Wenn wir hier in Deutschland auf ein Problem aufmerksam werden, dann versuchen wir als allererstes, herauszufinden, wer daran schuld ist. Nicht, dass jemals irgendein Problem durch Herausfinden seines Urhebers gelöst worden wäre, aber es ist ja auch viel einfacher und unterhaltsamer, mit dem Finger auf einen Schuldigen zu zeigen, als sich ernsthaft Gedanken über Ursachen und Lösungen des jeweiligen Problems zu machen.
Jetzt haben die Knalldeppen von SPD und CDU eine sogenannte Unterschicht entdeckt und schieben sich gegenseitig die Schuld an deren Existenz zu. Jahrelang die Talkshows mit Wortketten vollgemüllt, die sie selber nicht verstanden haben: „Schmerzhafte, aber notwendige Einschnitte“ – „Umbau des Sozialstaats“ – „Preis der Globalisierung“… Und jetzt stellen diese Phrasendrescher überrrascht fest, dass Menschen in Armut geraten, wenn man ihnen ihre alten Arbeitsplätze wegnimmt und keine neuen schafft. Mein Gott, dass konnte doch kein Mensch ahnen, dass da ein Zusammenhang besteht!
Obwohl die meisten Führungskräfte von SPD und CDU offenbar rettungslos überfordert sind, wenn sie gleichzeitig spazieren gehen und einen Kaugummi kauen sollen, können sie sich aber trotzdem zeitgleich über zwei verschiedene Dinge wundern. So haben haargenau die gleichen Hanseln, die offenbar keinen Zusammenhang zwischen Jobabbau und Arbeitslosigkeit erkennen konnten, jetzt die Bedrohung durch die Neonazis entdeckt. Bravo!
Obwohl es über dreißig Jahre her ist, erinnere ich mich noch gut daran, wie unser Gemeinschaftskundelehrer Habba Fritsche uns damals in weniger als fünf Minuten den Zusammenhang zwischen Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und dem Aufsteig der NSDAP erläuterte. Man musste schon ein Denk-Kräppel von astronomischer Blödheit sein, um diesen einfachen, folgerichtigen, logischen Zusammenhang nicht im Bruchteil einer Sekunde zu begreifen. Dennoch muss es wohl Leute gegeben haben, die damit geistig überfordert waren. Die sind nämlich Politiker geworden. Sie zählen jetzt zur Führungselite dieses Landes und nehmen sich heraus, die Menschen, die sie ins Unglück gestürzt haben, als „Unterschicht“ zu bezeichnen.
Damals, in der Schule, bei Habba Fritsche und Kollegen, haben die Dummköpfe meist ängstlich geschwiegen, wenn der Lehrer sie aufforderte, vor die Klasse zu treten und ihre Erkenntnisse öffentlich vorzutragen. Heute plärren sie jeden geschichtslosen Unfug in die Gegend, weil sie sogar zu blöde sind, um Angst vor schlechten Zensuren zu haben.
Letztendlich sind die Begriffe falsch gewählt. Nicht die in die Armut geratenen bzw. getriebenen Menschen sind ein Problem, das man als „Unterschicht“ bezeichnen kann. Das Problem sind die Angehörigen einer geistigen und moralischen Unterschicht, von denen wir uns regieren lassen.
Wir haben heute unsere Blogs „Armut und Arbeitslosigkeit in Deutschland“ ( http://hartz.blogg.de/ ) und „so-zi-al“ ( http://myblog.de/so-zi-al ) zu Unterschichtenblogs erklärt. Wir wollen alle dazu aufrufen, sich klar zu ihrer Zugehörigkeit zur Unterschicht zu bekennen, denn die Reife einer Gesellschaft wie unserer wird nicht am reichsten ihrer Mitglieder gemessen, sondern an ihrem ärmsten! Je mehr Menschen sagen: „Wir sind Unterschicht!“, desto klarer wird die Abgrenzng zu den skrupellosen Ausbeutern und Ausgrenzern der „Oberschicht“.