Das neue Jahr beginnt mit einem Ärgernis, oder genauer gesagt, mit der Fortsetzung eines Ärgernisses, das ich jetzt erst entdeckt habe. Ach was, Ärgernis, es ist ein Skandal, es ist die mögliche Ursache aller Küchenkatastrophen, DER Grund, warum unsere Küchen-Pisa-Quote in den Keller schnellt: Eins der schönsten Bücher über das gute Essen und Trinken ist vergriffen und hierzulande nur noch antiquarisch aufzutreiben: Joseph Wechsbergs Meisterwerk „Forelle blau und schwarze Trüffeln“.
Ich weiß nicht mehr, wie ich vor ca. dreißig Jahren auf dieses Buch gekommen bin, ich glaube, Wolfram Siebeck hatte es in einer Kolumne oder einem Kochbuch empfohlen, jedenfalls hatte ich es auf meinen Wunschzettel gesetzt, und meine liebe Mutter – die also auch für diesen wesentlichen Teil meiner kulinarischen ausbildung verantwortlich zeichnet – hatte es mir auf den Gabentisch gelegt, ein kleines, gebundenes Buch mit blauem Schutzumschlag und einem schon damals etwas altbacken wirkenden Linolschnitt auf dem Umschlag. Daneben lagen – natürlich – noch weitere Bücher mit durchaus verlockenderer Optik, vielleicht war sogar ein neuer Le Carré dabei, trotzdem griff ich zuerst zum Wechsberg, schließlich hatte Siebeck ihn ja empfohlen. Ich schlug also das kleine Buch auf, blätterte ein wenig, irgendwo hakte mein Leserhirn ein und ab ging die Lucie. In einem Rutsch hab ich das Buch durchgelesen und fortan hat es mich nicht mehr losgelassen.
Was kein Kunststück ist, denn wer diesen „Wanderungen eines Epikureers“, wie der Untertitel heißt, einmal gefolgt ist, der schlägt den gleichen Weg immer wieder ein. Wechsbergs rastlose kulinarische Neugier, sein lebenslanges Unterwegssein zur nächsten guten Mahlzeit… dieser way of life ist überzeugend, ansteckend, faszinierend, daher bleibt es nicht aus, das man dieses Buch wieder und wieder zur Hand nimmt.
Auf dem eigenen kulinarischen Weg folgen einem die Geschichten, die Wechsberg erzählt. Vom Restaurant Gundel in Budapest. Von den unvergleichlichen Rindfleischgerichten im Meissl & Schaden in Wien. Von Ferdinand Point und seiner Pyramide…
Dieses Schlusskapitel über Point allein sichert Wechsberg einen Ehrenplatz im Olymp der Gastrosophie. Die Mischung aus Humor und Ehrfurcht, aus Nähe und Distanz, mit der er den genialen Perfektionisten und Kauz Ferdinand Point, den Erfinder der modernen Spitzengastronomie, portraitiert, macht diesen Text zu einem, Quatsch, zu DEM Höhepunkt der Fress-Literatur schlechthin. Ein liebevolleres, genialeres, besesseneres, appetitanregenderes Portrait eines großen Kochs und Restaurateurs ist noch nicht geschrieben worden. Wer das Point-Kapitel liest und nicht sofort davon träumt, an der Tafel des Meisters Platz nehmen zu dürfen, dem ist zumindest kulinarisch nicht zu helfen.
Und dieses Buch, das mir – und tausenden anderen Menschen – die Welt der guten und der großen Küche vorstellte, nahe brachte und letztlich öffnete, soll es jetzt nur noch als diffizil via Antiquariat zu erringende Jagdbeute geben? Nichts gegen unsere Antiquariate, aber Wechsbergs Meisterwerk gehört in die Buchhandlungen dieses Landes und nicht in die Obskurität der Amazon-Zweit- und Drittanbieter. „Forelle blau und Schwarze Trüffeln“ gehört wieder ins Sortiment!
[tags]Kochen, Wechsberg, Gourmet, Literatur[/tags]
Hab’s mir gleich mal beim Obskuriat bestellt. Leider ohne Umschlag. Bin gespannt. Nimm Du es doch ins Programm ;-)
Du wirst lachen, darüber denke ich nach. Wenn ich mal Zeit habe (voraussichtlich irgendwann im April) recherchier ich mal nach den Rechten.
Bis April keine Zeit 8-} Mon dieu. Das ist ja schlimmer als bei mir. Bin froh, wenn ich meine Wälzer bis Februar fertig habe.
Ich habe das als Heyne-Taschenbuch Nr. 4327, 1981, Copyright der deutschen Übersetzung 1979 Kochbuchverlag Heimeran, München. Hilft das?
Das hilft, danke! Auweh, ich hatte gar nicht in Erinnerung, dass das Buch zuerst auf englisch erschienen ist. Dann sind zwei Rechteinhaber zu bedenken. Und zu bezahlen.
Habe das Buch jetzt durch. Mir zuckte es in den Fingern mal kurz einen Abstecher nach Vienne zu machen als ich gestern über die Autoroute de Soleil gegondelt bin. War allerdings es erst kurz vor 8 h und ich habe mir in Limonest was beim Bäcker geholt.
Eins ist mir allerdings aufgefallen – im Kapitel über Meissl & Schadn: S. 73 „Wer jedoch zartes und saftiges Fleisch essen wollte, tat es in kochendes Wasser und ließ es sieden. Dadurch wurden die Poren geschlossen […]“
Auweh! Aber gleichzeitig ein Indiz dafür, dass Fressack es noch nicht bis Seite 73 geschafft hat.:)
Doch, doch, ist mir aufgefallen und sogar noch am unteren Seitenrand geknickt, damit ich darüber schreiben konnte. Kam aber einiges dazwischen. Da waren noch so ein oder zwei merkwürdige Dinge. Dummerweise finde ich das Buch in meinem Wust momentan nicht.
Hallo,
ich lese jetzt seit 3 Abenden Deinen Blog, rückwärts von Seite 130 an und weil mich die Beschreibung des Buches so angesprochen hat, hab ich es mir direkt mal bestellt.
Ja, bei Amazon…
Bin schon gespannt wie es sich liest.
Abendliche Grüße, Dodo
Du liest den ganzen Quatsch hintereinanderweg? Extrem leidensfähig. Viel Spaß mit dem Wechsberg, der ist viel besser.:)
Danke. Das Buch müsste Anfang November hier sein.
Extrem leidensfähig? Nöö, nur gelangweilt weil Urlaub + Erkältung.
Quatsch, Dein Blog liest sich sehr amüsant.
Und da ich in der tiefsten Provinz (Bonn) wohne erlebe ich hier wenigstens mal ein bissl Großstadtflair…. ;-)
Gruß Dodo
Nochmal ich…
Buch ist heute mittag angekommen und ich habs schon zu 3/4 durch.
Gut, witzig und interessant geschrieben und am liebsten würd ich sofort losfahren und mir alles angucken worüber er schreibt und alle Kochrezepte nachkochen… *sabber*
Vielen Dank für den Tipp!
Gruß Dodo
Freut mich, dass es dir bis dahin gefallen hat. Mit dem Point-Kapitel sollte das Buch dann aber durch die Decke gehen.:)