Jahrelang, Quatsch, was schreib ich, jahrzehntelang hab ich Gulasch (eigentlich Pörkölt, für die Peniblen) nach immer der gleichen Façon gekocht: Fleisch portionsweise anbraten, raus damit, reichlich Zwiebeln glasig dünsten, mit Paprika durchschwitzen, Fleisch wieder rein, würzen, Flüssigkeit zugeben, langsam fertig schmoren. Bewährtes Standardrezept, xmal gekocht, beliebt bei allen Gästen, bei der geduldigsten, besten Gemahlin von allen und bei mir. Gab also keinen Grund, am Rezept zu drehen.
Doch. Natürlich gab es einen Grund: meine Faulheit. Ich hatte vor ein paar Jahren, als Alfredissimo noch lief, Sarah Wiener da mal ein Saftgulasch ganz ohne Fleischanbraten machen sehen. Müde lächelnd hatte ich abgewinkt: Kann ja nicht schmecken, ohne Anbraten. Keine Röststoffe, keine Maillard-Reaktion: Wie soll denn da Geschmack ans Fleisch kommen? Unfug, diese ganze Saftlhuberei!
Aber mein innerer Faulpelz war geweckt. Was, wenn es nun doch funktioniert? Man spart sich die umständliche Anbraterei, hätte keine Fettspritzer-Sauerei mehr auf dem Herd und die ganze Zubereitung wäre tatsächlich noch einen Tick unkomplizierter.
Denn inneren Faulpelz unter Kontrolle zu halten, wurde zunehmend schwieriger. Anfangs ließ er sich noch durch einen Teller „klassischen“ Gulaschs besänftigen („Würde ohne Anbraten nie so kräftig schmecken…“), aber spätestens seit höchst geschätzte andere Foodies auf den Saftgulasch-Zug aufsprangen, war meine Ruh dahin. „Wir können es doch mal ausprobieren!“, sabberte der Faulpelz mir ins Ohr. „Nur um endgültig den Beweis zu haben, dass es ohne Anbraten nicht funktioniert!“.
Schließlich hatte der Faulpelz mich so weichgekocht wie ein Gustostückerl im Meissl & Schadn: ich gab auf, besorgte Gulaschzutaten1 und legte los. Ich dünstete drei Pfund  grob zerkleinerte Zwiebeln in reichlich Schweineschmalz an, gab, als die Zwiebeln goldgelbglasig waren, zwei oder drei Esslöffel Paprikapulver (edelsüß und scharf) dazu, ließ kurz durchschwitzen und gab mit zitternden Händen drei Pfund in Würfel geschnittene Rinderwade hinzu, OHNE SIE ANGEBRATEN ZU HABEN. Anschließend stürzte ich ein Glas Rotwein hinunter, um diesen Akt küchentechnischer Tollkühnheit gebührend zu feiern.
Ein Schlückchen Rotwein hielt ich natürlich geistesgegenwärtig zurück, um es zusammen mit zwei, drei Tassen Bouillon ans Gulasch zu kippen. Schnell noch gesalzen, ein mit Kümmel, Lorbeer, Zitronenschale und Knoblauch gefülltes Gewürz-Ei hineingehängt, Deckel drauf und drei Stunden bei kleinster Hitze ziehen gelassen. Dann sah das so aus:
Optisch war absolut kein Unterschied zum klassischen Gulasch festzustellen. Aber das böse Erwachen musste natürlich kommen, wenn man das Gulasch probierte. War doch Quatsch, das Fleisch nicht anzubraten. Mein Gott, das schöne Fleisch… komplett ruiniert!
Ich verzichtete darauf, das Gulasch abzukühlen, bis zum nächsten Tag kaltzustellen und dann wieder aufzuwärmen 2 und probierte sofort.
Seitdem hab ich schon drei oder viermal wieder Gulasch gekocht. Und bei keinem das Fleisch angebraten. Es macht nämlich keinen Unterschied. Das so zubereitete Gulasch schmeckte genauso wie das Gulasch mit angebratenem Fleisch. Auch externe Gulasch-Experten kamen nach einem ausgiebigen Blindtest zum gleichen Ergebnis: „Kein Unterschied zu sonst.“ Offenbar sorgt ausschließlich das lange, gemächliche Schmoren für den Geschmack, was da drei Stunden vorher bei der Maillard-Reaktion entstanden ist, spielt auf dem Teller keine Geige mehr.
Und die Moral von dieser Küchengeschichte? Ist doch klar: Faulheit siegt. Mahlzeit!
- In der Tat hatte ich die Zutaten schon mehrmals besorgt, mich aber jeweils in letzter Minute entschlossen, die Fleischwürfel trotzdem anzubraten. „Wär doch schade um das schöne Gulasch…“
- steigert das Gulaschvergnügen ins Unermessliche, kann aber nur von Stoikern mit der Selbstbeherrschung eines Kung-Fu-Kloster-Chefs praktiziert werden.
Nun hab ich Hunger! Danke für die schöne Umrahmung dieses Küchenklassikers, muss ich unbedingt auch bald wieder machen – es beginnt ja die Jahreszeit für solche Gerichte…
Gut zu wissen. Und eine Idee fürs Wochenende habe ich jetzt auch. Eventuell mit Semmelknödel.
funktioniert hervorragend!
auch bei salcia landmann wurde das gulasch nie angebraten,
ich war auch immer zu mißtrauisch um es auszuprobieren.
uns schmeckte es mit seidenknödeln.
Seidenknödel? Das sind doch Klöße aus gekochten Kartoffeln, nicht wahr? Hab ich ewig nicht mehr gemacht, könnte man ja mal wieder…
ja! ich gestehe, daß ich hier einen beutel aus dem kühlregal abgegriffen habe…
gibt es von henlein und auch burgi, ich finde die ganz ausgezeichnet. sicher aber nicht vergleichbar mit selbstgemachten knödeln.
meine mutter machte jeden sonntag die thüringer klösse aus der lamäng. ich habe da schon mein waterloo erlebt: falsche kartoffelsorte, nicht lang genug gelagert, vielleicht falscher stärkegrad, föhn in bayern, was weiß ich.
das netzseidenknödelrezept würde ich nun aber vielleicht doch mal nachkochen.
wie die dinger über die zunge gehen – besseres gibt’s nicht.
Bei Kartoffelknödeln lang ich auch immer ins Kühlregal, um Kartoffelknödel selbst zu machen, bin ich schlicht weg zu faul.
Ich denke, wenn man Arbeit sparen kann, schmeckt das Essen noch besser. Ist zumindest so aus meiner Perspektive.
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Jedes Jahr im Herbst, wenn die Gulaschsaison losgeht, suche ich diesen Artikel im Internet. Einfach, weil er gute Laune macht. Natürlich koche ich den Gulasch auch nach dieser Methode.
Das freut mich sehr. Mahlzeit!
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