauch noch zu sehen ist) ist eine der einfachsten Möglichkeiten, ein Huhn so zuzubereiten, dass alle Leute am Tisch die Augen verdrehen. Es riecht und schmeckt so dezent, dass selbst vorbeilaufende Knoblauchverächter nicht merken, was da im Schmortopf brutzelt und – wenn man sich zusammenreißt und nicht mehr als 4 bis 5 Zehen ist – strahlt man selbst am nächsten Tag auch nicht den berüchtigten Knoblauchdunst aus.
Huhn
Man benötigt ein Huhn von anständiger Qualität, ich kaufe immer die Viecher aus der Loué, die haben eine mehr als anständige Qualität. Es muss nicht unbedingt die Bioqualität sein, aber der 1,8-Kilo-Kawenzmann im Foto war vom Stamme Bio. Nicht billig, aber jeden Cent wert. Dazu braucht man noch die erwähnten 40 Knoblauchzehen (gerne mehr, wie gesagt), am besten geschält. Es gibt Varianten des Gerichts, da werden sie ungeschält dazu gegeben. Ist natürlich eine feine Sache für Faulpelze wie mich, aber ich finde es furchtbar umständlich, die Dinger auf dem Teller aus ihren Schalen zu pulen, die dann im leckeren Bratensaft rumschwimmen. Nö. Muss nicht sein. Lieber vorher schälen. Zehen vor sich ausbreiten, einmal kurz mit dem Messer oder dem Handballen draufdrücken, bis es knackt, dann flutschen sie meistens problemlos aus der Schale, und die 40 Dinger hat man dann in zehn Minuten gepellt.
Huhn bratfertig vorbereiten, innen und außen pfeffern und salzen, bißchen Zitronensaft bißchen Thymian ins Hühnerinnere geben. Olivenöl in den schweren Schmortopf auf mittlere Hitze bringen und das Huhn langsam von allen Seiten anbraten. Anbraten heißt, dass es eine schöne braune Farbe bekommen soll (nicht schwarzer Kreis im weißen Feld) und langsam heißt, dass diese Prozedur sich ca. zwanzig Minuten lang hinziehen sollte.
Huhn kurz raus aus dem Topf, Fett abgießen, die 40 Knoblauchzehen anschwitzen, mit einem Schuss Weißwein (soll nur ganz wenig Flüssigkeit im Topf stehen) ablöschen, Huhn wieder in den Topf, dicht schließenden Deckel drauf und ab in den Ofen der so 140, 160 Grad (Gas 3) haben sollte. Wenn‘s im Topf braust oder brodelt, ist dem Huhn zu heiß! Nach 30, 40, 50 Minuten im Ofen (je nach Größe des Huhns) nimmt man den Deckel ab, lässt noch eine Viertelstunde bräunen und das war‘s. Das Huhn sollte jetzt in etwas so wie auf dem Bild aussehen. Dann läßt man es noch zehn Minuten ausruhen, bevor man es tranchiert.
Knoblauch
Und das, was noch im Topf ist, dieses unglaubliche Konglomerat aus Olivenöl, Wein, Hühnerfond, Zitronensaft und Knoblauch, das füllt man in eine Sauciere und stellt sie auf dem Tisch möglichst weit weg von mir. Weil ich sonst vom Huhn nix nehme und die Zehen alleine aufesse (Hab ich tatsächlich mal gemacht. Hatte dann ziemlichen Durst, hab nicht sonderlich gut geschlafen und am nächsten Tag ein neues Kapitel in der Geschichte des Körpergeruchs geschrieben).
Mehr ist nicht. Das einzige Problem dieses sensationellen Essens: es passt keine Beilage. Deshalb vorher einen Salat o.ä. reichen und dann das Huhn, wie es ist, mit dem Knoblauch, und nur ein bißchen Baguette dazu. Man glaubt, man ist im Paradies. Und – wie gesagt – man riecht hinterher nicht. Wenn man sich zusammenreisst. Aber wer tut das schon?

[tags]Kochen, Huhn, Knoblauch, reines Manna[/tags]

Tschüß, Siebeck!

Zu Wolfram Siebeck habe ich immer aufgeblickt. Ich bewunderte den galligen Humor, mit dem er seine Gastro-Kritiken schrieb und den Deutschen wegen ihrer „Plumpsküche“ (herrliche Wortschöpfung) nimmermüde die Leviten las. Mein allererstes selbstgekauftes Kochbuch war von ihm, die Kochschule für Anspruchsvolle, und jahrelang hab ich die Zeit nur wegen Siebeck (und dem Kreuzworträtsel) gekauft. Insbesondere Siebecks Sommerseminare waren früher (80er/90er Jahre) echte Koch-Kracher. Solide und vor allen Dingen einfach zu kochende Gerichte, die gar nicht schief gehen konnten, wenn man beim Einkauf auf die Qualität der Produkte achtete. Ein paar von den Rezepten koche ich heute noch regelmäßig.
Aber wenn ich mir angucke, was Siebeck in seinem derzeitigen Sommerseminar in der Zeit verzapft, dreht sich mir das Hechtklößchen im Magen um: Der Altmeister betreibt lustlosen Etikettenschwindel, wenn er behauptet, die „Geheimnisse der einfachen Küche“ zu verraten. Was soll denn an einer Vinaigrette aus Essig, Olivenöl, Salz, Pfeffer und Senf geheimnisvoll sein? Wo ist bei einem Kartoffelpüree aus weichgekochten Kartoffeln, Milch, Butter und Muskatnuss der Trick, der diese bodenständige Beilage zur Delikatesse adelt? Auch die geheime Zutat zu seiner unvergleichlichen Hühnerbrühe verschweigt Siebeck: Einfach ein Suppenhuhn mit Suppengemüse stundenlang kochen genügt, behauptet der vermeintliche Geheimnisträger.
Was ein Jammer! Denn gerade in der einfachen Küche gibt es immer wieder wahre Schätze zu heben. Auf einen solchen bin ich unlängst bei den Rezepten von Frau Kaltmamsell gestoßen, die diese makellose Perle von Ihrer Tante hat: Ordentlich Olivenöl in den Topf, Knoblauch, Dose kleingeschredderte Pelati und etwas Rosmarin dazu, einköcheln lassen, salzen und pfeffern, dann pro Nase eine Scheibe Rindsroulade dazu, eine Stunde sachte köcheln lassen, paar Streifen rote Paprikaschote dazu, noch 5 Minuten weiterköcheln und fertig. Bei der verehrten Frau Tante gibt’s Reis dazu, ich hab beim ersten Versuch gebratenen grünen Spargel gemacht, geht auch. Geknofelter Blattspinat ist ebenfalls keine schlechte Idee.

Rouladenscheiben in Tomatensauce

Total simpel, aber trotzdem ganz großes Tennis. Wie der frühe Siebeck. Ach ja.

[tags]Siebeck, Kaltmamsell, Tante, Kochen, italienisch, Rindfleisch, Tomate[/tags]