Seit die geduldigste Gemahlin von allen und ich vor dreißig Jahren unsere erste gemeinsame Wohnung bezogen haben, braten wir pro Jahr mindestens eine Gans. Weil wir gerne Gänsebraten essen, und weil wir liebe Freunde haben, die ebenso gerne Gänsebraten essen. Und manchmal braten wir auch noch die ein oder andere Gans zusätzlich, um mehr lieben Freunden (und uns, natürlich) eine Freude zu machen.
Da hatte sich natürlich  – nach gewissen Startschwierigkeiten – über die Jahre hinweg ein einigermaßen narrensicheres Gänsebratenrezept entwickelt, mit dem wir zahllose Erfolge feierten und das ich vor vier Jahren hier in der Netzecke vorgestellt habe. Gänsemäßig war also alles in Butter Gänseschmalz, wir hätten uns auf den Lorbeeren dieser Rezeptur bis an unser Lebensende ausruhen können…
Doch dann kam Paulsen. Herr Paulsen – auch als Stevan Paul bekannt – machte sich in seinem Blog „Nutriculinary“ vor drei Jahren auf die Suche nach der perfekten Weihnachtsgans, und setzte mir einen Floh ins Ohr die „Tante-Manni-Gans“ in den Bräter, eine nachgerade tollkühne Zubereitung, nach der die Gans einfach großzügig mit Salz eingerieben und bei 140 Grad im Ofen gebraten wird (1 Stunde pro Kilo). Einfach so, nix weiter. Letztes Jahr hab ich diese Gans fürs Männerblog nachgekocht und war begeistert: einmalige Knusprigkeit, klarer, reiner Gänsegeschmack, Weltklasse!
Aber: keine Füllung. Die Tante-Manni-Gans funktioniert nur, wenn man sie ohne Füllung zubereitet, und das brachte die lieben Freunde auf die Barrikaden, und auch die geduldigste Gemahlin von allen machte mir mit von stählernem Willen durchsetzter Sanftheit klar, dass sie gerne Füllung isst. Sehr gerne. Was tun? Grässliches Dilemma! Und der Termin für die erste Gans dieses Jahres rückte nah und näher…
Doch dann kam der wackere Paulsen wieder! Gerade noch rechtzeitig veröffentlichte er ein Update seiner Weihnachtsgans-Queste mit einer beinahe noch tollkühneren Rezeptur: Gans bei 180 Grad zwei Stunden lang anschieben, dann zweieinhalb Stunden bei 150 Grad fertig braten. Was natürlich Quatsch war. Das Biest sollte genauso lange wie die Tante-Manni-Gans in den Ofen, bei deutlich höherer Temperatur? Furztrockenes Fleisch und verbrannte Haut mussten die logische Folge sein, nicht mit mir!
Aber dieses Rezept sah eine Füllung vor. Und vielleicht war es Paulsen ja irgendwie gelungen, diabolisch die Gesetze von Küchenchemie und -physik außer Kraft zu setzen, und das ganze funktionierte doch? Ich fragte in den Kommentaren zu seinem Beitrag nach, er beschwor mich, Vertrauen zu haben, und ich setzte alles auf eine, seine Karte. Lediglich an der Füllung schrob ich etwas herum, sein Apfel-Zwiebel-Gemisch erschien mir etwas zu vegan und ich griff auf meine erprobte Hackfleischfüllung zurück, ansonsten hielt ich mich sklavisch an seine Rezeptur und hatte vorsichtshalber die Prospekte diverser Pizza-Bringdienste neben das Telefon gelegt, um unsere Gäste anderweitig beköstigen zu können, falls es doch schief ging. Doch dann holte ich das hier aus dem Ofen…
Trotz der langen Garzeit war das Fleisch nicht trocken, im Gegenteil, und die Haut erreichte beinahe die Knusprigkeit der „Tante-Manni-Variante“, ein absolut geniales Essen. „180/150“ bzw. die „Methode Paulsen“ ist hier ab sofort Standard. Wenn Gans mit Füllung gebraten wird. Wenn’s ohne Füllung sein darf, ist „Tante Manni“ vielleicht doch…
Aber ich bin ja schon still.
Ich bedanke mich bei Gabriele Helbig für das Foto.