John

John - Imagine

Am 8. Dezember 1980 saß ich nachmittags in meiner ersten Berliner Wohnung in der Skalitzer Straße 32 am Schreibtisch. Schöne Wohnung. Hellblau gestrichene Wände, Ikea-Regale, Rattanbett. Bastmatten auf den Dielen. Und alle paar Minuten donnerte die Linie 1 durch meine beiden Zimmer, denn die Wohnung lag Vorderhaus erster Stock.
Das Telefon klingelte, mein lieber Bruder Thomas, der leider auch schon lange nicht mehr lebt, war dran. „Ich hab’s gerade im Radio gehört, jemand hat John Lennon erschossen.“
Das konnte nicht sein. Thomas mußte sich verhört haben. Irgendjemand anders ist erschossen worden, aber doch niemand von den Beatles. Nicht John. Auf keinen Fall John. Ruhig bleiben. Ganz ruhig nachdenken. Welcher Musiker hat einen Namen, der so klingt wie John Lennon? War da nicht dieser Typ von Fleetwood Mac, der so ähnlich hieß? Bestimmt war es der Kerl von Fleetwood Mac …
Es gab damals noch kein Internet und keine durchsendenden Nachrichtensender. Ich mußte bis zur vollen Stunde warten, bis mir die SFB-Nachrichten die letzte Hoffnung raubten. Ich würde tatsächlich für den Rest meines Lebens ohne John Lennon auskommen müssen.
Ich hatte meine Hand schon am Plattenregal, wollte irgendeine Beatles-Platte auflegen, oder „Imagine“ oder meinetwegen sogar die unsägliche „Live Peace in Toronto“, aber ich ließ es dann sein. Es würde in Zukunft sehr still sein ohne John Lennon und seine Songs. Besser, ich fing an, mich daran zu gewöhnen.
Und so hockte ich ein paar Stunden auf der Bastmatte zwischen meinen blauen Wänden. Saß einfach nur da, und lernte, wie riesenhaft die Stille sein kann, wenn etwas zu Ende geht. Die Linie 1, die alle paar Minuten durch meine beiden Zimmer fuhr, machte kein Geräusch.

Ein Gedanke zu „John

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