Vor zwei oder drei Jahren las ich in irgendeinem vorweihnachtlichen Wartezimmer in irgendeiner seriösen Gesellschaftszeitschrift („Die Grüne Frau“ o.ä.), dass dem „italienischen Troubadour“ Al Bano ein trauriges Weihnachtsfest bevorstünde: Statt im Familien- oder Freundeskreis zu feiern, würde der Star sich in die Kapelle auf seinem Weingut begeben, um dort bittere Tränen der Einsamkeit zu vergießen.
Dieser Artikel hat mein Leben und meine Einstellung gegenüber dem Weihnachtsfest grundlegend verändert. Assoziierte ich früher mit diesem Fest lecker Plätzchen, Gänsebraten und geschmückte Tannenbäume, denke ich jetzt unwillkürlich an leicht rundliche Italo-Popper, die in zugigen Kapellen vor sich hinschniefen. Fragt mich jemand „Was macht ihr denn zu Weihnachten?“, antworte ich wie aus der Pistole geschossen: „Wir machen uns selbstverständlich Sorgen um Al Bano!“. Und jüngst habe ich mich sogar bei dem Gedanken ertappt, bei iTunes irgendeinen Al-Bano-Titel herunterzuladen, um dem Künstler mein Mitgefühl zu signalisieren.
Nicht nur aus finanziellen Gründen habe ich dann aber doch beschlossen, das Problem auf eine andere Weise anzugehen. Nachdem ich mehrfach aus dem erweiterten Bekanntenkreis von einem Mangel an „frischen, modernen Weihnachtsgedichten“ erfahren habe, habe ich kurzerhand selbst eins geschrieben und den verständlichen Weltschmerz Al Banos in den Mittelpunkt gestellt, um die Menschen zum Nachdenken zu bringen und einen besinnlichen Kontrapunkt zum Weihnachtskommerz zu schaffen.
Ursprünglich wollte ich das Gedicht zum Heiligabend veröffentlichen, habe mich aber entschlossen, es jetzt schon der Öffentlichkeit zu übergeben, damit die Kinder, die es vor dem Weihnachtsbaum aufsagen möchten, genügend Zeit zum Auswendiglernen haben.
Al Banos Weihnachten
Wenn Weihnachtstrubel tobt in allen Gassen,
Mag einer nicht das Kirchenschiff verlassen.
Al Bano ist‘s, der einsam wacht,
In dieser trauten, heiligen Nacht.
Er schaut bestürzt aufs Weltgeschehen,
Glaubt kaum, was seine Augen sehen,
Die Träne quillt aufs Seidenhemd,
Wie ist ihm diese Welt so fremd.
Wie kann ein Held mit zahlreichen Pokalen
Nur Stammgast sein in Bumslokalen?
Wie kommt ein Mann wie Tiger Woods
In diesen ganzen Porno-Schmutz?
Für Frau und Kinder, die bedröppelt gucken,
Genügte ihm ein Schulterzucken:
Der Tiger ist am mächtigsten allein!
Doch wo locht er am Heiligabend ein?
Auch bei den Kastelruther Spatzen
Hört Bano Weihnachtsträume platzen.
Trompeten-Walter weiß genau:
Ein Spanier klaute meine Frau!
Statt sattem Glühweinkorken-Knallen
Hört Al das Trübsal aus der Tröte schallen.
Die Frau beim Spanier ruft „Olè“!
Spatz Walter tut die Seele weh.
Wo sonst Schneeflocken leise rieseln
Sieht Al Jens Lehmann an die Bande pieseln,
Pam Anderson macht einen Dschinn,
Herr Ackermann Rekordgewinn.
Al Bano sitzt allein in der Kapelle,
Verdrückt ein Tränchen auf die Schnelle.
Er kennt sich nicht mehr ein und aus,
Die Welt, sie ist ein Irrenhaus!