Gelegentlich diskutiere ich mit Kochkumpelinen und Kochkumpels sogenannte schwierige Rezepte, also Gerichte, deren Zubereitung ungewöhnlich kompliziert ist oder großes küchentechnisches Geschick erfordert. Meist kommen wir dann auf irgendwelche Fieseligkeiten wie Wachtelpralinen. Oder Wickelgeschichten, wo man ein Stück Fleisch oder Fisch mit Farce und Schinkenscheibe und Aromaten und Zeugs in ein Wirsingblatt einrollen muss. Oder „Saumon Soufflé“, ein Star-Gericht des alten Haeberlin aus Illhaeusern. Da wird eine Lachs-Tranche mit einer Haube aus püriertem Hecht, Eiweiß und Sahne bedeckt, die dann im Ofen wie ein Soufflé aufzugehen hat. Und dann sind da ja noch die ganzen Terrinen und Pasteten mit ihrer ausgefuchsten Optik… die Dessert-Torten mit dreierlei Füllung … und dieser spanische Küchenfreak mit seinen Stickstoffklößchen…
Nun ja, mag ja alles schön schwierig sein. Für mich jedenfalls ist der Mount Everest der Küchentechnik, das Gericht, bei dem am meisten schiefgehen kann, das Omelette.
Das beginnt beim Einkauf (gescheite Freiland-Eier, die nach Ei schmecken, Süßrahmbutter mit Butteraroma… das ist oft nicht einfach zu finden) und geht mit dem Verkleppern der Eier (2 pro Omelette) weiter, für das ich die Gabel dem Schneebesen vorziehe. Hier geht es nämlich darum, den Punkt zu finden, an dem Eigelb und Eiweiß sich innig verbunden haben, dem Eiweiß aber noch nicht die Elastizität ausgeschlagen wurde, die für die typische Omelette-Konsistenz nötig ist. Das ist – finde ich – mit der Gabel leichter abzupassen. Den häufig zu findenden Tipp, einen Schuss Mineralwasser in die Eimasse zu geben, finde ich nicht hilfreich. Irgendwie geht mir die Konsistenz von Omelette mit Mineralwasser zu sehr Richtung Rührei. Ein Omelette macht man aus Eiern, Butter und einer Prise Salz, sonst nix.
Der nächste Stolperstein ist die Temperatur, bei der die verklepperten Eier in die Eisenpfanne gekippt werden. Ja, es muss die Eisenpfanne sein. Ich weiß letztendlich nicht warum, aber in der Eisenpfanne werden die Omelettes am besten (nicht nur die Omelettes, übrigens!). Also, Eisenpfanne auf den Gasherd, auf volle Pulle erhitzen, ein großzügig portioniertes Stück Süßrahmbutter, die wie gesagt noch nach Butter schmeckt, hineingeben, die Hitze etwas reduzieren und die Butter beim Schmelzen beobachten.
Wenn die Butter schäumt und gerade eben beginnt, braun zu werden, aber noch nicht braun ist, werden die geschlagenen, leicht gesalzenen Eier in die Pfanne gekippt. Man merkt sofort, ob man den richtigen Zeitpunkt erwischt hat. Wenn die Eimasse auf dem Pfannenboden sofort stockt, sich oben aber zu goldgelber, luftiger Leichtigkeit aufplustert, hat man begonnen, ein Omelette zu backen. Ansonsten kann man einen neuen Versuch starten oder muss sich mit einem Rührei begnügen.
Ist das Omelette einmal in der Pfanne, wird nicht mehr gerührt. Punkt. Auch wenn Bocuse in seinem Kochbuch die Eimasse mit dem Spatel durch die Gegend schaufeln möchte, das Rühren unterbleibt, weil es der Konsistenz der des Omelettes schadet. Jetzt arbeitet man nur noch mit dem Anpassen der Temperatur (Besitzer eines konventionellen E-Herdes haben ganz schlechte Karten) und einem möglichen Schwenken der Pfanne, falls sich zuviel Eischleim auf dem Omelette befindet, der nicht stocken würde, bevor das Omelette unten braun wird. Das ist der nächste Knackpunkt: Herauszufinden, wann das Omelette fertig ist. Es muss unten dunkelgoldgelb und ein wenig knusprig sein, oben noch cremig-feucht, aber nicht mehr glibberig.
Das ist gar nicht einfach zu erkennen, besonders, wenn – was bei mir immer vorkommt – noch etwas Butter auf dem Ei herumschwimmt. Wenn man glaubt, dass es gerade richtig ist, dann nimmt man das Omelette vom Feuer und lässt es auf einen vorgewärmten Teller gleiten. Das Vorwärmen des Tellers ist ein absolutes Muss, weil sich die empfindliche Eierspeise auf einem kalten Teller sofort auf das unvorteilhafteste verzieht. Jetzt kann und sollte man das Omelette noch überglänzen: Ein kaltes Stück Butter wird auf eine Gabel gespießt und damit streicht man über das Omelette. Gerade so, dass sich etwas Butter löst und einen glänzenden Film auf dem Omelette hinterläßt. Das funktioniert übrigens nur, wenn man das Omelette zum richtige Zeitpunkt aus der Pfanne genommen hat. War es zu früh, reicht die Oberflächentemperatur nicht aus, um die Butter zu schmelzen. War es zu spät, wird zu viel Butter geschmolzen, was die geschmackliche Harmonie stört.
Wer jetzt das Omelette noch füllen möchte, hat selbstverständlich gleichzeitig á la minute die gewünschte Füllung (Käse? gebratene Pilze? Gemischte Frühlingsgemüse? In der Saison kann gebratener Spargel mit einem Hauch Sesam- oder Kürbiskernöl absolut sensationell sein!) vor- bzw. zubereitet, die jetzt auf die eine Omelettehälfte gegeben wird. Dann klappt man das Ganze Gebilde zusammen, OHNE dass es in der Mitte zerbricht…
Wer jetzt denkt, dass ich das ganze überkompliziere, hat vielleicht recht. Vielleicht hat er aber auch noch nie ein richtiges Omelette gegessen. Denn das kann eine grandiose Delikatesse sein und ist, wenn man es nicht täglich tut, äußerst schwierig zuzubereiten. Rührei ist einfach zuzubereiten und kann ganz lecker sein. Zu einem Omelette verhält es sich wie ein Trabant zu einem Maserati.
Ich backe seit ca. 40 Jahren Omelettes. Nicht täglich. Mittlerweile genügt fast jedes dritte meinen unbescheidenen Ansprüchen.
Du bist endgeil.
Ich bin ja nur „Hobby-Bruzler“, aber dein Anspruch an ein Omlette könnte glatt von mir sein (obwohl mir bis eben nicht klar war, wie man es „richtig“ macht).
Danke für die Info, ich werde es gleich mal probieren. Und wenn ich demnächst meinen Freunden von einem perfektem Omlette (nach deinen Richtlinien) erzähle, halten die mich wieder für verrückt ;-)
Verrückte machen gute Omelettes. Die Irren können meist besser kochen als die Normalen.:)
Sieht lecker aus, das Omelette! Ein wenig zu dunkel für meinen Geschmack, aber jedem das seine ;-). Und eine schön eingebratene Eisenpfanne hast du da.