Splitterbrötchen (CLXVI)

Der Traum vom Leben wie im Kino endet meist im Leben mit einer Programmzeitschrift.

Eier in Senfsauce feiern derzeit ein etwas überraschendes Comeback.

Einmal mehr kann ich mich nicht entscheiden, was irrsinniger ist: das Wort „Bildungsgutschein“ an sich oder das dahinter stehende vollkommen wirklichkeitsferne Konzept.

Schon dem dritten jungen Supermarktangestellten begegnet, der an der Kasse saß und die Obst- und Gemüsesorten nicht identifizieren konnte, die er da über die Scannerkasse ziehen sollte.

Splitterbrötchen (CLXV)

“Erschaffe ein Königreich und knechte andere mit deiner Streitmacht! Sei kein Feigling, sei dabei!“ las ich in einer Anzeige für das “erste ECHTE Facebook-Spiel“. Wirklich das “erste ECHTE“? Dieses Spiel scheint mir seit ein paar tausend Jahren sehr populär zu sein. Auch in ECHT.

Das iPhone scheint mehr und mehr zu einem Gadget für hektisch darauf herumwischende Hausfrauen zu werden. Vermutlich suchen Sie vermittels einer App nach der nächstgelegenen Raucherecke.

Den Satz der Woche prägte BoardsofHamburg auf Twitter: „Jedesmal, wenn ein Journalist über Özils Tor ‚was für eine Story‘ sagt, verliert Bob Woodward einen Hoden.“

Die CDU verursacht verlässlich grundlegende Veränderungen der Parteienlandschaft, in dem sie versucht, technischen Fortschritt, den sie für erstrebenswert hält, in Bürger hineinzuprügeln, die das anders sehen. Vor 30 Jahren sorgte sie so für die Gründung der Grünen. Heute könnte sie mit der gleichen Maßnahme mindestens das Ende der FDP eingeläutet haben.

Ich plädiere für die Einführung eines „Tags der Gegenwehr“. An (mindestens) einem Tag im Jahr sollte man jedem, der öffentlich sagt oder singt, dass er „mitten im Leben“ steht, straffrei eine runterhauen dürfen.

Viele gute Ratschläge erreichen die Menschen, für die sie bestimmt sind, einfach dadurch nicht, dass man sie ihnen sagt.

Splitterbrötchen (CLXIV)

Filbinger und Konsorten haben es in den 70ern nicht kapiert, Merkel, Mappus und Konsorten kapieren es heute nicht. Es geht nur bedingt um Atomkraft oder einen Bahnhof oder sonstwas. In Wirklichkeit ist es der jeweils aktuelle Politikstil, der die Leute auf die Barrikaden bringt. Man konnte es ihnen damals nicht verdenken, man kann es heute nicht.

Wunderbares Zitat von Dylan Thomas entdeckt: „Ich werde den Verdacht nicht los, dass Abstinenzler die Sachen nicht mögen, auf die sie verzichten.“

Was für eine fantastische Zeit, die Worte wie „ebay-Kleinanzeigen-Facebook-App“ hervorbringt!

Die Frage der Woche: Wenn Politiker ziemlich genau zwanzig Jahre nach der Vereinigung beider deutscher Staaten friedliche Demonstranten niederknüppeln lassen… ist das mangelndes Geschichtsbewußtsein, staunenswerte Chuzpe oder sind die wirklich so doof, wie ich befürchte?

Sinnlose Antwort

Normalerweise macht man das ja nicht, auf Sätze antworten, die in einer Zeitung stehen. Oder gar auf einen einzigen Satz, der z. B. heute in der Zeitung steht. Ist ja auch irgendwie sinnlos, besonders, wenn die Erwiderung nur aus einem einzigen Wort mit einer einzigen Silbe besteht. Trotzdem habe ich das große Bedürfnis, auf einen Satz zu antworten, der heute im Tagesspiegel steht. Und deshalb mach ich das hier, in der Netzecke, weil die mir die Gelegenheit gibt, auch Sinnloses zu tun. Den Satz, den ich einsilbig erwidern möchte, schrieb Christine Wahl in die Kritik einer Dramatisierung der „Blechtrommel“ im Maxim Gorki Theater:

Und wenn sich die Schauspieler in der berühmten Romanszene, in der glitschige grüne Aale sich über einen toten Pferdekopf hermachen, mit grünen Fruchtgummischlangen bewerfen, die sie vorher akribisch gekaut und eingespeichelt haben, dann hat das zweifellos Unterhaltungswert.

Nein.

Splitterbrötchen (CLXIII)

Beim Frühstück gelesen, dass Disney eine Romeo-und-Julia-Version mit Gartenzwergen plant. Zum erstenmal in meinem Leben vor halb acht morgens das Bedürfnis verspürt, sofort einen Schnaps trinken zu müssen.

Erstaunlich, dass einige Blätter anlässlich des Töpperwien-Abschieds so etwas wie Wehmut zu produzieren versuchen. Es war doch wirklich schon lange genug.

Für den Satz der Woche ist Denis Scheck zu danken, der ihn heute im Tagesspiegel schrieb: „Ich glaube, die bildungsfernen Schichten in  Deutschland sitzen zur Zeit im Kanzleramt, im Schloss Bellevue und in der Bundesbank.“

Die Debatten mit dem höchsten Unterhaltungswert sind nicht unbedingt die, in denen die Debattierenden über ihr Thema gut Bescheid wissen. Es ist wie im Kindertheater: Wer den Mut hat, sich zum Kasper zu machen, bekommt sein Publikum.

Geht’s noch, Renate? Noch alles frisch, Antje?

Ich kann nicht sagen, dass ich Kurt Westergaard für einen brillanten Karikaturisten halte. Dazu sind mir die Zeichnungen, die ich von ihm kenne, ein bisschen zu grobschlächtig, ein bisschen zu eindeutig, aber das ist wurschtegal, ich bewundere diesen Mann, für den das Wort „unbeugsam“ hätte erfunden werden müssen, wenn es das nicht schon gegeben hätte. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Freiheit der Kunst… dafür steht Kurt Westergaard ein, und sein Name ist mittlerweile ein Synonym für diese Tugenden.geworden Wer „Freiheit“ sagt, meint Kurt Westergaard. Punkt. Keine Diskussion.

Auch Frau Merkel halte ich durchaus nicht für eine brillante Kanzlerin. Eher  im Gegenteil. Aber die Worte, die sie fand, als sie bei der Verleihung eines Preises für Westergaard sprach, die… haben mir keine Bewunderung abgenötigt, nein, die waren eigentlich viel zu selbstverständlich für Bewunderung, aber ich habe „Gut gemacht, Frau Merkel!“ gedacht, als ich gelesen habe, was sie gesagt hat. Was ich nicht allzu oft gedacht habe, seit sie Kanzlerin ist, aber das nur nebenbei.

Ganz andere Dinge denke ich hingegen, wenn ich lese, was Renate Künast zu Frau Merkels Worten zu sagen hat:

 

Auf Skepsis stößt Merkels Auftritt auch bei den Grünen. „Ich hätte es nicht gemacht“, sagte Bundesfraktionschefin Renate Künast am Rand der Grünen-Fraktionsklausur in Mainz. Zwar herrsche Meinungsfreiheit auch in der Karikatur. „Aber wenn eine Bundeskanzlerin auch noch eine Rede dazu hält, verschärft sie den Ton.“

Der Beitrag von Antje Vollmer zum gleichen Thema treibt meinen Blutdruck ebenfalls in die Höhe:

 

„Ich halte es für unklug. Für eine Staatsfrau halte ich es für sehr unklug“

Liebe Antje, liebe Renate, diese von einem für mich unfassbaren Opportunismus befeuerte Ahnungslosigkeit, mit der ihr einen jahrhundertelangen Kampf für etwas, das sich seinerzeit „Aufklärung“ nannte, wegwischt, um nur ja nicht bei irgendwelchen islamistischen Hinterwäldlern anzuecken…

Kurz und knapp: ihr seid für Menschen, die mit Worten, Gedanken und Öffentlichkeit umgehen und auch ansonsten ihre fünf Sinne beisammen haben, nicht mehr wählbar. Das einzig Positive, was ich dem Quatsch, den ihr in diesem Zusammenhang erzählt, abgewinnen kann, ist: Mir ist dabei soviel Galle hochgekommen, dass ich nicht mehr Kotzen kann. Ist doch auch ein Erfolg.

Splitterbrötchen (CLXII)

Zynismus bei Politikern stört mich nur, wenn er so plump und unelegant vorgetragen wird wie von den Hanseln, die derzeit am Ruder sind.

Alice Cooper ist deutlich rasanter gealtert als Reinhard Mey.

Welche Unternehmensberatung hat Fa. Vodafone eingeredet, dass es vorteilhaft wäre, sich wie eine desorganisierte Drückerkolonne aufzuführen?

Verblüffend ist die Hartnäckigkeit, mit der Feuilletonjournalisten Harald Schmidt mit dem Autorenteam verwechseln, das für ihn schreibt.

Splitterbrötchen (CLXI)

Wenn man wichtig aussieht, es aber nicht ist… Ist das gut oder schlecht?

“Der Dingsbums-Notebook ist das Werk eines überlegenen Ethos“, lese ich staunend in einem Prospekt. Aufschlussreich, dass auch ein überlegener Ethos nichts anderes als zukünftigen Elektronikschrott zustande bringt.

Der Deutsche hat kein Talent fürs Normale, wohl aber für die Verallgemeinerung.

Splitterbrötchen (CLX)

Eine kleine Polit-Clique, die sich aufführt, als wäre die Macht im Staate ihr Privateigentum, glaubt, Menschen abschießen zu können, weil ihnen deren öffentlich vorgetragene Ansichten  nicht in den Kram passen. Kommt einem bekannt vor, nicht wahr? Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber zwanzig Jahre nach Mauerfall ist die DDR endlich in der BRD angekommen.

Fa. Google ist übrigens ganz bei Sarrazin. Wenn man nach „Zentralrat der Juden“ sucht, kommt eine Google-Kleinanzeige: „Juden: Sind Sie Jude? Genetische Herkunftsanalyse zeigt,ob Sie jüdische Wurzeln haben.“ Warum schweigt hierzu die Kanzlerin? Empfindet sie diese Anzeige als hilfreich?

Die Antwort der Woche gelang Henryk M. Broder auf die Frage, wie er sich fühle, wenn sich Deutschland wirklich abschaffen würde: „Sie finden wieder leichter einen Parkplatz am Kurfürstendamm.“

Und mit dem Augenblick der Woche beschenkte uns Reinhold Beckmann, der in die leere Kabine der deutschen Fußballnationalmannschaft schalten ließ, um Philipp Lahms Trikot zu übertragen. Gänsehaut. Fernsehgeschichte. Wahnsinn.

Splitterbrötchen (CLIX)

Den Spam-Betreff der Woche ließ sich Frau Tanja Fuchs einfallen: “Ihre Möhre ist zu klein“. Ich habe diese Nachricht sofort an meinen Gemüsehändler weitergeleitet.

Eine Problematik der Sarrazin-Debatte kann man bei Amazon begutachten. Derzeit kann man dort 19 Rezensionen des Buchs lesen. Ab morgen können die Rezensenten dann endlich auch das Buch lesen.

Immer wieder erstaunlich: Wieviel Spaß es schlechten Kellnern macht, ihre Gäste schlecht zu behandeln.

Und nochmal Sarrazin: Originell finde ich, wie viele Menschen fordern, dass er wegen seines Buchs als Bundesbanker nicht mehr tragbar ist und zurücktreten sollte. Wenn man diese Kausalkette konsequent zu Ende denkt, müsste jeder Klempner aufgefordert werden, seinen Laden dicht zu machen, wenn er am Stammtisch rassistischen Quatsch erzählt.