Steinmeiers Last Stand

Mensch, Herr Steinmeier,

ich hab gehört, Sie haben ein Buch geschrieben. Find ich super! Das ist ja schon seit längerem ein Trend unter Politikern, dass Sie Bücher schreiben. Aufschreiben, was Sie aus der Geschichte gelernt haben, wie John F. Kennedy mit „Zivilcourage“. Oder uns einfach mal erklären, wie die Welt funktioniert, wie Helmut Schmidt mit seinem umpzigsten Buch. Oder ganz einfach mal sagen, was man so vor hat, wie das Barack Obama mit „Change we can believe in“ gemacht hat. Bin mal gespannt, für welche Richtung Sie sich entscheiden…

Steinmeiers Buch

Ach. Nach zehn Jahren als politischer Oberpropeller wollen oder müssen Sie den Bürgern erklären, wer Sie sind und was Sie eigentlich meinen. Ja. Dann wird das wohl nötig sein.

Tschö, der Chris

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Die normative Kraft des Möglichen

Heute ist ein historischer Tag. Ein Tag, nach dem nichts mehr so sein wird, wie zuvor. Der Journalismus, wie wir ihn kannten, ist tot. Tageszeitungen, wie wir sie jahrzehntelang täglich gelesen haben, werden nie wieder so sein, wie sie bis heute waren. Der Tagesspiegel hat in seiner heutigen Ausgabe eine Nachricht abgedruckt, die alles verändern wird.
Vielleicht 1
Bisher erschöpfte sich das Tagwerk des Journalisten in sturer Welterklärerei und dem schnöden, banalen Berichten über tatsächliche Vorfälle. Aber heute hatte der Tagesspiegel – ausgerechnet der Tagesspiegel, mir steigen die Tränen der Rührung ins Auge – den Mut, über ein Ereignis zu berichten, dass vielleicht geschehen wird. Vielleicht wird Grobian Donner von Henkelmann im neuen Tom-Cruise-Film Regie führen. Vielleicht dreht er aber auch ein Familienvideo, in dem seine Kinderchen in schmucken Biene-Maja-Kostümen brummend durch den Garten laufen. Vielleicht nimmt er seine Kamera aber auch mit in ein Motelzimmer, wo ein hoher Formel-1-Funktionär… ab heute ist einfach alles möglich.
Statt stinklangweiliger Börsenkurse von gestern stehen ab sofort aufregende Meldungen im Wirtschaftsteil: „Vielleicht machen Sie heute mit Futures und Optionen einen Riesen-Reibach“.
Schluß mit langweiligen Statistik-Spielereien im Sportteil. Da kann Hertha uneinholbar mit 10 Punkten Vorsprung führen, morgen titelt der Tagesspiegel: „Vielleicht wird Hertha disqualifiziert und die Bayern werden doch noch Meister.“ Super!
Und nur mit kühnster Phantasie kann man sich ausmalen, was in Zukunft auf den Titelseiten unserer Blätter möglich sein wird: „Eventuell versteht zu Guttenberg etwas von Wirtschaft!“ – „Möglicherweise hat Angela Merkel ein Konzept!“ und der zukünftige Pulitzer-Winner „Vielleicht hat der Papst doch noch alle Tassen im Schrank!“
Willkommen, du schöne, neue Welt des Journalismus!

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Splitterbrötchen (XC)

Immer öfter zu sehen: Menschen, die gleichzeitig mit zwei Mobiltelefonen hantieren.

Ein kleines großes Wunder: Dass der Inhaber des ausgezeichneten Pariser Restaurants „Chez Gladines“,  vor dem jeden Abend die Menschen Schlange stehen, die Preise immer noch nicht erhöht hat.

Mittlerweile gibt es sehr viele Dinge, die ich nicht mehr verstehen will. Ist das noch Individualismus oder schon Altersstarrsinn?

Die größte Sehenswürdigkeit  des diesjährigen Paris-Besuchs: Ein Buffet für die Serviettenringe der Stammgäste im Traditionsrestaurant Polidor.

Und ein Tipp, der in allen Paris-Reiseführern fehlt: Wenn man auf den Arc de Triomphe steigen will (282) Stufen, dann tue man das am letzten Tag des Aufenthalts. Die unausweichlichen Knallwaden pflegt man lieber zu Hause, anstatt mit ihnen das Pariser Pflaster platt zu treten.

[tags]Pseudoweisheiten, Tiefsinn, Wichtigtuerei[/tags]

Splitterbrötchen (LXXXIX)

Die Ein-Wort-Alliteration der Woche schuf Restaurant Karl-Albert-Bad, Bad Löbau: „Buschbohnenbündchen“.

Der schwachsinnigste Claim der Woche gelang Fa. Lieken Urkorn: „Außergewöhnlich gutes Brot erkennt man am Geschmack.“ Herzlichen Dank! Wär ich von alleine nicht drauf gekommen.

Die Kleinanzeige der Woche war auf Facebook zu sehen: „Vergleichen Sie Putzfrauen aus Ihre Nähe – absolut kostenlos!“

Den brill-i-an-tes-ten Mail-Betreff der Woche verdanke ich Fa. UCI-Kinowelt: „Hallo Chris Kurbjuhn – Werden Sie Teil der Superhelden-Liga“

Und das Zitat der Woche lieferte Uli Hoeneß: „Wenn wir jetzt den Kopf in den Sand stecken, verlieren wir eventuell auch noch unsere anderen Ziele aus dem Blickwinkel.“

[tags]Pseudoweisheiten, Tiefsinn, Wichtigtuerei[/tags]

Gewöhnungseffekt

Den Relaunch des Bewertungsportals qype habe ich ja bereits in der letzten Woche erwähnt. Die Reaktionen der Stamm-User auf das neue Layout waren beinahe durch die Bank weg ablehnend und heftig. Aber jetzt muss ich sagen: Langsam gewöhne ich mich an die neuen Farben und den ebenfalls neuen spartanischen Stil.

Das neue Qype

Doch, wenn man das eine Woche lang mehrmals täglich sieht, gewöhnt man sich dran. Dann hat das was.

[tags]Qype, Technikschwurbel, Relaunch, Dilettantenkram, Ungeheuer![/tags]

Die Schuhschrank-Depression

Schuhschrank

Es gibt Momente, in denen man sich unsagbar einsam fühlt. So einsam, dass es weh tut. So weh, dass man schreien möchte.
Ich stehe in solchen Augenblicken meist vor einem Problem, dass die geduldigste Gemahlin von allen mit ihren speziellen Talenten in Sekundenschnelle lösen könnte, es aber nicht tut, weil sie nicht da ist.
Wie gestern morgen, als sie gerade zur Arbeit geeilt war, und ich den Schuhschrank im Flur unserer Wohnung nicht aufbekam. An und für sich ist das nichts besonderes, ich habe mit dem Öffnen des Schuhschranks Probleme, seit wir hier wohnen, und das sind immerhin paarundzwanzig Jahre. Das Schloß des Schuhschranks klemmt, ich kann den Schlüssel meist nur eine halbe Umdrehung herumdrehen. Was kein Problem sein sollte. Einfach die flache Hand neben das Schloss legen, ein wenig Druck ausüben und der Schlüssel lässt sich problemlos umdrehen.
Jedenfalls wenn die geduldigste Gemahlin das tut. Wenn ich probiere, den Schuhschrank zu öffnen, klappt es entweder auf Anhieb, oder ich zerre rotgesichtig am Schlüssel herum, schlage so lange gegen die Tür, bis die Nachbarn sich beschweren, und beschließe meine Aktion meist mit einem wütenden Tritt gegen das infame Behältnis und einem energischen Hilferuf an meine liebe Frau.
Gestern hab ich dieses Programm wieder durchgezogen, allein der Hilferuf verhalte natürlich ungehört. Wie ich bereits schrieb, war die Adressatin nicht da. Was meine Verzweiflung vergrößerte, denn binnen einer Stunde musste ich den Schuhschrank öffnen. Dann hatte sich der Gasmann angesagt, um den Gaszähler auszutauschen, der im Schuhschrank angebracht ist. Zwar sind die Angestellten der Berliner Gasag als außergewöhnlich wendig und flexibel bekannt, aber den Austausch eines Gaszählers durch eine geschlossene Schuhschranktür – dazu würde es schon einen zu allem bereiten Gazprom-Aussendienstmitarbeiter mit KGB-Vergangenheit brauchen.
Die nächsten 55 Minuten würde ich gern aus meinem Gedächtnis streichen. Die Versuche, ein hartnäckig klemmendes Türschloss zu überwinden, den Wunsch, dem Schlüssel Gewalt anzutun gepaart mit der Angst, ihn dabei abzubrechen, die abseitigen Ideen zu alternativen Öffnungsstrategien, die durch mein verzweifeltes Hirn geisterten … an all das würde ich  mich gern nie wieder erinnern. Was mir jedoch nicht gelingen wird. Ich glaube, in den exquisiteren Alpträumen meiner nächsten Jahre wird mich der Augenblick verfolgen, in dem ich mich bei offenem Werkzeugkasten fragte, wie ich welche Säge wo ansetzen müsste, um das Schloss aus der Schuhschranktür heraussägen zu können.
Wie dem auch sei, 5 Minuten vor Eintreffen des Gasmanns ereignete sich das Wunder. Ausgepumpt, ratlos und verzweifelt hieb ich ein letztes Mal gegen die Tür, drehte gleichzeitig den Schlüssel… und plötzlich gab das Schloss seinen Widerstand auf, wie durch Butter drehte der Schlüssel rund und die Tür ging auf. Nachgerade orgiastisches Erleichterungsgefühl!
Hastig räumte ich den Schuhschrank aus, um dem Gasag-Spezialisten ungehinderten Zugriff auf den Zähler zu gewähren, stapelte unsere Schuhe im Wohnzimmer und pfiff fröhlich ein Liedchen vor mich hin. Ich hatte dem widerspenstigen Schuhschrankschloss ein Schnippchen geschlagen. Zum ersten Mal! Was für ein schöner Tag!
Da klingelte es auch schon. Typisch Gasag, pünktlich auf die Sekunde. Ich eilte zur Wohnungstür, und auf dem Weg dorthin, im Flur, schloss ich im Vorbeigehen eine unordentlich offen stehende Tür und drehte den Schlüssel herum. Als ich den Gasmann herein ließ, wurde mir klar, welche Tür ich gerade geschlossen hatte.

[tags]Schuhschrank, Verzweiflung[/tags]

Splitterbrötchen (LXXXVIII)

Seit letzten Dienstag abend weiß ich, wie ich sterben möchte: In einem Irish Pub sitzend höre ich, wie mein Freund Harry die Bedienung „Haben Sie Guinness auch in Seniorenportionen?“ fragt. Dann kann dunkel werden.

Wie schafft man es eigentlich, 30 Milliarden Dollar zu verlieren, ohne im Knast oder in der Gummizelle zu landen?

Zu Ihrer Suchmaschinenanfrage „tach zurück gedreht wie bekomm ich das mit“: Ein Blick auf die Uhr bzw. in den Kalender könnte helfen. Oder Sie googlen nach Maren Gilzer und kaufen bei ihr ein „O“.

Spontaner Gedanke beim Betrachten der zitty-Headline „Was wirklich zählt“: Addiermaschinen. Was sonst?

So langsam geht’s auf die hundertste Ausgabe der Splitterbrötchen zu. Ich staune und beginne, mich zu fürchten. Zu Jubiläen fällt mir nie etwas ein.

[tags]Pseudoweisheiten, Tiefsinn, Wichtigtuerei[/tags]

Aus der Krise gelernt

Wie wir mittlerweile alle wissen, hat die Wirtschaftskrise, deren Folgen wir jetzt alle zu spüren bekommen, damit begonnen, das Banken jede Menge Kredite an Leute vergeben haben, die sie niemals zurückzahlen konnten. Anschließend wurde mit diesen faulen Krediten auch noch Handel getrieben, das Weitere ist bekannt.
Da ich jetzt immer wieder lese, dass Unternehmen sich beklagen, dass es schier unmöglich sei, von Banken noch einen Kredit zu bekommen, gehe ich davon aus, dass die Geldinstitute aus diesem Desaster gelernt haben und Kredite nicht mehr dermaßen leichtfertig vergeben.
Und als die citibank Deutschland heute so freundlich und großzügig war, mir ein geschmackvolles Popup-Fenster mit einem Online-Kreditrechner zu spendieren, machte ich die Probe aufs Exempel. Haben die Jungs von der Citibank noch die oberfaulen Kredite im Programm? Also den Kreditrechner auf Anschlag gefahren, 50.000 Öcken will ich haben, bißchen Bewegungsgeld muss schon sein, alle Schiebeschalter auf rechts und 400 Euro Monatsverdienst angegeben. Die werden doch nicht…

Kredit 400

Brave citibank Deutschland! Gleich gemerkt, dass ich nicht kreditwürdig bin. Nee, is klar. 400 ist zuwenig. Wenn man fuffzichtausend Öcken will, da muss man schon deutlich mehr Nettoeinkommen haben. Mehr als 600 Öcken auf alle Fälle. Sagt die citibank Deutschland. Wie wär’s mit 650?

Kredit 650

Öha, der Kreditrechner ist noch Subprime-Oldschool und nimmt’s. 947,93 Euro zurückzahlen bei einem Monatseinkommen von 650 Euro. Wie in der guten alten Zeit! Vermutlich ein nostalgischer Insider-Scherz. Wäre ja geradezu zynisch, wenn man so einen superfaulen Kredit heutzutage beantragen könnte.

KRedit beantragen

Uuuups.

[tags]Wirtschaftskrise Kredit Ungeheuer![/tags]

Rentner aus Gummi

Über den stählernen Überlebenswillen unserer Berliner Senioren habe ich vor einigen Monaten berichtet. Heute wurde mir eine andere herausragende Eigenschaft der rüstigen Rentner unserer Stadt plastisch vor Augen geführt: die außergewöhnliche Flexibilität, mit der sie sich geschmeidig wie ein Schlangenmensch auch auf blitzschnell eintretende Wechselfälle des Lebens einstellen.
Um kurz vor neun suchte ich heute die Ausgabestelle des Bürgeramtes Friedrichshain/Kreuzberg auf, weil ich meinen neuen Personalausweis abholen wollte. Im dritten Stock angekommen stand ich vor einer verschlossenen Tür mit heruntergelassener Jalousie. Ratlos zückte ich meinen Abholzettel und stellte fest, dass die Ausgabestelle donnerstags erst um 11 öffnet.
„Wenn Sie wat abholen wollen, die Ausjabestelle macht um neun Uhr uff!“ dröhnte mir plötzlich die welterfahrene Jovialität von ca. 75 Jahren Kreuzbärch ins Ohr.
„Wirklich?“, wagte ich zu erwidern. „Auf dem Abholschein steht donnerstags ab 11…“
„Det sind die ollen Abholscheine. da steht det noch falsch druff. Die machen um 9 Uhr uff, det können Se mir jlooben.“
„Sind Sie sicher?“
„Wäre ick sonst hier?“
Konnte ja sein, dass er sich wirklich auskannte. Es waren nur noch zwei oder drei Minuten bis neun, die Zeit konnte ich investieren, um zu sehen, ob er recht hatte.
Es wurde neun Uhr. Nebenan wurde die Tür der Wartemarkenausgabestelle geöffnet. Die Tür, vor der wir beide warteten, blieb zu. Ich zog die Augenbrauen hoch und sah den sich auskennenden Senior fragend an. Der schwieg jedoch lastend und starrte angestrengt in eine andere Richtung.
In diesem Moment öffnete sich die Fahrstuhltür, ein junger Mann stürzte heraus und rüttelte an der verschlossenen Tür der Ausgabestelle. Da fand der vermessene Veteran seine Sprache wieder: „Sie sind zu früh, junger Mann! Donnerstags machen die erst um 11 Uhr uff!“
Ja. Doch. Der Mann kennt sich aus.

[tags]Berlin Rentner Flexibilität[/tags]