Das ist einfach ein geniales Lokal, wo du auf dem Heimweg zwischen Büro und Zuhause einfach einkehren kannst. Eine Wirtschaft für den Alltag, aber ist das wirklich Alltag, wenn du reinkommst und hinterm tresen dieses riesige, wunderschöne Rück-Buffet siehst, aus einer Zeit, als Möbeltischler noch stolz auf die künstlerische Qualität ihrer Produkte sein konnten. Aber egal, du bist nicht hier, weil du in Weltschmerz machen oder gegen Ikea polemisieren willst, du willst auch nicht den alten Sack raushängen lassen, der früher alles besser fand, du bist hier, weil du dich gemütlich hinhocken und was gescheites essen und trinken willst.
Also entscheidest du dich, wo du dich hinhocken willst, vorne, an die blankgescheuerten Tische, oder ins hintere Zimmer, wo die Tische weiß eingedeckt sind und die schönen Bilder an den Wänden hängen. Letztlich ist’s wurscht, den vorne und hinten gibt’s die gleichen mordsleckeren Sachen, zuvorderst aus dem Schwabenland. Obwohl… zur Zeit gibt’s da eine sahnige Spargelcreme mit Lachsklößchen, die schmeckt schon äußerst badisch… aber sonst: die Sauren Kutteln, der Wurstsalat, der Zwiebelrostbraten, die Käsespätzle… Die Käsespätzle! Entweder mit Knoblauch oder Schinken, aber egal wie: Weltklasse. Die Nichte Sabine verdrehte die Augen und rief: „Die besten Käsespätzle meines Lebens!“ Und das will was heißen, die junge Dame ist seit Jahren auf Käsespätzlediät. Die Bratkartoffeln und Saucen spielen zu meinem Erstaunen in der Dieter-Kaldewey-Liga mit, und die Kutteln… Was soll ich sagen? Ich spar mir die Worte. Wer die klassisch-säuerliche Zubereitung schätzt, ist hier im Paradies. Wie auch der Weinbeißer, der hier überhaupt keine Chance hat, es bei einem Viertel bewenden zu lassen. Da gibt es ein paar blitzsaubere, stahlige Rieslinge, die zu probieren sind, und da die freundlichen Wirtsleute ein gescheites Lokal machen, ohne Lokalpatrioten zu sein, finden sich neben den im Schwäbischen unvermeidlichen Trollinger/Lemberger (ich bin in einem Stuttgarter Traditionslokal mal nicht weiter bedient worden, weil ich gewagt hatte, Trollinger als „weinähnliches Getränk“ zu bezeichnen) auch ein paar samtige Spätburgunder aus Baden auf der Karte, mit denen man’s gut länger aushalten kann, als man ursprünglich wollte.
Denn das passiert hier regelmäßig: Man kommt immer öfter her und bleibt länger da, als man wollte. Diese Beiz ist gnadenlos. Einmal drin und du bist Stammgast. Wehr dich nicht. Du hast keine Chance. Außer, du machst einen Riesenbogen um Hägeles Antiqua.
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