Splitterbrötchen (CMLXXXVIII)

Es ist gar nicht so schwer, sich vor dem eigenen Schatten zu erschrecken. Man muss nur bemerken, dass man angefangen hat zu gehen wie der eigene Vater.

Innovationen, die die Menschheit seit Jahrhunderten ersehnt:

„Ein Jagdzeitweckerl, ein Nusspressburger und ein Aktionsstriezel.“ Bäckerei-Sound im Seewinkel.

Bin ich wirklich der einzige, der mit dem Begriff „Sommermärchen“ nicht (nur) die Turnierspiele der deutschen Nationalmannschaft 2006 verbindet, sondern die geniale, freundschaftliche Atmosphäre abseits der Stadien? Als die Menschen in unserem damaligen Kreuzberger Kiez ihre Fernseher auf die Straßen stellten, um mit wildfremden Menschen zusammen Fußball zu schauen? Als man jederzeit spontan mit Freunden des Ballsports aus aller Herren Ländern ins Gespräch kommen konnte? Als hunderte schwedischer Fans Stunden vor dem Anpfiff des Spiels ihrer Mannschaft gegen Brasilien am Theodor-Heuss-Platz auftauchten, freundlich und gelassen sämtliche Supermärkte und Lokale bis auf den letzten Tropfen leertranken und sich dann auf den Weg zum Stadion machten, ohne Müll oder Sachschäden zu hinterlassen? Als wir uns nach dem verlorenen Halbfinale traurig vom Public Viewing nach Hause zu schleppen begannen, nur um mit den Worten „Was soll’s, war trotzdem ein geiles Turnier“ doch noch in die Kneipe abzubiegen? Das zumindest war mein Sommermärchen, nicht die Zufallsflanke von David oder der Spickzettel von Jens.

Kulinarischer Wochenhöhepunkt war ein Mittagsmenü im Stadtgasthaus am Nyikospark in Neusiedl. Petersiliencremesuppe …

… schwarzes Meeresfrüchterisotto mit mariniertem Babyspinat …

... und Marillenkuchen …

… alles zusammen für selbstmörderisch kalkulierte 12,80 Euro.

Leider ist der Sport-BILD-Redaktion in dieser Sache eine gewisse Genialität nicht abzusprechen:

Verschwörungstheorie der Woche: Was wäre, wenn maschinist in Wirklichkeit Carolin Emcke ist, die nach ’ner ordentlichen Tüte eine Handvoll Pillen einwirft und auf WordPress ordentlich die Sau rauslässt, bevor sie sich mit ein paar Jagerbombs endgültig das Licht ausknipst? Nur Spaß! Nur Spaß!

Mir scheint, dass – online und gedruckt – die Zahl der Artikel rapide steigt, die mit der Intention geschrieben wurden, den Leserinnen und Lesern ein schlechtes Gewissen zu machen. Zu Ende gelesen werden solche Besinnungsaufsätze natürlich nur von Menschen, die schon eins haben. Die eigentlichen Adressaten werden die Lektüre deutlich vorher abgebrochen haben.

4 Gedanken zu „Splitterbrötchen (CMLXXXVIII)

  1. Im nächsten Leben komme ich in Österreich zur Welt. Die Karte des Gasthauses für die kommende Woche liest sich so gut, da würde ich täglich aufschlagen.

    Hattest du in deiner Wette das Finale so vorausgesehen?

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