Am Limit

Ja, bin ich denn wirklich der einzige, dem heute bei der Tagesspiegel-Lektüre der Kaffee aus dem Mund gesaust ist? Als ich in einem Artikel zur Versorgung der Arztpraxen mit dem Schweinegrippen-Impfstoff folgendes las:

Von der Verwaltung hieß es dazu, man habe Ende Oktober etwa 2000 Verträge an niedergelassene Mediziner verschickt, die als Impfärzte in Frage kommen. 400 positiv beschiedene Verträge seien bisher zurückgekommen. Die Bearbeitung des Rücklaufs sei ein „Riesenaufwand“. Schneller gehe es nicht.

Wie meinen? Eine Verwaltung (!) gerät mit dem  Versand von 2000 und dem Empfang von 400 Briefen (übrigens eine Dienstleistung, die man für relativ kleines Geld bei jedem Sekretariatsservice einkaufen kann), ans Limit? 2000 Briefe zur Post bringen und 400 Antworten sortieren und zuordnen ist ein „Riesenaufwand“?
Woher nimmt dieser Senats-Fuzzi die Chuzpe, die Faulheit und Unfähigkeit seiner Behörde ganz arglos in die weite Welt hinauszutrompeten? Und warum nehmen das Journalisten und Leserbriefschreiber (die sonst wegen jedem Scheißdreck lautstark die Barrikaden erklimmen) einfach so hin?
Bürger, macht kaputt, was euch kaputt macht! Greift zur Waffe, entert die Ämter und zwingt die Sesselpupser mit vorgehaltener Pistole zur Arbeit! Es scheint die einzige Möglichkeit zu sein.

Splitterbrötchen (CXIX)

Das Produkt der Woche entdeckte ich in einem Netto-Supermarkt: „Frische Kräuter aus der Tube“. Ist es die Größe einer solchen Erfindung, die mich sprachlos macht, oder die Chuzpe der Behauptung, dass sich in einer versiegelten Tube in einem Supermarkt-Regal etwas Frisches befindet?

Spam-Betreff der Woche war „Herr Kurbjuhn, Ihre Ausreise wurde bewilligt“

Der Facebook-Kleinanzeigen-Text des Monats war „Brausen Sie Heiße Mädchen online!“

„Cisco Pike“ könnte man sich mal wieder angucken. Wenn es ihn denn hierzulande auf DVD gäbe.

Splitterbrötchen (CXVIII)

Warum sind eigentlich manche Holland-Gurken in Folie eingeschweißt, andere wiederum nicht? Dan Brown, übernehmen Sie!

Der Spam-Betreff der Woche war „Edelste Acrylglasplatte für Sie, Herr Kurbjuhn!“

Kann es wirklich sein, dass viele Menschen Ideenlosigkeit und Beharrungsvermögen  mit Verlässlichkeit verwechseln und als positive Merkmale ansehen?

Wieso ist das Kalbskotelett eigentlich so selten auf den Speisekarten zu finden? Hier in Berlin fällt mir ad hoc kein (!) Restaurant ein, wo man es bestellen könnte. Sieht’s woanders anders aus?

Splitterbrötchen (CXVII)

Diese Woche auf Speisekarten gesichtet und auf die To-Do-Liste gesetzt: Kabeljau mit Maronen-Sauce, Tintenfischtuben mit Kürbis gefüllt.

Erstaunlich ist nicht die Tatsache, dass Regierung, Beamte und (unter anderem) die Mitarbeiter des für die Impfstoffzulassung zuständigen Instituts sich einen eigenen Impfstoff gegen die Schweinegrippe gönnen. Erstaunlich ist die Unverfrorenheit, mit der das zugegeben wird.

Seit einigen Tagen findet man in jeder Tagesspiegelausgabe auf der letzten Seite ein – nicht als Anzeige gekennzeichnetes – farbiges Logo, in dem die Zeichenketten „IFRA“, „AMA“ und „2009“ zu finden sind, sonst nichts. Wenn man Google mit diesen Begriffen füttert, kommt man auf die Seite einer „worldwide research and service organisation for the news publishing industry“. Dort steht eine Meldung über einen E-Book-Reader vom 6. Mai dieses Jahres. Die Welt ist voller Rätsel.

Splitterbrötchen (CXVI)

Unter anderem durch das Internet hat der Begriff „Basisarbeit“ eine vollkommen neue Dimension bekommen. Zu schade, dass ausgerechnet die neue Führungsspitze der SPD das noch nicht gemerkt hat.

Man muss nur laut sein, wenn man unrecht hat.

Und genau deshalb müssen wir das Urheberrecht vor denjenigen schützen, die es am lautesten verteidigen.

Geflissentlich rapportiert die Berliner Presse alles, was Jugendliche hierorts treiben: Alcopop-Party auf dem Spielplatz, besoffen auf dem Schulklo, Prügel auf dem Pausenhof. Da frage ich mich, was wir vor vierzig Jahren alles angestellt hätten, wenn man seinerzeit mit jedem Scheißdreck in die Werra-Rundschau gekommen wäre.

Splitterbrötchen (CXV)

Für die bizarrste Schlagzeile der letzten Wochen ist die Lübbecker Kreiszeitung zu loben: „Rheinländer des Herzens jagt Ganoven aus Herford“

Wenn man gar nichts kann, kann man immer noch versuchen, diese Fähigkeit möglichst teuer zu verkaufen.

ARD-Oberpropeller Peter Boudgoust sagte: „Der Fernsehlegende Frank Elstner folgt der kesse Entertainer Guido Cantz.“ Wie schön, dass das Wort „kess“ bei der ARD eine Alterszuflucht gefunden hat.

Zur Zeit regt man sich mal wieder gern über aus dem Zusammenhang gerissene Äußerungen auf. Es wäre wesentlich sinnvoller, sich über diejenigen aufzuregen, die Äußerungen aus dem Zusammenhang reißen, um sich darüber aufregen zu können.

Die Kirche im Dorf lassen, den Außenminister in die Welt schicken

So langsam platzt mir aber der Kragen ob dieser ganzen Provinzialität. Nein, nicht wegen Guido Westerwelles Weigerung, eine Frage eines BBC-Reporters auf englisch zu beantworten, sondern wegen der provinziellen Reaktionen darauf. Man beölt sich, man beömmelt sich, klatscht sich auf die Schenkel und ruft „So jemand will Außenminister werden! Unglaublich!“
Mir ist Guido Westerwelle nicht sonderlich sympathisch, trotzdem drei Anmerkungen zu diesen kreuzdämlichen „Vorwürfen“:

  1. Wenn ein deutscher Journalist in Paris, London oder Washington dem jeweiligen Außenminister bzw. der Außenministerin eine Frage auf deutsch gestellt und um Beantwortung in ebendieser Sprache gebeten hätte, hätte er bestenfalls ein irritiertes Kopfschütteln geerntet. Westerwelles Antwort empfinde ich noch als ziemlich höflich.
  2. Wenn jemand, der Außenminister werden möchte (er ist es ja noch nicht!), sich nicht in einer fremden Sprache äußern möchte, die er nicht sicher beherrscht, dann ist das vernünftig. Er will – ganz pragmatisch – Missverständnisse vermeiden.
  3. Was jetzt noch fehlt, ist eine Karikatur, in der Westerwelle aus einem Flugzeug steigt und sagt „Ich neues deutsches Außenminister. Nix sprechen englisch, nix sprechen französisch…“. Eine solche Karikatur ist vor 35 Jahren schon einmal erschienen. Im „stern“, wenn ich mich recht entsinne. Nur, dass damals nicht Westerwelle Außenminister wurde. Sondern Hans-Dietrich Genscher.

Splitterbrötchen (CXIV) – Wahl-Spezial

Wenn jemand gesagt hätte, er würde dafür sorgen, dass in diesem Land die Rentner nicht mehr die Papierkörbe nach Pfandflaschen durchwühlen müssten, weil ihre Rente nicht reicht…

Wenn jemand gesagt hätte, dass er den jungen Menschen in diesem Land Perspektiven eröffnen würden, die ihnen eine Zukunft jenseits von Gewaltfantasien und Komasaufen eröffnen…

Wenn jemand gesagt hätte, dass er die Unternehmen in diesem Land nachhaltig dazu zwingen würde, ihre Verantwortung gegenüber ihren eigenen Arbeitnehmern wahrzunehmen und gegenüber der Gesellschaft, die ihnen erfolgreiches wirtschaftliches Handeln überhaupt erst ermöglicht…

Wenn jemand gesagt hätte, dass er dafür sorgen wird, dass die Banken ihre ursprüngliche Aufgabe wieder wahrnehmen – Menschen wirtschaftliches Handeln zu ermöglichen – anstatt nach Phantom-Gewinnen zu jagen…

Wenn jemand gesagt hätte, dass er eine Diskussion über eine grundsätzliche Veränderung unserer gesellschaftlichen Strukturen anschieben wird, damit alle Menschen in diesem Land wieder die berechtigte Hoffnung haben können, zu prosperieren oder wenigstens in Anstand und Würde leben zu können…

Wenn jemand gesagt hätte, er würde jedweder Ausländerfeindlichkeit in diesem Land mit „zero tolerance“ begegnen…

Wenn jemand gesagt hätte, er würde die bürgerliche Freiheit als höchstes Gut achten und dafür sorgen, dass  Verfassungsschutz und Polizei ihre Nase nicht in die Privatangelegenheiten der Bürger stecken, weil Privatangelegenheiten staatliche Behörden eben nichts angehen…

…dann hätte ich ihn wahrscheinlich auch nicht gewählt. Weil ich ihm nicht geglaubt hätte.

Splitterbrötchen (CXIII)

Im Tagesspiegel von heute sehe ich eine Todesanzeige, in der die Berliner Stadtreinigung dreier Mitarbeiter gedenkt, die bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Die Namen der  Opfer werden irritierenderweise nicht genannt. Die einzige Erklärung scheint zu sein, dass man die Angehörigen vor der Boulevardpresse schützen will. Das so etwas mittlerweile nötig ist, ist nur noch zum Kotzen.

Mit Videokameras verhindert man keine Gewalttaten.

Die faszinierendste Fußball-Floskel der  Woche hörte ich in der Tagesschau: „Hertha taumelt am Abgrund des Tabellenkellers.“

Es scheint in Deutschlands Imbissen und Fleischereien nur noch hundsmiserable Bouletten zu geben.