Cincinnati-Kurt und der Pokerkönig

Was bisher geschah: Kurt Beck hat die SPD bei einer Chicago-Partie an Oskar Lafontaine verloren, der ihm jedoch eine Revanche im Online-Poker zugestanden hat. Nach der Hamburg Wahl schützte Beck deshalb eine Grippe vor, um ausgiebig trainieren zu können. Lafontaine war durchaus siegesgewiß, obwohl auch er mit gewissen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Mittlerweile hat der Showdown zwischen den beiden großen Männern der deutschen Linken stattgefunden… mit durchaus überraschendem Ausgang, wie dieses Gesprächsprotokoll beweist, dass der Netzecke über die üblichen Kanäle zugespielt worden ist:

Sonntag morgen, in der Dämmerung. Der Wind pfeift eiskalt durch Saarbrückens menschenleere Gassen. Die Stadt schläft, nur zwei Männer stehen auf der Straße, um die Ecke vom „Scharfen Eck“, vor einem Internet-Café, in dem gerade das Licht ausgemacht und der Rolladen hinuntergefahren werden. Ein kleiner, korpulenter Mann trinkt mit hastigen Schlücken aus einer Dornfelder-Flasche mit Schraubverschluss, der andere, ebenfalls von gedrungenem Körperbau, jedoch von größerem Wuchs rümpft nur die Nase, als der Kleine ihm einen Schluck anbietet.
„Du…“
„Bitte, Kurt, sag jetzt nicht ‚Dumm gelaufen!’“
„Woher weißt du denn, was ich sagen wollte, Oskar?“
„Weil du immer absolut banales, vorhersagbares Zeugs daher redest, Kurt.“
„Aber Berechenbarkeit und Verlässlichkeit sind doch sozialdemokratische Tugenden…“
„Mir wird übel.“
„Mir auch.“
„Das liegt an dem Zeugs, was du trinkst. Dornfelder…“
„Das liegt daran, dass ich heute die SPD ein zweites Mal verloren hab. Diesmal beim Online-Poker.“
„Sei nicht so wehleidig, Kurt. Was soll ich denn sagen. Auch ich habe gerade meine Partei verloren…“
„Nicht doch einen Schluck Dornfelder? Das ballert.“
„Die Versuchung ist groß, aber… nein, danke!“
„Selber schuld. Mein Gott, ich war mir so sicher, dass ich dich hatte.“
„Ich auch.“
„Ein blitzsauberes Fullhouse… Da musste ich All-In gehen.“
„Und ich hätte dich in der Tasche gehabt mit meinen 4 Assen…“
„Wer konnte denn ahnen, dass dieses Mädel einen Royal Flush auspackt.“
„Kreuz 10, Bube, Dame, König, As…“
„Da war meine Partei weg.“
„Und meine auch.“
„Wer ist die Dame überhaupt, der jetzt unsere Parteien gehören?“
„Nicole Klawuttke, 17 Jahre, aus dem Wedding in Berlin, von Beruf ebay-Powersellerin.“
„Oskar, die kenn ich! Die kenn ich! Die hat mich mit einem angeblich neuen Akku für mein Nokia übers Ohr gehauen…“
„Vergiß es, Kurt. Die ist dir über.“
„Moment mal… Du hattest 4 Asse, und Sie einen Royal Flush mit einem As… das geht doch gar nicht. Die hat mich schon wieder beschissen!“
„Äh… nicht ganz. Meine 4 Asse gingen auf einen ehemaligen Star-Programmierer aus dem Kreml zurück, der Gregor noch einen Gefallen schuldig war.“
„Ach so.“
„Nix für ungut, Kurt.“
„Schon gut, Oskar. Äh… weiß man schon, was die junge Dame mit unseren Parteien zu tun gedenkt?“
„Was wird sie schon mit ihnen machen? Sie wird sie bei ebay einstellen und an den Meistbietenden vertickern. Allein die Vorstellung, Jutta Ditfurth könnte die Linkspartei ersteigern… Kann ich vielleicht doch einen Schluck Dornfelder haben?“
„Sorry, Oskar, ich hab gerade Rest gemacht. Aber vorne ums Eck ist ’ne Tanke, die haben einen gepflegten 06er Bauernbrecher…“
„Lass gut sein, Kurt. Äh… wirst du mitbieten? Um die SPD?“
„Selbstverständlich. Allerdings fürchte ich, dass mein Kapital nicht reichen wird.“
„Wieviel hast du denn?“
„Nur noch die drei Bände von Marx.“
„Das wird in der Tat nicht reichen.“
„Wie sieht’s bei dir aus?“
„Vollkommene Ebbe in der Kasse.“
„Hast du eine Idee, wie wir bis zum Ende der Auktion unser Kapital etwas aufstocken können?“
„Kannst du singen?“
„Wieso das denn?“
„Casting Shows sind gerade der Renner. Da kann man ’ne müde Mark machen.“
„Wir sagen jetzt Euro, Oskar.“
„Auch recht.“
„Das sind doch Hirngespinste. Seien wir ehrlich: wir haben’s versiebt. Vielleicht wäre jetzt ein Abgang in Würde angesagt.“
„Du hast recht, Kurt. Dann war’s das. War… äh, nett mit dir, Kurt.“
„Mit dir auch, Oskar. Also… man sieht sich…“
„Ich hoffe nicht…“
„Ja, wenn du meinst. Dann soll’s das gewesen sein. Hm. Wie funktionieren eigentlich diese Casting Shows?“


Das Ende von „Cincinnati-Kurt und der Pokerkönig

aber Kurt Beck kehrt zurück in

Campino Royale

 


[tags]Beck, Lafontaine, SPD, Hintergrundbericht, Wortbruch, Ungeheuer![/tags]

Der Wortbruch – und die Gründe dafür

Die ganz große Abrechnung mit Kurt Beck sollte es werden, gestern, am Montag, auf der Präsidiums-Sitzung in Berlin. „Wir waren auf der Überholspur, und dann kam ein Lkw aus Mainz und hat alles plattgemacht.“, hatte Michael Naumann im Vorfeld geschimpft, und jedermann glaubte, dass Kurt Beck für seine abrupte Hinwendung zur „Linken“ gewaltig abgestraft werden würde. Doch es kam ganz anders: Solidarisch, ohne Widerworte und merkwürdig still schwenkten die SPD-Granden einmütig und durchaus kleinlaut auf den Kurs des SPD-Vorsitzenden um, der der Sitzung wg. einer angeblichen Grippe ferngeblieben war, aber einen Brief gesandt hatte, den Frank-Walter Steinmeier der Spitzengenossen vorlas.
Dieser Brief – eins der brisantesten Dokumente der deutschen Nachkriegsgeschichte – liegt mir vor und ich veröffentliche ihn nachfolgend im Wortlaut. Hier – weltexklusiv für treue Netzecken-Leser – sind die Hintergründe für Becks Wortbruch, seinen Kuschelkurs der „Linken“ gegenüber und das lastende, ja dröhnende Schweigen der anderen Genossen:

Liebe Genossen,
ich habe euch leider eine betrübliche Mitteilung zu machen. Am vorletzten Wochenende ist ein kleiner Ausflug nach Saarbrücken mit abendlichem Besuch des sozialdemokratischen Traditionslokals ‚Zum scharfen Eck‘ leider etwas außer Kontrolle geraten. Besonders, als nach 22 Uhr ein ehemaliger Vorsitzender der SPD (scheinbar?) zufällig im ’scharfen Eck‘ aufkreuzte, da gab ein Wort das andere, und manch würziger Tresterbrand war auch im Spiel… ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden, aber am Sonntag morgen ca. gegen 2 Uhr 30 hab ich beim Würfelspiel („Chicago scharf“) leider die sozialdemokratische Partei an Oskar Lafontaine verloren.
Bevor mir einer von euch Fahrlässigkeit vorwirft: Hätte Oskar verloren, hätte er umgehend ‚Die Linke‘ aufgelöst, und die Wahrscheinlichkeit, dass er drei Einser würfelt, lag bei 0,463 Prozent, das Risiko glaubte ich eingehen zu können, ja zu müssen.
Leider ist es anders gekommen, aber – und ich sage dass nicht, um euch zu beruhigen, liebe Genossen – es ist nicht ganz so schlimm, wie es sich anhört. Zwar gehört die Partei jetzt de facto Oskar Lafontaine, aber möglicherweise nur vorübergehend. Oskar hat sich als fairer Sportsmann erwiesen und mir Gelegenheit zur Revanche gegeben. Die wird in zwei Wochen stattfinden, und ich durfte mir sogar das Glücksspiel aussuchen, mit dem ich versuchen kann, die Sozialdemokratie zurückzugewinnen. Für diese Gelegenheit – und seine Bereitschaft, bis zur Revanche Stillschweigen über diese für mich sehr peinliche Angelegenheit zu wahren – möchte ich Oskar an dieser Stelle ausdrücklich danken.
Bis zum Rematch ist Oskar Lafontaine allerdings Eigentümer der SPD und damit natürlich hundertprozentig weisungsbefugt. Euch durfte jetzt klar sein, warum ich – für viele unverständlich – einen Linksruck der Partei und eine Zusammenarbeit mit der „Linken“ in Hessen betreiben musste. Jeder, der mich kennt, wird wissen, dass ich das niemals aus eigenem Antrieb getan hätte.
Jetzt müssen wir alles daran setzen, dass ich bei der anstehenden Revanche erfolgreicher bin und die SPD zurückgewinnen kann. Um Oskar auf unbekanntes Terrain zu locken, habe ich mich dafür entschieden, dass Rückspiel im Online-Poker auszutragen. Da ich in diesem Kartenspiel selbst nicht ganz firm bin, habe ich umgehend mit einem entsprechenden Training begonnen, dass ich auch für diese Präsidiumssitzung nicht unterbrechen möchte, deshalb wird euch der Genosse Steinmeier meine Worte vorlesen. Ich selbst habe mich unter dem Nick (das ist sowas wie ein Pseudonym) ‚Stachelmoppel1949‘ bei brutalopoker.de registriert und übe fleißig Texas Hold’em. Das Geld für meine Einsätze entnehme ich selbstverständlich nicht der Parteikasse sondern meiner Privatschatulle.
Jetzt dürfte jedem Genossen klar sein, um was es geht, was in den nächsten Wochen im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Spiele steht. Ich bitte euch alle um eure rückhaltlose Unterstützung, damit die SPD die berechenbare Partei bleibt, zu der wir sie gemacht haben, und nicht gewissenlosen Hasardeuren wie Oskar Lafontaine in die Hände fällt.
Mit solidarischem Gruß
Euer Kurt

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