Der Bratwurstritter

Von einer ganz, ganz großen Delikatesse ist die Rede: von der Bratwurst. Bevor ich jetzt zum Wahnsinnigen erklärt werde: mit Bratwurst meine ich natürlich nicht das, was in 99 Prozent alles Imbissbuden des deutschsprachigen Raums als „Bratwurst“ bezeichnet wird. Ein Verwendungszweck für diese fett-triefenden Holzkohlen-Brennstäbe, die dort verkauft werden, muss noch gefunden werden, denn Essen kann man derlei Zeugs sicherlich nicht, es sei denn, man erwägt die Eröffnung einer eigenen Sodbrennerei oder möchte seinen Gaumen mal wieder so richtig abhärten.
Insbesondere Berlin konnte ich bis vor wenigen Tagen nur als Bratwurst-Diaspora bezeichnen. Das, was in den Vitrinen selbst renommierter Berliner Fleischer lag und liegt, treibt jemandem, der mit den unvergleichlichen frischen, ungebrühten Bratwürsten Nordhessens großgeworden ist und seine erste solche auf einem traditionellen Schlachtekohl angemessen bekam, Tränen des Zorns und der Verzweiflung in die Augen. Doch damit ist jetzt Schluss.
Ein Ritter in schimmernder Rüstung hat die Berliner Wurst-Dämonen besiegt und bietet jetzt Berlins beste Bratwurst an, und zwar so, wie es sich für eine richtige Bratwurst gehört: frisch, grob und ungebrüht. Der Mann hinter der Wurst ist natürlich niemand anderes als der hier in der Netzecke schon mehrfach mit Ehrfurcht erwähnte Fleischer Marcus Benser, der Neuköllner Protein-Papst, den viele wegen seiner mehrfach preisgekrönten Hausspezialität auch als Blutwurstritter kennen. Nun, ab sofort ist er auch noch der Bratwurstritter, denn das, was da als „frische, ungebrühte Bratwurst“ bei ihm über den Tresen geht, ist schlicht und einfach eine der größten Delikatessen, die man für kleiens Geld in Berlin zu kaufen bekommt.
Mir schmeckt die ritterliche Bratleiste zur Zeit mit einer Art burgenländischem Kohlrabigemüse am besten, das ich mit dem Bratensatz der Bratwurst auf Höchstleistung tune.

Pro Nase 2 grobe, ungebrühte Bratwürste, 2 kleine oder 1 großen Kohlrabi, geschält und gewürfelt, 1 kleine Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, Tomatenmark, Paprikapulver (scharf und/oder edelsüß, nach Gusto), 1 Tomate, etwas Weißwein, 1 Esslöffel saure Sahne.
Die Bratwürste einstechen, eine Eisenpfanne auf mittlere Hitze bringen und die Bratwürste einlegen. Langsam (!) gar braten, dabei gelegentlich wenden. In einer zweiten Pfanne kleingehackte Zwiebeln und Knoblauch in etwas Butter angehen lassen, Kohlrabiwürfel dazugeben, großzügig Paprikapulver und etwa 1 Esslöffel Tomatenmark zugeben, kurz durchdünsten und mit wenig Weißwein oder Brühe ablöschen, entkernte kleingeschnittene Tomate zugeben, auf kleiner Hitze garziehen lassen. Wenn die Bratwürste fertig sind (15-20 Minuten), dieselben aus der Pfanne nehmen, das ausgetretene Fett wegschütten, den Bratensaft mit ganz wenig Wasser ablöschen und unter das Kohlrabigemüse rühren. Saure Sahne auf den Tisch stellen, davon ein Löffelchen unter das Gemüse rühren und reinhauen.

Bratwurst mit Kohlrabi

Mahlzeit!

[tags]Bratwurst, frisch, Benser, Kochen[/tags]

Fress leider nur Privatica

Heute steigt bei Fressack die FressPublica, ein Treffen von Menschen, die sich in ihren Blogs vorwiegend oder auch – wie ich – gelegentlich mit Kochen und dem anhängenden Gedöns beschäftigen. Die meisten, ach, Quatsch, alle dieser lieben Menschen (wer gern und gut kocht, kann kein langweiliger Mensch sein) hätte ich rasend gern kennengelernt, aber mir ist wieder einmal der Beruf quer zwischen die Freizeitplanung gefahren. Bis eben musste ich heute arbeiten… jetzt tafeln sie schon ohne mich.
Statt die mitgebrachten  Gustostückerl der Foodblogger zu kosten, Fressacks hessische Spezialitäten zu goutieren und eine Riesenbresche in seine legendäre Schnapskarte zu schlagen, muss ich mich mit diesem Abendbrot begnügen:
Mein AbendessenIch bitte die Unschärfe der Aufnahme zu entschuldigen, die liegt an den Tränen, die mir aus den Augen schießen, wenn ich an die fröhlich tafelnden Kollegen denke, denen ich so gern zugehört hätte. Ich grüß euch alle. Lasst es euch gutgehen, ihr habt es euch verdient.
[tags]Kochen, FressPublica, Foodblogs[/tags]

Die Bolognese von Marios Mamma – Geschichte, Rezept und FAQ

Als Kind habe ich die Bolognese meiner Mutter schätzen und lieben gelernt. Es war – wie sollte es damals in der kulinarischen Diaspora Nordhessen auch anders sein – eine simple Sauce aus Hackfleisch und Tomatenmark, vermutlich mit etwas Zwiebel und Knoblauch, und da meine Mutter eine Künstlerin im Bereich Abschmecken war, mundete diese Sauce mir ganz ausgezeichnet.
Als ich in München zu studieren begann, bekam ich jedoch eine Bolognese auf den Teller, die mir mit dem ersten Bissen klarmachte, dass die Variante meiner Mutter zwar lecker, aber keinesfalls das Maß aller Dinge war. Wenn ich mich recht entsinne, hieß der Italiener Mario (Die Siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts waren eine verwirrende Zeit, und in München gab es damals verwirrend viele italienische Restaurants, die alle von Marios geführt wurden). Jedenfalls. das, was dieser Mario auf seine Spaghetti kippte, hatte mit dem, was meine Mutter auf den Tisch stellte, nur den Namen gemeinsam. Und dass es ausgezeichnet schmeckte. Aber es war ein vollkommen anderes Gericht.
Nach einer Viertelstunde hatte ich Marios Bolognese verputzt und mir ein Ziel gesetzt: Das wollte ich auch kochen können. Also fragte ich Mario nach dem Rezept, und er rückte es – natürlich – nicht heraus. „Habe ich verspreche müsse Mamma, nich zu verraten. Du komme zu Mario, du essen hier Bolognese wie von Marios Mamma. Punkt. Nix zu Hause kochen!“
Klare Ansage. Also musste ich selber hinter Kniffe und Zutaten von Marios Mamma kommen. Was als Kochanfänger gar nicht so einfach war. Okay, das Speck drin war, hatte ich sofort geschmeckt. Also bei der nächstbesten Gelegenheit Speck zur Bolognese meiner Mutter gegeben… nicht schlecht. Noch nicht annähernd perfekt, aber immerhin, ein Anfang war gemacht. Das nächste Aha-Erlebnis hatte ich, als ich beim Herstellen von Semmelknödeln mit Schwammerlsauce zum ersten Mal in meinem Leben getrocknete Steinpilze verarbeitete und kostete: Die kannte auch Marios Mamma! Das nächste Puzzleteilchen war gefunden.
An meiner Kopie der Bolognese von Marios Mamma arbeitete ich jahrelang. Wie hätte ich erahnen können, dass sie auf Schweinehack verzichtete und Salsiccia Fresca in die Pfanne drückte? Erst als ich die Dinger während einer Italienreise kennenlernte, ging mir dieser Seifensieder auf.
Nach 4, 5 Jahren war ich dann fast soweit. Mittlerweile war ich von München nach Berlin gezogen, der Geschmack der Vorlage war nur noch Erinnerung, aber ich hatte nicht aufgegeben, mich durch allerlei Kochbücher gewälzt, meine Version immer wieder einem Feintuning unterzogen… sie war jetzt ganz dicht am Original. Aber eben nicht dran. Etwas fehlte noch. Eine kleine, aber entscheidende Geschmackskomponente, die meiner Bolognese die Fülle und den Körper des Originals verleihen sollte… was konnte das sein, verdammt noch mal? Ich war ratlos.
Wie fast immer in meinem Leben war es die geduldigste, beste Gemahlin von allen, die dieses Problem für mich löste. Zum Geburtstag (damals noch einer mit einer erfreulich niedrigen Zahl) schenkte sie mir die Mutter aller italienischen Kochbücher: Cucina Italiana. Das große Buch der Italienischen Küche. Accademia Italiana della Cucina (mittlerweile skandalöserweise vergriffen). Natürlich blätterte ich sofort zum Bolognese-Rezept, überflog die Zutaten, alles klar, hatte ich drin, hatte ich drin… Moooooooment. Geflügelleber. Geflügelleber! GEFLÜGELLEBER!
Noch bevor ich diese Variante ausprobiert hatte, wusste ich, dass ich am Ziel war. Die Geflügelleber war das letzte fehlende Puzzleteil, der Punkt unter dem Ausrufezeichen, das Dopingmittel, das meine Bolognese über die Ziellinie tragen würde: Ich war bei Marios Mamma angekommen.

halb fertig

Rezept (für 4):

1 bis 2 Zwiebeln, mindestens 2 Zehen Knoblauch, 1 Möhre, 1 Stange Sellerie, ca. 30g getrocknete Steinpilze, 350 g Hackfleisch vom Rind (nicht zu mager), 2 bis 4 Stück (je nach Größe) Salsiccia Fresca, ein Stück (50 bis 100g) mageren Räucherspeck, vorzugsweise Pancetta (auf keinen Fall deutsches Supermarkt-Bauchfleisch, das schiebt die Bolognese geschmacklich Richtung Linsensuppe), eine Handvoll Putenleber, 4 große Tomaten, ein großes Glas Chianti, ein guter halber Liter selbstgemachte Tomatensauce (Zwiebelchen und Knoblauch in Olivenöl anschwitzen, große Dose Tomaten mit Saft dazu, halbe Stunde kochen lassen, Salz, Rotwein, Pfeffer, Zucker, wenn nicht tomatig genug, mit Tomatenmark nachbessern), Salz, Pfeffer, getrocknete Chili (1 bis 2), Olivenöl, Petersilie.

Steinpilze in heißem Wasser einweichen, ausdrücken (Einweichwasser aufheben), zusammen mit dem Gemüse und dem Speck so fein wie möglich schneiden. In reichlich Olivenöl anschwitzen, dann zuerst das Hackfleisch dazugeben und anbraten, bis braun & bröselig. Währenddessen die Salsiccie entpellen, gegebenenfalls kleinschneiden und ebenfalls anbraten. Schließlich die Putenleber so fein wie möglich hacken oder durch den Fleischwolf drehen, kurz mitdünsten und dann mit einem großen Glas Chianti ablöschen. Wenn der Wein komplett verkocht ist, salzen, pfeffern, die zerbröselten Chili-Schoten und die geschälten, gehäuteten und entkernten Tomaten dazu geben und nun schöpfkellenweise erst das Pilzwasser, dann die Tomatensauce zugeben und immer wieder einköcheln lassen. Also praktisch wie ein Risotto zubereiten, bloß mit Fleisch statt Reis. Die Bolognese auf diese Weise mindestens 3 Stunden (ja, drei) köcheln bzw. einköcheln lassen. Sollte die Tomatensauce vor Ende der Schmorzeit verbraucht sein, weiteren Wein angießen. Am Schluß noch ‘ne Handvoll Petersilie unterrühren, mit passenden Nudeln vermischen und bei Tisch Olivenöl und Parmesan oder Pecorino dazu geben. Mahlzeit!

Fertig

Bolognese-FAQ

Frage: Geht das nicht einfacher?
Antwort: Natürlich geht das einfacher. Es schmeckt dann aber anders. Und lange nicht so gut.

Frage: Kann ich die Bolognese auch im Schnellkochtopf machen?
Antwort: Natürlich. Wahrscheinlich wird sie dann aber anders und lange nicht so gut schmecken. Genau kann ich das nicht sagen, ich hab keinen Schnellkochtopf.

Frage: Kann man die ganze Flüssigkeit nicht in einem Schwupp zugeben und dann langsam einköcheln lassen?
Antwort: Kann man. Die Bolognese schmeckt dann aber deutlich „schmaler“, weniger körperreich. Die Sauce bekommt ein ganz anderes Fundament, wenn man die Flüssigkeit nach und nach dazu gibt. Keine Ahnung, wieso.

Frage: Ich hab ein Rezept, in dem das angebratene Fleisch mit Milch abgelöscht wird. Warum machst du das nicht?
Antwort: Hab ich einmal probiert. Sagt mir nicht so zu. Erstaunlicherweise schmeckt nach der langen Schmurgelzeit das Milchfett ziemlich deutlich vor.

Frage: Nu mal Spaß beiseite, das muss doch irgendwie schneller gehen, oder?
Antwort: Ich koch die Bolognese so seit über zwanzig Jahren. Ich koch sie nur ein, zweimal im Jahr, eben weil es so lange dauert und ich meist die Zeit nicht hab. Ich würde sie viel öfter machen, wenn ich wüsste, wie es schneller geht. Ich weiß es aber nicht.

Frage: Ich kann Leber (Speck, Pilze) überhaupt nicht ab. Was passiert, wenn ich die weglasse?
Antwort: Der Geschmack der Sauce verändert sich. Wird unrund. Wenn irgendmöglich, trotzdem mit Leber probieren. Ich hab meine Bolognese schon Leberverächtern, Steinpilzhassern und Menschen, die an Speck-Phobien leiden vorgesetzt, und alle haben Sie mit großem Genuss verspeist. Die fertige Bolognese schmeckt weder nach Leber, noch nach Steinpilzen, noch nach Speck. Das ist das Geheimnis dieser langen Schmorzeit, nach zwei Stunden verschmelzen die Aromen der verschiedenen Zutaten, und es entsteht ein ganz eigener Geschmack…

Frage: Unmöglich, in meiner Gegend an diese Salsidingsbums-Würste zu kommen. Wie ersetz ich die?
Antwort: Die sind leider nicht zu ersetzen. In allerhöchster Not kann man ein oder zwei gute (!) Thüringer aus dem Darm drücken und mit ordentlich Rosmarin als Salsiccie maskieren.

In der Schüssel

[tags]Kochen, Italien, Bolognese, Pasta[/tags]

Der Nudelhammer

Manche Koch-Trends krieg ich nur mit Verspätung mit. Ich hab vor ein paar Jahren aufgehört, Fresszeitschriften zu lesen, weil mir die meisten Rezepte zu fisselig wurden und ich eh meist frei Schnauze koche. Deshalb hab ich wohl diesen ganzen Pastasottokram verpennt oder nicht mitgekriegt, oder was. Gestern hab ich’s zum ersten Mal ausprobiert. Also Nudeln nicht in Wasser kochen, sondern so ’ne Handvoll Nudeln pro Nase (100 g vielleicht) nehmen, mit ’ner Schalotte in Olivenöl auf mittlerer Hitze unter Rühren anbraten, mit Hühnerbrühe ablöschen (so 200 ml auf 100 g Nudeln dürften hinkommen) und köcheln lassen, bis die Nudeln die Flüssigkeit aufgenommen haben und noch Biss haben. Dann noch ein bißchen Parmesan untergerührt…

Pastasotto

Das rockt! Eine echte Bereicherung des Pasta-Repertoires, und das war ja erst die Simpel-Variante. Ich hab schon ein paar ganz verwegene Ideen, unter anderem eine süße Variante, bei der man die Nudeln mit Apfelstücken anbrät, mit ordentlich Apfelwein (das wird Fressack freuen) und einem Schuß Sahne ablöscht, bißchen Zimt, vielleicht noch ein paar Rosinen dazu, garen lassen und dann mit Vanilleeis… Nuja, wenn das nächste Mal Gäste kommen, weiß ich, was es zum Dessert gibt.

[tags]Pasta, Pastasotto, Kochen [/tags]

Pasta-Bohnen-Gedöns

Aus irgendwelchen Gründen hatten wir am Sonnabend weder Bock noch Zeit, groß Einkaufen zu gehen. Deshalb war auch nix zu Essen im Haus, als ich Sonntag Abend zu kochen anfing. Nu, nix zu Essen im Haus ist natürlich stark übertrieben. Soll heißen: Nix außer den üblichen Verdächtigen Vorräten, aus denen ich dann so ’n Pasta-Bohnen-Gedöns improvisiert hab.
500g Spaghetti, 4 kleine, frische Salsiccie, 1 Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 3 getrocknete Tomaten, 1 kleine Büchse San-Marzano-Tomaten, 1 kleines Glas Borlotti-Bohnen, Tomatenmark, getrocknete Chilischoten, 1 Glas Rotwein, Olivenöl, Salz, Pfeffer.
Die Salsiccie pellen, kleinschneiden und in Olivenöl anbraten. Kleingeschnittene Zwiebel, Knoblauch, Tomatenmark und getrocknete Tomaten dazu, anschwitzen und mit dem Rotwein ablöschen. Wenn der Rotwein fasst verkocht ist, Tomaten samt Saft dazugeben, Chili nach Geschmack, salzen, pfeffern, Hitze runterdrehen und das Nudelwasser aufsetzen. Wenn das Nudelwasser kocht, Bohnen (abgegossen, abgespült) in die Sauce und Spaghetti ins Wasser geben. Wenn die Spaghetti knapp gar sind, abgießen, in den Saucentopf geben und gut mit der Sauce vermischen. Bei Tisch noch Parmesan und Olivenöl drangeben.

Pasta-Bohnen-Gedöns
War für improvisiert erstaunlich gut. Mach ich wohl bald nochmal.
[tags]Pasta, Tomaten, Bohnen, Kochen[/tags]

Leicht und gesund

Nach Weihnachten hat man die Nase voll von schwerem, fettigen Essen, von üppigen, mächtigen Fleischgerichten. Die Vorfreude auf den Frühling beginnt, es gelüstet einen nach leichten, frischen Salaten und Gemüsegerichten. Ein frisches, sanftes Gurkentomatengemüse ist genau das richtige für einen verregneten Januartag. Pro Nase benötigt man eine gute halbe Salatgurke (noch besser: Schmorgurke), geschält und entkernt, drei Tomaten, geviertelt und ebenfalls entkernt, weil das Gemüse sonst zu suppig wird. Perfektionisten schälen die Tomaten auch noch, aber dazu bin ich zu faul. Und so lange sind die Tomätchen auch nicht in der Pfanne, dass die Haut sich ablösen und unappetitlich herumfladdeln könnte. Bisschen Zwiebel und Knoblauch noch schälen und feinhacken, dann geht’s los. Zwiebel und knoblauch in Butter glasig schwitzen, Tomaten und Gurkenstückchen dazu, warmschwenken, und dann einen kleinen Schuss Sahne dazu. Bißchen einköcheln lassen, dass die Sahne cremig wird, Salz, Pfeffer, Schnittlauch, fertig. Das ist so leicht, das ist so gesund, da macht vegetarische Ernährung Spaß, weil man das Fleisch überhaupt nicht vermißt.
Leicht und gesund
Wie jetzt allerdings die gebratene Entenbrust mit auf Teller und Foto geraten ist, dafür habe ich keine Erklärung. Da muss mir jemand einen ganz üblen Streich gespielt haben. Ich bin erschüttert.
[tags]Kochen, Gurke, Tomate, Sahne, Gemüse[/tags]

Mensa, Jus und Steckerlfisch – Wie ich zu kochen anfing

Ich wußte wirklich nicht, wie gut meine Mutter kochen konnte. Was sie allmittäglich vor mich auf den Tisch stellte, hielt ich für normale, akzeptable Hausmannskost. Was es letztlich auch wahr, aber zubereitet von einer Meisterin ihres Fachs, die würzen und abschmecken konnte wie keine zweite und alles, aber auch wirklich alles tat, damit es ihren Kindern schmeckte. Ich hielt die Grüße aus dem Schlaraffenland, die sie jeden Tag aus der Küche auf den Tisch trug, für ganz normales Essen.
Ich hatte „schlechtes Essen“ einfach nicht auf meinem Radarschirm, und deshalb wusste ich auch nicht, was meine Mutter mit ihrem öfters ausgerufenen Seufzer „Der Junge ist gestraft mit seiner anspruchsvollen Zunge!“ meinte, wenn ich mich mal wieder über komisch schmeckende Milch (wurde am nächsten Tag sauer) oder Fleisch von merkwürdiger Konsistenz (entstammte der Tiefkühltruhe) und ähnliches beschwerte.
Als sich nun der Tag näherte, da ich den mütterlichen Haushalt verlassen musste, um in München ein Studium zu beginnen, fragte meine Mutter mich eines Tages, ob sie mir nicht die Grundbegriffe des Kochens beibringen solle. Entrüstet wies ich derartiges von mir: „Es gibt ja eine Mensa an der Uni, da kann ich zum Mittag essen.“ Sie sah mich lange an. „Ausgerechnet du willst in der Mensa essen?“ – „Ja, warum denn nicht? Ich bin doch nun wirklich ein unkomplizierter Esser!“
Sie hatte so eine Art, mich anzugucken, wenn ich gerade im Brustton der Überzeugung etwas gesagt hatte, was sie mit ihrem Weltbild nun gar nicht in Einklang bringen konnte. Sie atmete dann immer ein, als wollte sie einen Satz beginnen, schwieg dann aber doch, sicherlich weil sie nicht „Ist der Junge jetzt endgültig verrückt geworden?“ sagen wollte. Sie sagte es auch diesmal nicht, schüttelte nur den Kopf und schwieg.
Wochen später zog ich denn nach München, und an einem meiner ersten Tage dort betrat ich frohgemut und mit knurrendem Magen die Mensa. Das Stammessen zwo war Steckerlfisch, also gegrillte Makrele, eine Spezialität von der ich einiges gehört hatte und die ich schon immer mal ausprobieren wollte. Ich erwarb also eine Essensmarke der Klasse zwo (wenn ich mich recht entsinne für zwei Mark dreißig) und hielt alsbald ein Tablett mit einem riesengroßen, goldbraun gegrillten Steckerlfisch in der Hand. Erfreut nahm ich Platz und genoss eine ganz ausgezeichnete Mahlzeit, die mir noch heute in bester Erinnerung ist.

Steckerlfisch
Abends rief ich meine Mutter an, um ihr von diesem schönen Erfolg der Münchner Mensa zu berichten. Ich hatte nicht nur mein Ernährungsproblem gelöst, sondern auch bestätigt, dass ich in Essensdingen tatsächlich pflegeleicht war. Meine Mutter schwieg lange. Erst, als ich fragte, ob sie noch am Telefon wäre, sagte sie leise etwas. Es klang wie „Wenn du meinst…“
Am nächsten Tag wusste ich, was sie meinte. Als ich vor einem unglaublich schmierigen braunen Schmadder, aus dem knorpelige Fleischstücke feindselig zwischen öligen Fettaugen herausragten, einer Schale mit körnig angerührtem Moltofill und einem ekelhaften grünen Flummi (Stammessen 1: Schweinsgulasch mit Reis, Götterspeise) saß und keinen Bissen herunterbrachte, obwohl mein Magen knurrte wie die überforderte Endstufe eines Motörhead-Verstärkers, wurden mir schlagartig drei Dinge klar:
1. Meine Mutter war die beste Köchin der Welt, das Essen, was sie zu kochen pflegte, war alles andere als normal.
2. Ich war vielleicht doch etwas pingelig mit dem Essen.
3. In der Münchner Mensa können sie nur Steckerlfisch, sonst nix.
Am Abend rief ich meine Mutter an, leistete Abbitte und berichtete ihr von meinem Entschluss, die Mensa nur noch aufzusuchen, wenn dort Steckerlfisch im Angebot wäre. Argwöhnisch fragte sie, wie ich mich in Zukunft zu ernähren gedächte. „Ich koch eben selbst!“ verkündete ich. Irgendetwas hinzubekommen, dass essbarer war als der verknorpelte Örks aus der Mensa sollte doch machbar sein. Besorgt machte meine Mutter mich darauf aufmerksam, dass ich keinerlei Ahnung von irgendwelchen grundlegenden küchentechnischen Abläufen hätte. Ich verwies umgehend auf meine jüngst erworbene Meisterschaft im Braten von Spiegeleiern und erklärte ihr: „Dann kauf ich mir eben ein Kochbuch. Da steht ja dann alles drin. So schwer kann das auch nicht sein.“ Sie schwieg ein wenig, dann redeten wir über andere Dinge.
Am nächsten Tag gab es in der Mensa keinen Steckerlfisch. Also mied ich diesen Ort kulinarischer Verheerung und suchte stattdessen den benachbarten Buchdiscounter montanus auf, um ein Kochbuch zu erwerben. Leicht ratlos stand ich vor der Vielfalt des Angebots, bis mir der Standardsatz meiner Mutter einfiel: „…gestraft mit seiner anspruchsvollen Zunge!“ Na, da war doch haargenau das, was ich suchte! Ich kaufte mein erstes Kochbuch sowie – natürlich in einem anderen Geschäft – eine Leberkäs-Semmel, setzte mich in die Herbstsonne und begann zu lesen.
Interessant. Einleuchtend. Und wohl doch etwas komplizierter, als ich es mir gedacht habe. Aber – ich hatte es immer gewusst – machbar. Ich entschied mich, nicht nur die Mensa sondern auch die nachmittägliche Vorlesung zu meiden, suchte stattdessen noch einmal den Fleischer auf, bei dem ich die Leberkäs-Semmel erstanden hatte, ging anschließend in einen Supermarkt und dann in mein Einzimmerwohnklo und begann zu kochen. Zum ersten Mal in meinem Leben! Am Abend rief ich meine Mutter an.
„Ich habe mir ein Kochbuch gekauft und gleich etwas gekocht! Hat ganz gut geklappt“
„So. Was denn?“
„Einen Kalbsjus!“
„Du hast was gekocht?“
„Einen Kalbsjus. Dafür brät man Kalbsknochen an und kocht…“
„Großer Gott, Junge… Warum um alles in der Welt hast du einen Kalbsjus gekocht?“
„Den braucht man für gescheite Saucen. Steht so in dem Kochbuch, dass ich mir gekauft habe.“
„Was für ein Kochbuch hast du dir um Himmelswillen gekauft?“
„Kochschule für Anspruchsvolle, von einem gewissen Wolfram Siebeck. Ich dachte, damit mach ich nix verkehrt….“
Meine Mutter schwieg. Nach einer Weile fragte sie: „Hast du deinen Kalbsjus auch gegessen?“
„Natürlich nicht. Aber ich hab jetzt einen Mordshunger. Ich geh jetzt schnell um die Ecke und ess ’ne Pizza.“
Meine Mutter schwieg lange. Das Dröhnen dieses Schweigens habe ich heute noch im Ohr.

Ich bedanke mich beim Mittagesser Sebastian, dessen Eintrag über die Münchner Mensa mich an meine eigenen Basics erinnert hat.
[tags]Mensa, Kochen, Erinnerung, Steckerlfisch, Siebeck, Kalbsjus[/tags]