„There ain’t no such thing like a free lunch“ ist eins dieser Sprichwörter, mit denen Eltern ihre Kinder nerven. „Es gibt nichts umsonst im Leben“ ist die prosaischere deutsche Variante für die englische Erkenntnis, dass man immer zahlen muss, auch wenn das Mittagessen angeblich gratis war.
Eine Rechnung wird uns dieser Tage präsentiert, und zwar die Rechnung für unsere Bequemlichkeit. Darf ich kurz an die Anfänge der Personal Computer erinnern, an die XTs, ATs und 386er, mit denen man vor fünfundzwanzig, dreißig Jahren die ersten Schritte in Textverarbeitungen, Spreadsheets etc. machte?
Wenn man damals so ein Ding gekauft (für ein unsinniges Geld übrigens), auf dem Schreibtisch platziert und eingeschaltet hatte… passierte erst mal gar nix. Weil einen nur ein leerer Bildschirm anguckte, auf dem erhellenderweise nur „C:\“ zu lesen war. Ja, genau sowas wie die Windows-Eingabeaufforderung. Die Windows-Eingabeaufforderung hieß damals MS-DOS und war das Betriebssystem, dass man erstmal erlernen musste, denn die PCs wurden mit kryptischen Tastaurkürzeln bedient. Mit „format a:\“ konnte man eine Diskette in Laufwerk A: formatieren, mit „cd arbeit“ in einen Ordner namens „arbeit“ wechseln, sich mit „dir“ den Verzeichnisinhalt anzeigen lassen und mit „wp“ Wordperfect starten, die damals (und vielleicht noch heute) beste Textverarbeitung der Welt. Das war am Anfang etwas kompliziert, weil einem die Befehle ungewohnt und willkürlich erschienen. Was sie aber gar nicht waren. Wenn man sich einmal mit der Funktionsweise eines solchen PCs auseinander gesetzt hatte, und gerafft hatte, dass „cd“ die Abkürzung für „change directory“ und „format“ die Abkürzung für „format“ war, ging einem das GeDosse ganz flott von der Hand.
Und man wusste haargenau, warum der Rechner was tat. Wenn das Diskettenlaufwerk oder die Festplatte ansprang, dann nur aus dem Grund, weil ich dem Rechenknecht gesagt hatte, dass er etwas speichern oder laden sollte. Auch wenn man mit einer Textverarbeitung oder einer Tabellenkalkulation arbeitete, wusste man eigentlich immer genau, was der Rechner tat.
Das war nicht schwer, aber die meisten Menschen, die anfingen, mit Computern zu arbeiten stöhnten, wie schwer und unbegreiflich doch diese PCs wären.
Und dann kam Windows (bzw. dieses Mac-Zeugs). Einfach mit der Maus draufzeigen und klicken. Ist heute Standard, war damals sowas wie die erste Mondlandung. Kein Mensch musste mehr Tastaurbefehle auswendig lernen oder die Funktionsweise des Dingenskirchen verstehen, den er da bediente.
Mir war das unheimlich. Wenn Windows lief, ratterte plötzlich meine Festplatte los, ohne dass ich ihr das Losrattern erlaubt hatte. „Ist die Swap-Datei. Oder sowas“, erklärten einem die Windows-Experten. Auf die Frage, was denn „oder sowas“ sein könnte, kam nur ein Achselzucken.
Ich hab mich an DOS geklammert, bis es nicht mehr ging. Ich wollte die Kontrolle über meinen Rechner nicht aufgeben. Aber 1996 oder 97 war es soweit, ich warf den letzten Rechner, dessen Funktionsweise ich hundertprozentig verstanden hatte, auf den Müll und kaufte einen mit Windows 95. Die Auftraggeber bestanden darauf, dass ich meine Texte mit einer hundertprozentig kompatiblen Windows-Textverarbeitung lieferte, und soweit ging mein Starrsinn dann doch nicht, dass ich gutes Geld ablehnte.
Und bald war auch mein Unbehagen wegen der dauernden Festplattenzugriffe und anderer Merkwürdigkeiten in Windows 95 (davon gab es viele!) verschwunden. War ja wirklich bequemer, und was dieses Betriebssystem nun ganz genau auf meinem Rechner veranstaltete, musste ich ja nun wirklich nicht wissen, solange er die Texte ausspuckte, die ich vorher eingetippt hatte. War eben die Swap-Datei. Oder sowas.
Und heute sitzen wir alle an Kisten, die alle irgendwie mit dem Internet und untereinander vernetzt sind, und außer ein paar tausendprozentigen Geeks und Nerds weiß eigentlich keiner, was die Kiste, an der er sitzt, tatsächlich macht. Könnte die Swap-Datei sein. Oder sowas. Wobei „sowas“ ein Virus sein kann. Oder die NSA. Oder die Briten, die Chinesen, die bräsigen Onkels in Strickjacken vom WDR-Computerclub oder eine Kombination aus allem. Wir wissen’s nicht, und wir werden’s nicht mehr herausbekommen. Wir wollten’s ja unbedingt einfach und bequem haben.
Es hat zwar ein paar Jahrzehnte gedauert, aber jetzt ist der Kellner mit der Rechnung für den Gratis-Lunch gekommen.
Diese Schwierigkeiten, welche eigentlich nur im Lernen von einigen wenigen Vokabeln bestanden, hatten durchaus auch in Bezug auf die Teilnehmer bei Netzaktivitäten einen gewissen Siebeffekt, den ich mir manchmal zurückwünsche.
Wolfgang und Wolfgang sind übrigens immer noch ganz rege und frontnah im cczwei aktiv.